10 - Amnesie

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Der Engel erwiderte kein Wort, keine Geste, doch das störte Dean nicht, er nahm es erst garnicht wahr. Ihm ist das Wie und Warum total egal. Er war wie zu einer Salzsäule erstarrt.
Das konnte nicht wahr sein, oder? War es wieder eine seiner Vorstellungen? Durch den Alkohol sah er den Engel oft genug.
Wenn er sich im Spiegel  ansah, hinter ihm stehend, auf dem Beifahrersitz,  in seinem Bruder Sam.
Er hielt den Atem.
Konnte es wirklich sein, dass das, was er, Dean Winchester, sich am meisten wünschte, war würde?
Er riss sich aus der Betäubung, stürmte auf Castiel zu und schlang die Arme um ihn, vergub das Gesicht an seinem Hals. Die Augen aufgerissen, drückte er sich an ihn, so fest er konnte.
Es war real. Er war real.
Er ballte seine eisigen Finger zu Fäusten.
Deans Herz überschlug sich, trieb ihm Freudentränen in die Augen.
"Verdammt, Cas.",
raunte der Jäger durch seine Zähne, "Ich ..."
Die Worte blieben ihm im Hals stecken, ihm war ganz schwindlig.
Aufgelöst krallte er sich in den Stoff des beigefarbenen Trenchcoats.
Seine Arme kribbelten seine Gedanken überschlugen  sich, als er langsam wieder in die Realität zurückkehrte und merkte, dass der Engel seine Arme immernoch gerade am Körper hinunterfallen ließ. Er erwiderte die Umarmung in keinster Weise, stand wie ein Zinnsoldat in seinen Armen.
Verwirrt ließ Dean von ihm ab, sodass Sam sich ihm widmen konnte.
Abwesend stolperte der Ältere ein paar Schritte zurück und ließ den  Blick auf seinen  Engel fallen. Er war so starr, nahm nichts, rein garnichts von Sams Berührungen an.
"Du kannst dir garnicht vorstellen, wie leer hier alles on dich war, wir haben die Hoffnung  schon aufgegeben."
Mit diesen zittrigen Worten zog Sammy ihn liebevoll in seine Arme.
Doch Cas wand sich, versuchte sich unsicher  und kraftlos aus der Umarmung zu lösen. Als wäre er schwächer als Sam, als wüsste er nichtmal wie viel Kraft er eigentlich hatte.
Verwundert schreckte Sam zurück.
Was geht hier vor sich?
Castiels Kopf war schief gelegt, ängstlich trat er wenige Meter  zurück, schützend die Hände vor dem Körper.
Seine Augen waren Blau, es waren Castiels blaue, wunderschöne  Augen. Sie spiegelten das grelle Licht der Lampen. Seine Haut war rosig, wieder lebendig. Der Dreitagebart zeichnete sein gleichmäßiges Muster an seinem Kinn ab.
Aber irgendetwas war anders.
Er war wie in Abwehrhaltung, als hätte er... Angst?
Er wirkte so hilflos.
"Cas?"
Deans Stimme war gleichmäßig und ruhig.

"Wer...",
der Engel tapste wenige Schritte  rückwärts,
"... seid... ihr?"

Für eine Sekunde setzte der Herzschlag des älteren Winchesters aus, hilfesuchend sah er zu Sam hinüber, der nur schluckend mit dem Kopf schüttelte.
"Wer wir sind? Weißt du das nicht?"
Sam nahm zuerst garnicht auf, was er hörte.
Ungläubig betrachtete Cas die Beiden.
Dean wusste nicht, was er denken sollte, brachte  keinen Ton über die Lippen.
Dieser Blick, der Blick des Engels liebte er so sehr, wie oft hat er sich gewünscht ihn noch ein letztes mal zu sehen, doch was nun? Es war zweifellos Cas, sein Cas.
"Ich... weiß nicht...",
zögernd betrachtete er seine Arme, musterte denn Stoff seines Trenchcoats,
"Ich weiß nicht... ich weiß überhaupt nicht was das alles bedeutet."
Seine Verzweiflung  zeriss den Brüdern beinahe ihr Herz, er war so hilflos, alles war so fremd für ihn. Es schien als litt er unter einer Art Amnesie, als würde er weder die Winchester kennen noch überhaupt wissen was das für ihn hieß.
"Ich... bin Dean, wir waren..."
Er würde gerne so unglaublich viel sagen.

Du liebst mich.
Du weißt alles über mich.
Wir sind unzertrennlich.
Ich liebe dich.
Du bist das Beste, was mir je passiert ist.

Doch  das wäre nicht richtig.
"Ich bin Sam...", Sammy versucht sich mit wilder Gestik zu verständigen, "... und das ist Dean, du und er ihr seid-"
"Gute Freunde."
Beendet Dean. Er kann das nicht zulassen, den Engel aufgrund seiner  Amnesie in ein vorgefertigtes Leben zu pressen, in dem er gezwungen wird Fuß zu fassen.
Er hatte es seinem Engel in der Vergangenheit so oft schwer gemacht. Er wollte sich garnicht vorstellen, wie oft er darunter gelitten hatte, dass Dean sich verschloss, wieder und wieder hatte er ihn zurück gewiesen. Es wäre nicht richtig ihm einfach Gefühle zuzuweisen.
Nun hatte Dean eine zweite Chance.
Er würde es schaffen, dass sich sein Engel ein zweites  mal in ihn verliebt.
"Und was ist mit mir...?"
Langsam traute sich Castiel wieder wenige schmale Schritte auf die beiden zu zu gehen.
"Du bist...", 
wundervoll, dachte Dean,
"Du bist Cas... also Castiel, ein Engel des Herren."

Destiel - Second ChanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt