13. Kapitel

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Ich höre noch, wie das Glas unter seinen Schuhen knirscht, als ich aus dem Gebäude haste und irgendwo hin Richtung Straße will.

"Louis!", brüllt er aus vollen Lungen und mein Herz zerfällt mal wieder.

"Geh einfach weg, warum kannst du dich nicht einfach in Luft auflösen ...", flüstere ich zu mir selbst und werde schneller.

Dann klingelt mein Handy. Ich gehe nicht ran, beachte es nicht.

Bis in die Stadt sind es 20 Minuten zu Fuss. Dort werde ich in ein Taxi steigen, meine Sachen aus dem Haus holen und verschwinden. Irhendwohin, wo ich nie wieder von irgendetwas hiervon hören oder sehen werde.

Weit entfernt nehme ich das Klingeln von Harry's Handy wahr. Er geht direkt hinter mir, aber ich versuche es auszublenden. Irgendwann wird er aufhören mir nachzulaufen, sich betrinken und irgendwas dummes anstellen, bei dem er wieder in Lebensgefahr gerät. Aber dann werde ich nicht da sein, um ihn zu retten.

Jetzt muss ich mich erstmal selbst retten.

"L-louis ...", sagt Harry zum tausendsten mal, aber es klingt anders. Es bringt mich aus irgendeinem Grund zum Stehen. Ich drehe mich um und Harry bleibt knapp vor mir stehen. Vermutlich hat er nicht damit gerechnet, dass ich plötzlich doch auf ihn höre.

Aber dann tut er etwas, mit dem ich nicht gerechnet habe.

Er reicht mir sein Handy.

Zweifelnd sehe ich erst ihn und dann wieder das Ding in seiner Hand an. Die Hand, die zittert.

"Wer ist da ...", will ich wissen und verschränke die Arme.

Doch er erwidert nichts, sondern hält es mir noch näher. Als ich ihn wieder ansehe, sind seine Wangen tränenüberströmt. Sofort gehe ich ran.

"H-hallo?"

"Louis? Bist du es?"

"Mom? Warum rufst du auf Harry's Handy..." Und da fällt es mir ein. Meines hat geklingelt. Ich bin nicht ran gegangen. "Geht es dir gut? Du klingst ... krank?"

Ihre Stimme ist vergleichsweise leise, rau und ... irgendwie gedämpft.
Harry dreht sich weg und legt die Hände vor die Augen. Dann sinkt er auf die Knie. Mein Puls beschleunigt sich.

"Louis, ich liebe dich. Es tut mir leid, dass ich so selten da war, wenn du eine Mutter gebraucht hast ..."

"Was redest du da? Mom, was ist passiert? Was hast du?!"

Panisch balle ich meine freie Hand zu einer Faust und halte sie vor meine Lippen.

"Ich weiss nicht genau, was passiert ist ... Da war dieser Mann. Er hat mir einen Kaffee ausgegeben...", erklärt sie langsam. "Plötzlich habe ich keine Luft mehr bekommen und bin ... eingeschlafen."

"Wo bist du jetzt?! Ich komme zu dir!"

"Das geht nicht, mein Schatz. Es ist ... zu spät ..."

Als ich einen Knall am anderen Ende der Leitung höre, lasse ich das Smartphone fallen.

Harry kniet auf dem Boden neben mir und beobachtet mich mit geröteten Augen. Ich stelle mich vor ihn und sehe auf ihn hinab.

In meinem Kopf fliegen milliarden Dinge hin und her. Ich kann sie nicht mal mehr sortieren. Ich will es gar nicht erst versuchen.

"Hast du ... etwas damit zu tun?", frage ich monoton, da ich keine Ahnung habe, wie ich mit dieser Situation umgehen soll.

Harry senkt den Kopf. Das ist eine klare und eindeutige Antwort.

Entschlossen reisse ich den Ring von meinem Finger und lasse ihn vor seinen Knien zu Boden fallen. Harry zuckt zusammen, hebt ihn dann aber auf und umschließt ihn mit beiden Händen, ohne augzusehen.

Geblendet von der Tatsache, dass meine eigene Mutter vor wenigen Minuten am anderen Ende der Leitung erschossen wurde, irre ich durch die Straßen. Es beginnt zu schneien, als es dämmert. Bilder von letztem Winter schießen mir in den Kopf. Es ist als durchlebe ich etwas vergleichbares. Nur irgenwie ... noch schlimmer. Noch unerklärlicher. Noch verwirrender. Das kann nicht real sein. All die Dinge die passieren, warum ich? Ich wollte ihn retten ... Letztendlich habe ich wohl alles noch schlimmer gemacht.

Es ist schon dunkel, als ich in eine Straße komme, in der Blaulicht augleuchtet. Polizei, Krankenwagen... Sie stehen vor einem Haus. Dann kommen zwei Helfer mit einer liege aus der Haustür. Und auf der Liege ... liegt meine Mutter.

Captured Pt. 2 || L.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt