Kapitel 10: Ally

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Ich hatte keine Ahnung was ich tun sollte. Mal wieder. Irgendwie kam ich mir total bescheuert vor. Ich saß auf einem fremden Sofa und starrte mit offenem Mund und einem riesen Fragezeichen im Gesicht einen wildfremden Typen an. Dieser starrte lächelnd zurück und schien meine Unsicherheit zu bemerken. Dennoch hielt er es anscheinend nicht für nötig, weiter mit mir zu reden.

Als mir auffiel,  wie doof ich aussehen musste, schloss ich schnell den Mund und schaute zu Boden. Komischerweise hatte ich keine Angst davor, dass der Fremde plötzlich eine Axt oder irgendetwas anderes hervorholen könnte um mich auf der Stelle umzubringen. Außerdem beruhigte mich die Tatsache, dass nicht der Mann mit dem Messer schräg hinter mir stand. Aber, wie der, der dazu gekommen war, sah dieser hier auch nicht aus. Es bestand schon eine gewisse Ähnlichkeit.

Die gleiche Größe, die gleichen hohen Wangenknochen und die gleiche Frisur.

Die auffälligsten Unterschiede waren die Haarfarbe-der im Wald hatte blonde, dieser dunkelbraune Haare- und die Augenfarbe, die im Wald schwarz war und jetzt eisblau ist. Mir viel auf, dass ich mir das Gesicht aus dem Wald sehr gut eingeprägt hatte, obwohl sowas eigentlich überhaupt nicht meine Stärke war.

Während ich alles verglich, fühlte ich mir so, als ob ich zwei verschiedene Gegenstände im Geschäft sehen würde und ich ewig brauchte um mich zu entscheiden, welches ich kaufen sollte. Es war eine Minute auf dem Wecker vergangen, in denen keiner einen Ton gesagt hatte. Ich traute mich nicht, das Schweigen zu durchbrechen und war sehr erleichtert, als er anfing zu reden:

,,Wie geht's dir?"

,,Ganz gut.",

antwortete ich mit einer kratzenden Stimme. Ich musste kurz husten, aber dadurch wurde es nur noch schlimmer,  sodass ich einen Hustanfall bekam. Ich bekam kaum noch Luft. Auf einmal sah ich vor mir eine Hand, die ein Glas hochhielt.

Ohne groß nachzudenken nahm ich es und trank es hastig leer. Es schmeckte sehr gut und der Husten war sofort verschwunden.

,,Was war das?",

fragte ich verwundert. Ich hatte so etwas noch nie getrunken, aber es schmeckte fantastisch. Als Antwort bekam ich wieder nur ein grinsen und irgendwie wurde ich sauer. Ich wollte wissen, wo ich war und wieso ich hier war.

,,Wer bist du und was mache ich hier?",

fragte ich nun etwas lauter. Dieses mal gab er mir eine Antwort:

,,Ich bin Cayden und ich wohne hier zusammen mit einem Freund und einer Freundin, die aber leider gerade nicht zu Hause sind. Du bist hier, weil ich dich nicht im Wald alleine lassen konnte. Ich verabscheue Vampire, die einfach so Menschen anfallen."

Hat der gerade ernsthaft Vampire gesagt?!

,,Was wollte der Mann denn von mir?"

,,Dein Blut.",

antwortete er knapp und jetzt erklärte ich ihn für total durchgeknallt. In was für einer Märchenwelt lebt der denn?

,,Ich werde dir jetzt die wichtigsten Sachen erklären und dann gehst du wieder nach Hause. Okay?"

Da ich nichts anderes wusste und unbedingt mehr erfahren wollte, antwortete ich einfach mit

,,Okay."

Daraufhin ging dieser Cayden näher auf mich zu und setzte sich neben mich auf das Sofa.

,,Also. Um es kurz zu machen. Du bist jetzt ein Vampir, da ich dich gebissen habe. Bis morgen Abend solltest du eigentlich kein Blut brauchen."

,,Moment mal.",

unterbrach ich ihn.

,,Ich soll Blut trinken?"

,,Ja. Und dir scheint es zu schmecken,  denn das eben war auch Blut."

Fassungslos starrte ich ihn an, aber das schien ihn nicht zu stören, denn er redete einfach weiter.

,,Normalerweise geschieht die Verwandlung zum Vampir unter Schmerzen, aber nur, wenn du 18 oder älter bist. Wie alt bist du?"

,,Fast 16"

,,Gut. Dann bekommst du diese speziellen Tabletten. Eigentlich verteilen sich die Schmerzen immer unterschiedlich, wenn man noch nicht volljährig ist. Aber wenn du diese speziellen Tabletten nimmst, wirst du normalerweise nichts daavon merken. Ich habe leider nicht mehr viel Zeit, da ich zu einem wichtigen Treffen muss. Ich schlage vor, dass ich dich jetzt nach Hause begleite. Aber erst kannst du dir mal andere Klamotten anziehen."

Mit diesen Worten reichte er mir eine Hose, ein T-shirt und eine Lederjacke.

,,Die sind von der Freundin, die auch hier wohnt. Sie hat bestimmt nichts dagegen. Du kannst nach draußen gehen, wenn du fertig bist."

Er drehte sich um, verließ das Zimmer und schloss die Tür. Es war wieder vollkommen dunkel, aber das machte mir nichts aus. Dann blickte ich an mir hinunter.

Meine Klamotten sahen echt schlimm aus. Das Oberteil war zerrissen und genau, wie die Hose mit getrocknetem Blut vollgeschmiert. Meine Winterjacke hing über der Sofalehne und sah genau so aus wie die anderen Sachen. Ich nahm mir die Sachen und zog mich schnell um.

Da ich meine alten Klamotten nicht mehr brauchte, ließ ich sie einfach liegen und ging aus dem Zimmer. Jetzt stand ich in einem Flur, in dem noch drei andere Türen waren. Die Wände waren weiß und die Türen schwarz. Ich ging nach links und kam bei der Haustür an, die ich öffnete und ins Freie ging.

Cayden stand schon da. Mir fiel auf, dass mir gar nicht kalt war, obwohl ich vor ein paar Stunden noch in dicker Jacke gefroren hatte.

Ich schaute mich um. Das Haus stand im Wald und ich fragte mich, wieso man hier ein Haus baut. Cayden ging los und weil mir nichts anderes übrig blieb, folgte ich ihm. Auf dem ganzen Weg herrschte wieder Schweigen.

Nach zehn Minuten standen wir vor meiner Haustür.

,,Woher wusstest du eigentlich wo ich wohne?"

,,In deiner Jacke war ein Portemonnaie mit deinem Personalausweis."

,,Ehm. Und warst du das im Wald?"

,,Ja, aber das kannst du mich alles morgen fragen. Ich muss jetzt los. Ich komme einfach abends bei dir vorbei, wenn deine Eltern nichts merken. Du brauchst ja jetzt nicht mehr so viel Schlaf, wie vorher."

So verabschiedete er sich und verschwand wieder in den Wald, auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Ich war immer noch total verwirrt und kramte meinen Schlüssel aus der Hosentasche hervor, den ich aus meiner Jackentasche genommen hatte. Leise schloss ich auf, betrat das Haus und ging geradewegs auf mein Zimmer zu, in dem ich schnell in meinen Schlafanzug schlüpfte und mich unter meiner Bettdecke verkroch. Ich wollte nicht mehr über die Geschehnisse der letzten Stunden nachdenken und irgendwann schlief ich endlich ein.

frozen fireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt