Gefühlschaos

346 14 3
                                    

Wie jeden Morgen dröhnt das ohrenbetäubende Piepen des Weckers durch Atemus Zimmer. Genervt bringt er diesen mit einem gezielten Schlag zum Verstummen. Noch immer müde dreht er sich wieder auf die andere Seite und vergräbt sein Gesicht in die Kissen, sodass er in kürzester Zeit wieder in Halbschlaf verfällt.
Doch als er das Geräusch einer zufallenden Tür vernimmt, schreckt er aus dem Bett hoch und sitzt aufrecht im Bett. Fluchend springt er aus dem Bett und stürmt in die Küche, wo ihn seine Mutter müde begrüßt. „Guten Morgen, Mum. Sorry, hab mal wieder verschlafen... Aber setz dich doch schon mal hin." Nickend und mit trägen Bewegungen schleppt sich seine Mutter an den Küchentisch und lässt sich erschöpft auf einen der Stühle sinken.

Noch immer im Schlafanzug deckt Atemu den Frühstückstisch. Aus den Augenwinkeln kann er erkennen, dass seine Mutter nur schwer ein herzhaftes Gähnen unterdrücken kann. Nachdem der Tisch fertig gedeckt ist, setzt sich Atemu schmunzelnd seiner Mutter gegenüber. „Anstrengenden Tag gehabt?", beginnt er in dem Versuch die müde Stille zwischen ihnen zu durchbrechen, doch da seine Mutter nur mit einem erschöpften Nicken antwortet, belässt er es dabei, sodass sie die restliche Zeit schweigend verbringen.

Gähnend richtet Sahirah sich auf und will den Tisch abräumen, doch kommt Atemu ihr zuvor. „Leg dich hin, Mum. Ich mache das schon." Lächelnd blickt sie ihren Sohn an. „Danke, mein Schatz. Dann wünsche ich dir viel Spaß in der Schule, aber vergiss nicht, dich vorher noch umzuziehen." Erschrocken blickt Atemu an sich herunter, bevor er seiner Mutter einen bösen Blick zuwirft, allerdings ist diese schon leise kichernd in ihrem Schlafzimmer verschwunden.
„Das war nur einmal!", ruft Atemu ihr empört hinterher. Es ist schon schlimm genug, dass er diesen Tag niemals aus seinem Gedächtnis streichen kann, da muss sie ihn nicht auch noch ständig daran erinnern. Mit hochrotem Kopf räumt Atemu das Geschirr in die Spülmaschine, ehe er auf die Küchenuhr blickt. Fluchend stürmt er daraufhin in sein Zimmer, um sich für die Schule vorzubereiten.

Nach Luft schnappend steht Atemu schließlich vor dem Schultor und klopft sich gedanklich löblich auf die Schulter, dass er es tatsächlich noch rechtzeitig zum Unterrichtsbeginn geschafft hat. Jedoch fügt er zusätzlich noch eine Notiz hinzu, dass er später dringend den Wecker außerhalb der Reichweite seines Bettes stellen muss.

Innerlich zwiegespalten rutscht Yugi unruhig auf seinem Stuhl herum. Einerseits glücklich Atemu näher kennenzulernen, andererseits breitet sich aber auch eine leise Panik in ihm aus, da er heute ebenfalls von Yami erzählen will, weshalb sich Atemu mit größter Wahrscheinlich von ihm abwenden wird. Zudem wird seine Sorge um Yami auch immer größer, hat dieser sich bisher doch noch immer nicht bequemt wieder aufzutauchen, um mit ihm zu reden.
Alle Gefühle scheinen in seinem Inneren gleichzeitig um die Vorherrschaft kämpfen zu wollen, wobei sie ein totales Chaos hinterlassen und Yugi nun einfach nicht mehr weiß, wie er sich denn jetzt eigentlich fühlen soll.
Das Ticken des Sekundenzeigers der großen Uhr über der Tafel ertönt unerträglich laut in seinen Ohren wider und zieht ihn förmlich in einen hypnotisierenden Bann. Quälend langsam wandert der Zeiger Millimeter um Millimeter voran. Sowohl erleichtert, als auch genervt, dass die Zeit so schleppend langsam vergeht, starrt Yugi gebannt an die Wanduhr.
Nur am Rande nimmt er eine Stimme wahr, die ihn wohl dazu auffordert irgendeine Aufgabe zu lösen, doch erscheint es ihm als eine Unmöglichkeit, sich jetzt aus dem Bann befreien zu können.

Nach einer für ihn gefühlten Ewigkeit erwacht Yugi endlich aus seiner Starre. Immer mehr wird ihm bewusst, dass gerade die gesamte Aufmerksamkeit auf ihm liegt. Sich seine Unsicherheit möglichst nicht anmerken lassend, richtet er seinen fragenden Blick auf die Lehrerin.
„Wie wäre es, wenn Sie dem Unterricht folgen würden, anstatt in der Weltgeschichte herum zu träumen, Herr Muto?" Bei dem harschen Tonfall der Lehrerin zuckt Yugi verschreckt zusammen. Als er dann auch noch das Gelächter seiner Klassenkameraden vernimmt, senkt er seinen Blick betreten zu Boden.
„Verzeihung, wird nicht nochmal vorkommen.", murmelt er leise vor sich hin, darum bemüht, das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken.
Ohne weiter darauf einzugehen setzt die Lehrerin den Unterricht nach dem kleinen Zwischenfall fort, jedoch kann Yugi noch immer das Gelächter seiner Mitschüler hören, sodass es ihm beinahe unerträglich in seinen Ohren widerhallt. Panisch schlägt er seine Handflächen auf die Ohren, doch scheint das Gelächter dadurch nur umso lauter zu werden. Er spürt wie sich die Blicke seiner Mitschüler in seinen Rücken bohren, doch als er sich umschaut, scheint ihn Niemand zu beachten. Erstaunt, dass sich außer ihm Niemand an dem ohrenbetäubenden Gelächter stört, fixieren seine Augen wieder das aufgeschlagene Schulbuch auf seinem Tisch.

Zwischen Wahn und WirklichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt