Nachwort

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Es gab eine Beerdigung. Groß, prunkvoll und zu Ehren des verstorbenen Königs unter dem Berge und seinen Neffen. Ich kann nicht sagen, wie ich es ausgehalten habe vor Thorin stehen zu bleiben. Ich hatte keine Ahnung, dass man sich so tot fühlen kann, obwohl man so lebendig war. Ich verstand nicht wieso ich mich schuldig fühlte. Vielleicht, weil ich, ein einfacher Hobbit überlebte und Thorin, der König unter dem Berge nicht? Ich war bei ihm gewesen. Ich hatte gesehen wie das Leben aus seinen Augen verschwand. Jetzt lag er hier, um ihn herum Kerzen und in seinen Händen der Arkenstein. Irgendetwas in mir, war mit Thorin zusammen verschwunden und hatte eine unendliche Leere hinterlassen. Jemand hatte seine Augen geschlossen. Ich spürte den Schmerz wieder in mir aufkommen. Meine Hände zitterten und meine Sicht verschwamm. Warum stand ich hier? Obwohl mein Herz sich anfühlte als hacke jemand mit einer Axt darauf herum, obwohl jeder Atemzug wehtat, obwohl ich nicht klar denken konnte, obwohl meine Beine gern einknicken wollten und obwohl ich am liebsten schreien wollte, wollte ich nirgendwo anders sein. Ich wollte nirgendwo mehr hin. Beutelsend war vergessen. Meine Bücher waren vergessen, genau wie mein Sessel und mein Garten. Alles was ich wollte war für immer hier stehen zu bleiben. Es war kein schöner Ort. Es war kein schöner Zeitpunkt. Es war keine schöne Situation. Es war genau das Gegenteil. Es war der letzte Ort, an dem ich hätte sein wollen. Es war die letzte Situation in der ich hätte sein wollen. Doch mein Verstand wollte sich nicht lösen. Ich könnte erzählen, dass ich mich am liebsten neben Thorin gelegt, ihn umklammert und nie wieder losgelassen hätte. Ich könnte erzählen, dass ich es nicht tat. Ich könnte erzählen, dass mir unzählige Tränen über das Gesicht liefen. Das einzige was für mich zählte war jedoch die Sehnsucht. Ich vermisste ihn so sehr, dass ich den Schmerz in Kauf nehmen würde, nur um neben seinem leblosen Körper stehen zu können, für immer. Ich wusste, wenn ich mich abwenden und gehen würde, dann wäre es endgültig. Ich würde mich nicht noch einmal umdrehen. Ich würde Thorin, obwohl er es schon getan hatte, verlassen. Ich hatte Angst zu vergessen. Ihn zu vergessen. Ich wollte mich nicht abwenden.

Trotzdem saß ich in dem Moment, in dem ich diese Worte niederschrieb in meinem Arbeitszimmer in meiner Hobbithöhle im Auenland. Ich war nach Hause gegangen. Meine Angst hat sich gewandelt. Inzwischen fürchte ich Thorin Eichenschild nie mehr vergessen zu können. Es gibt im Auenland nichts, das mich an ihn erinnern könnte und trotzdem scheint er immer anwesend zu sein. Verdrängen ist leicht, Vergessen hingegen ist schwer.

Mein lieber Frodo,

jetzt wo ich all das aufgeschrieben habe und die Erzählung meines Abenteuers zu Ende ist, sollte ich das Buch zuklappen und dir überlassen. Schließlich schrieb ich das alle für dich... dachte ich. Jetzt wo ich darüber nachdenke, komme ich jedoch nicht umhin, zugeben zu müssen, dass dieses Werk nicht für dich bestimmt ist. Für niemanden.

Zumindest nicht in dieser Form. Trotzdem hast du das Recht von meinem Abenteuer zu erfahren.

Ich werde eine weitere Version schreiben. Eine etwas... angepasste. Denn es gibt ein paar Dinge, die du nicht unbedingt von deinem Onkel wissen musst. Diese erste Variante meiner Geschichte werde ich behalten. Es ist Erinnerung. Und Erinnerung ist eines der wertvollsten Dinge auf der Welt die es gibt.

Geschrieben in Ehren an Thorin Eichenschild, König unter dem Berge

In Liebe Bilbo Beutlin

Der Hobbit - der Meisterdieb und der König unter dem BergeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt