Ein wütender Drache

706 52 1
                                    

"Wo bist du, Bilbo Beutlin!?", ertönte Smaugs lauter Ruf. Ich fand, dass das eine berechtigte Frage war. Dieselbe stellte ich mir auch. Ich irrte durch ein Labyrinth aus Gängen, kam immer wieder in Sackgassen und musste umkehren. Mein Herz klopfte wie wild, Schweiß tropfte mir von der Stirn und lief mir den Rücken hinunter. Ich hatte mal irgendwo gelesen, dass man auch vor Angst sterben konnte. Mir wurde schwindelig. Und schlecht. Ich presste die Lippen aufeinander. „Zeig dich, Dieb!", rief Smaug und ich hörte ihn einen der Gänge entlangkommen. Die Gänge des Erebors waren groß genug, als dass ein Drache hindurchgehen konnte, geradeso als hätte man sie dafür gebaut. Ich holte rasselnd Luft und lief weiter, darauf bedacht keinen Laut von mir zu geben. Ich zog den Ring aus meiner Tasche und streifte ihn über. Unsichtbar oder nicht, Smaug konnte mich trotzdem anhand meines Geruchs aufspüren. Ich konnte Smaug näherkommen hören. Dann sah ich ihn. Panik machte sich in mir breit. Ich rannte los, geradeaus, ohne zu wissen wo ich hinlief. Ich warf einen Blick über die Schulter und sah, dass der Drache seine Zähne gebleckt hatte. „Willst du dich nicht zeigen, Bilbo Beutlin? Ich will sehen, wie du verbrennst, du Dieb!", sagte Smaug genüsslich. Vor mir war ein Balkon. Ich hätte nach links oder rechts auf eine der Treppen laufen können, doch in diesem Moment riss Smaug das Maul auf, um Feuer zu speien. Mein Verstand setzte aus, ich sprintete zum Balkon, kletterte darüber und ließ mich fallen. Ich wirbelte unkontrolliert durch die Luft und landete letztendlich sehr schmerzhaft auf einem Haufen Gold. Ich rappelte ich mühsam auf und lief wieder los. Ich hätte doch eine Treppe nehmen sollen, so konnte man mich hören. Raschelnder Münzen unter meinen Füßen verrieten meinen genauen Standort. Ich hetzte über die goldenen Massen, kam zu einem Ausgang und eilte durch den dahinterliegenden Gang. Ich fand eine etwas schmalere Treppe, stürmte diese hoch und irgendwann, erkannte ich etwas wieder. Ich war auf dem richtigen Weg nach draußen. Erleichterung machte sich in mir breit. Am Ende eines Ganges sah ich eine Gestalt stehen und für einen kurzen Moment, rutschte mein Herz in den Boden unter mir. Dann erkannte ich, dass es Thorin war. Ich eilte auf ihn zu. Im Laufen zog ich den Ring ab. Thorin, der zuerst nur näherkommende Schritte hörte, drehte sich um und zog sein Schwert. „Thorin, ich bins!", sagte ich leise. Thorin musterte mich. „Hast du ihn?", fragte er. „Was?", fragte ich verwirrt. „Den Arkenstein, hast du ihn?", fragte er eindringlich. Ich wollte schon ja sagen und ihn hervorholen, als mir Smaugs Worte wieder einfielen: „Es wird ihn in den Wahnsinn treiben und jedes bisschen Vernunft und Verstand, dass er besitzt auslöschen!". „Thorin", sagte ich. „Da ist ein Drache und er ist wach und wütend". Thorin musterte mich nur weiterhin. Völlig ausdruckslos. „Der Arkenstein, such ihn!", sagte er. „Hast du mir nicht zugehört?", fragte ich. Thorin richtete das Schwert auf meine Brust und ich erstarrte. Schritte und Stimmen waren zu hören. Er senkte das Schwert. „Bilbo?", Balin und Dwalin kamen durch den Gang auf uns zu. „Du lebst", sagte Dwalin und klang erleichtert. „Vielleicht nicht mehr lange", sagte ich mit einem Seitenblick auf Thorin. Ein lautes Brüllen ertönte. Balin sah sich beunruhigt um. „Du hast ihn geweckt?", fragte er besorgt. „Ich glaube er hat nie geschlafen", entgegnete ich. „Was machen wir jetzt?", fragte Dwalin an Thorin gerichtet. „Wir töten die Bestie", sagte Thorin. „Holt die anderen!", befahl er. Ich rieb mir die Stirn. Das konnte er unmöglich ernst meinen. Aber er meinte es ernst. Das wurde mir klar, als ich mich wenig später draußen auf der Treppe vorfand und dabei half Bombur nach oben zu bekommen. Auf dem Plateau angekommen, versammelte wir uns alle und sahen Thorin an. „Wie sieht der Plan aus?", fragte Bofur. „Wir müssen ihm eine Falle stellen", sagte Balin. „Wir könnten ihn auch einfach angreifen und töten", schlug Dwalin vor. „Das wäre ziemlich dumm", stellte ich fest. „Immerhin reden wir hier nicht von Orks, sondern von einem Drachen. Ich habe ihn gesehen", sagte ich und erschauderte. „Eine Falle also", sagte Bofur. „Aber was für eine?", fragte Nori. „Bilbo, du hast ihn gesehen, erzähl uns alles was du weißt", sagte Balin. „Als Drache können wir nicht viel gegen ihn ausrichten", sagte ich. „Als Drache? Was soll das heißen?", fragte Thorin. „Er hat noch eine andere Gestalt. Eine etwas menschlichere. Ich denke aber nicht, dass seine Haut deswegen leichter zu durchdringen ist", sagte ich. „Er kann sich verwandeln?", fragte Ori erstaunt. Ich nickte. „Wir müssen ihn dazu kriegen, sich in seiner menschlichen Form zu zeigen", sagte Thorin. „Das könnte ich vielleicht hinkriegen", sagte ich. „Immerhin hat er sich vor mir schon einmal verwandelt", fügte ich hinzu. „In Ordnung", sagte Thorin. „Locke ihn in den Thronsaal, lenke ihn ab, rede solange mit ihm, bis wir da sind. Er wird uns wittern und dann muss es schnell gehen!", fügte er hinzu.

Der Hobbit - der Meisterdieb und der König unter dem BergeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt