eleven: Sweet Lügen

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Ehrlich gesagt, hätte ich an mein Schreibtisch gesessen und gearbeitet, wenn mich eines Morgens Royce Heaven nicht entführt und mich irgendwo mit hingenommen hätte.

Nun saß ich neben ihn und machte mich auf die zweistündige Autofahrt gefasst, die mich von innen beunruhigte. Es war so verdammt lange her, das ich je wieder in ein Auto gestiegen bin, vor allen nach den Ereignissen, die sich vor mein geistigen Auge wie ein Film abspielten.

Mein Nachbar versuchte die Stimmung aufzuheitern, indem er die Musik anmachte oder mir Flachwitze erzählte. Doch meine Aufmerksamkeit war nur an das eine gewidmet, was ich nicht vergessen könnte.

»Stimmt etwas nicht, Chardonnay?«

Seine Hand, verharrend auf mein Oberschenkel, während mir die Angst in den Körper trieb. »Ich weiß es nicht...«, nachdenkend richtete ich mich auf und schaute nach vorn. Bloß nicht zu ihm, zwang ich mich dazu.

Royce, der mich mühsam ins Visier genommen hatte, wusste das etwas nicht stimmen konnte, ignorierte aber mich weiterhin, nur um etwas hinzufügen, was vom Thema ablenken sollte. »Erzähle mir von dein Lieblingsessen, Chardonnay. Womit kann man dich am beten beglücken?«

Ihm gelang das Ablenkungsmanöver richtig gut, weshalb ich mich dazu zwang ihn anzulächeln »Ich bevorzuge Kuchen.«

Royce kniff lachend die Augen zusammen und sah mit unverhohlenen Blicken zu mir rüber »Du willst mich doch verscheißern, was?«

Verneinend reckte ich nur das Kinn und setzte mich auf »Warum soll deine Nachbarin dich auf den Arm nehmen?«

»Du isst Kuchen? Eine Süßspeise, die so viele Kalorien enthält?!«, seine Augen musterten mich kritisch »Wieso hast du dann so eine Figur, die nicht nach einer Kuchenliebhaberin ausschaut?«

»Ich mache kein Sport«, warf ich ein und er grinste »Umso besser, denn sonst würdest du nicht mehr auf Kuchen abfahren«

Das Royce durchtrainiert war, konnte es mir auf dem ersten Blick nicht entgehen und trotzdem stemmte er statt Gewichte nichts als stinknormale Baumstämme. Royce war ein waschechter Südamerikaner, der sich nicht darum scherte seine Sportroutine im Fitnessstudio zu vollenden, sondern der lieber sich um sein Rasen kümmerte oder noch besser Holz hackte. Ja, hier in Alabama hackten Männer aus Leidenschaft ihr Holz, nur um es danach in den Kamin hineinzulegen und es zu verbrennen.

Während die andere Fraktion, die eher reichen Männer, sich ihr Holz nicht frisch im Garten hackten, sondern es sich irgendwo erwerben. Ein gewaltiger Unterschied, fiel es mir in den Sinn.

Durch meine Gedanken, die mir gerade durch den Kopf durchfuhren, hatte ich nicht einmal gemerkt, wie Royce mich immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholte. »Hey Chardonnay«, winkte er mir zu und verträumt schlug ich die Augen auf. »Hast du von mir etwa geträumt?«

»Holz hacken...«, murmelte ich vor mich hin und er kniff die Brauen zusammen »Bitte was?«

»Du...«, unbewusst deutete ich auf ihn »Du hast so schön Holz gehackt«

»Hat da mich jemand beobachtet, Chardonnay Richards?«, die Belustigung war genau herauszuhören, weshalb ich wieder ins Bewusstsein einkehrte und sich automatisch meine Wangen rot färbten. Scheiße, scheiße, scheiße!

Peinlich berührt drehte ich mich von Royce weg und verfluchte mich dabei so ein Einfluss auf ihn gehabt zu haben.

»Hey Chardonnay...«, schmunzelte er.

»Lass mich in Ruhe!«, versuchte ich bewusster zu klingen, aber das Schmunzeln verunsicherte mich.

Ich versuchte ein Schmollmund zu ziehen, aber irgendwie gelang es mir nicht, weil er sich nicht mehr einkriegen konnte. »Hör auf...«, hörbar schnappte ich nach Luft, unterdrückte mir ein Lachen und wagte es nicht die Lippen zu verziehen. »Hör auf zu...lachen«

ChardonnayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt