Eine Mauer im Herzen

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Der schönste Tag meines Lebens ...

"Manu! Verdammt, jetzt antworte doch mal!"

"Was?"

"Du warst vor Nina schon Mal verheiratet?!"

Phillips Frage klingt für mich eher wie eine Festellung. Trotzdem antworte ich ihm nach kurzer Zeit.

"Ja. Ich ... wir ... wir waren damals noch ziemlich jung. Ich war sechzehn, als ... als Elisa und ich geheiratet haben. Unsere Eltern, ... die waren damals ... einverstanden, weil wir ... also Elisa und ich ... wir -"

Warum fällt es mir so schwer, mit Phillip zu reden? Er ist ja wohl der vertrauenswürdigste Mensch, den ich kenne. Warum kann ich nach all den Jahren immer noch nicht aussprechen, was damals passiert ist?

"Manu? Was ist mit dir und Elisa gewesen? Was ist mit ihr passiert?"

Phillips Stimme klingt so sanft und beruhigend. Irgendwie weiß er in jeder Situation, wie er sich zu verhalten hat.

"Wir hatten eine Tochter."

So! Jetzt ist es raus!

"Hattet? Ist sie verstorben?"

"Nein ... also ... ich weiß es nicht. Ich hab' ... hab' sie damals in ... in ein Kinderheim gebracht."

"Du hast WAS?!"

"Meine Tochter in ein Kinderheim gebracht. "

Meine Stimme ist nur noch ein Flüstern. Es tut immer noch weh, wenn ich an diesen Tag zurückdenke.

"Und sie sind sich wirklich sicher, dass Sie ihre Tochter bei uns abgeben möchten? Sie könnten doch -"

"Nein! Ich kann das nicht alleine, okay?! Meine Frau ist tot! Dann kann ich mich doch nicht noch um meine Tochter kümmern, wenn ich mit meinem eigenen Leben nicht mehr zurecht komme?!"

Mitleidig sieht die Jugendamtsmitarbeiterin mich an, bevor sie meine Tochter nimmt und zur Türe geht.

"Herr Neuer? Ich hoffe, Sie haben sich das gut überlegt!"

Dann verschwindet sie aus dem Krankenhauszimmer. Ich habe gerade meine eigene Tochter verraten und in ein Heim gesteckt!

Weinend sacke ich auf dem Boden zusammen.

Hoffentlich wird sie es in Leverkusen besser haben ...

Wieder überfällen mich bei den Erinnerungen die Tränen. Ich habe mein Kind verraten! Mein eigen Fleisch und Blut!

"Warum hast du das getan, Manu?"

Auch Phillips Stimme ist mittlerweile nur noch ein Flüstern.

"Weil ich das nicht konnte, Phips. Elisa ... sie starb in unserem Haus. Ein Kabelbrand hat damals unser Haus in Flammen aufgehen lassen. Sie lag im Wohnzimmer und ist wohl eingeschlafen, als sie auf mich gewartet hat. Sie hat vermutlich nichtmal bemerkt, dass es angefangen hat zu brennen ... Wie sollte ich mich denn alleine um ein Kind kümmern? Wie?"

"Ach, Manu."

Phillip sieht mich mitleidig an.

"Warum hast du denn mit niemandem geredet? Du kannst uns doch allen vertrauen! Komm' mal her."

Ja, warum habe ich mit niemandem geredet? Ich habe mich einfach auf den Sport konzentriert und alles verdrängt. Nie hätte ich damit gerechnet, dass diese Mauer um meine Vergangenheit irgendwann beginnt zu bröckeln und meine alten Gefühle wieder hochkommen ...

Nie hätte ich gedacht, dass ich meine Tochter wieder zurückholen möchte ...

Sophia POV

Ich stehe bestimmt schon eine Stunde weinend vor dieser Ruine, als ein Auto vorfährt und vor dem Nachbarhaus zum stehen kommt. Die Türen öffnen sich und meine Oma und ein älterer Herr steigen aus - vermutlich ist er mein Opa.

Nun öffnet sich auch die Tür des Nachbarhauses. Eine Frau tritt heraus und begrüßt die beiden freundlich.

Ich ignoriere die drei und starre weiter auf unser altes Haus.

Dann kommen die drei jedoch auf mich zu und Oma ruft meinen Namen.

"Sophia?"

Es klingt wie eine Frage, doch ich antworte ihr nicht. Ich sehe sie kurz an und laufe dann weg. So schnell ich kann, laufe ich zurück zum Hotel und hoch zu Lara, die mir nach dem dritten Klopfen die Türe öffnet.

Völlig außer Atem lasse ich mich auf meine Betthälfte fallen.

Woher wusste Oma, dass ich es bin? Und woher wusste sie, dass ich vor dem Haus stehe?

"Ist alles okay? Ist was passiert?", fragt Lara und schmeißt sich neben mich auf das Doppelbett.

"Sie hat mich erkannt."

"Wer?"

"Oma."

"Ähm ... sorry Maus, aber ich verstehe nur Bahnhof."

"Man Lara, ich stand da heulend vor unserem alten Haus und dann fuhr da halt ein Auto vor. Meine Oma und ein älterer Mann - vermutlich mein Opa - sind ausgestiegen und haben sich kurz mit der Nachbarin unterhalten. Dann sind alle drei auf mich zu und Oma hat meinen Namen gerufen."

"Ja, und dann? Warum bist du dann schon zurück?"

"Weil ich weggelaufen bin ..."

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705 Wörter

Spiel des LebensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt