48. Wahrheiten

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Sie guckt erst ihren Sohn an und dann dich. Du beißt dir auf die Lippen, bis du Blut schmeckst. Die Frau, dessen Gesicht du jetzt erst erkennen kannst, kommt näher an dich und fängt an dein Gesicht zu mustern. Du schaust auf den Boden, aus genau zwei Gründen; weil du verlegen wirst und um deine feuchten Augen zu verstecken. Maria streckt ihre Hand aus und berrührt dann deine Schulter. Sie bückt sich ein wenig um dein Gesicht sehen zu können. Dann nimmt sie dich in den Arm und bricht in Tränen aus. "Verzeih mir...", schluchzt die Frau, welche sogar einen Centimeter kleiner als du ist, in deine Schulter. Du erwiderst die Umarmung. "Ich muss dir so viel erklären. Bitte verzeih mir... Ich habe so einen großen Fehler gemacht...", sagt deine Mutter. "Ist in Ordnung. Sag mir bloß.. Warum?" 'Warum hast du mich abgegeben? Warum hast du dich nie gemeldet? Warum hast du ihn behalten, aber mich nicht?' "Ja... Komm mit.", sagt Maria und nimmt dich an die Hand. Sie zieht dich durch eine Tür in einen hübschen Wintergarten. "Setz dich.", sagt sie und bietet dir einen kleinen Stuhl an. Ihr seid beide aufgelöst. Auf einmal ist so viel passiert. "Lass dich ansehen...", sagt deine Mutter und du lächelst sie verlegen an. "Ich kann es kaum glauben... Ich dachte du wärst für mich unerreichbar geworden...", sagt sie. "Aber lass mich dir alles erklären... Wo soll ich anfangen... Dein Vater ist Thomas Beyer. Ich habe ihn in der zwölften Klasse kennengelernt. Wir waren 3 Jahre zusammen, dann hat er mir ein Heiratsantrag gemacht. Wir müssen damals so um die 22 Jahre alt gewesen sein.", erzählt die Frau und lächelt an den Gedanken an ihre Jugend. "Ein Jahr nach Anfang unserer Ehe wurde er... wie soll ich sagen...anders...", sagt Maria zögernd. "Hat er.. dich geschlagen?", fragst du vorsichtig und bekommst ein Nicken als Antwort. "Warum hast du dich nicht von ihm getrennt?", fragst du voller Unverständnis. "Ich war blind vor Liebe. Ich habe es mitgemacht. Zwei Jahre lang. Du kannst dir nicht vorstellen, was alles passiert ist... es war schrecklich. Und ich konnte mich nicht einmal wehren. Dann hieß es, ich sei schwanger. Thomas wollte das Kind nicht. Gott hab ich dafür gekämpft, dich behalten zu dürfen.. Mit einer Ausnahme... Ich musste dich ins Heim bringen. Es zeriss... nein zereißt mir das Herz. Ich hätte zur Polizei gehen sollen... Aber als du auf die Welt kamst, ist alles aufgeflogen. Ich habe einer Hebamme im Krankenhaus alles anvertraut. Sie war die Frau, die dich gerettet hat. Und trotzdem... konnte ich dich nicht behalten. Ich hatte kein Geld und musste gegen schwere Depressionen kämpfen. Ich habe mir solche Vorwürfe gemacht. In dieser Zeit lernte ich Stefan kennen. Er hat mir geholfen und wir sind ein Paar geworden, haben geheiratet. An unserer Trauung habe ich beschlossen, zu dir zu kommen. Aber es hieß, du wurdest woanders hingebracht. So verlor ich den Faden zu dir. Ich habe mir so sehr gewünscht diesen Fehler rückgängig machen zu können... Also bin ich nochmal schwanger geworden. Diesmal mit einem Jungen." "Chris?" "Ja... Als ich ihn auf den Armen hielt wusste ich, was ich getan habe und wie viel ich verpassen würde." "Und was ist mit meinem Vater.", fragst du. Maria atmet einmal tief durch. "Nach Chris' Geburt wollte ich zu ihm, mit ihm sprechen. Er war im Gefängnis. Dort sagten sie mir, er hätte sich erhangen. Nicht aus Einsicht, sondern aus Stolz. Er meinte wohl vor seinem Tod, er würde lieber in der Hölle schmoren, als von seines Gleichen eingesperrt zu werden.", erklärt deine Mutter. Du bist wortwörtlich sprachlos. Es dauert eine Weile, bis du wieder Luft holst und sprichst. "Danke. Du hast mich gerettet... und... du musstest so viel durchstehen. Es tut mir so leid, dass ich nicht für dich da war.", sagst du. Deine Mutter lächelt. "Erzähl mir lieber etwas von dir.", sagt sie liebevoll.

Lovely Heart | Jimin x ReaderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt