Von Erlösung und Rettung

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„Aber Telling hat alles eingefädelt, er -"

„Telling ist ein Gespenst. Telling ist mein Sprachrohr. Er ist das Geld, das ich brauche. Er ist die Macht, die für mich arbeitet. Er ist ein nützliches Werkzeug, nicht mehr!"

„Lassen Sie ihn das ja nicht hören."

Wieder lächelte der falsche Inquisitor, wieder hinter ihrem Rücken. Geistesabwesend tätschelte er Ylaines Kopf. „Verbreitet die Nachricht überall. Unsere kleine Gauklerin wird morgen hingerichtet, öffentlich vor den Augen der Wallstadt."

Leere, sie musste dagegen ankämpfen. Mühsam brachte sie Worte hervor. „Was Besseres fällt Ihnen nicht ein? Der Trick ist schon bei Robin Hood danebengegangen."

„Ich weiß nicht, was du meinst mein Kind." Mit einer herrischen Geste befahl er den Anwesenden den Raum zu verlassen. „Ich werde dir die Beichte abnehmen."

„Und dann?"

„Damit schenke ich dir den Einzug ins Paradies."

„Sie glauben gar nicht an Gott, wie können Sie dann so großzügig Eintrittskarten in sein Reich verteilen?"

„Du bist gläubig?" Er wirkte leicht erstaunt. Sie schwieg.

„Es wird mein Paradies sein und ich entscheide, wen ich hineinlasse", erklärte er. „Also beichte mir und ich vergebe dir."

„Tss, ich hab schon Leute erlebt, die von ihrer eigenen Party ausgeladen wurden." Die Ohrfeige hallte an den Steinmauern wider und hüpfte als Echo davon. Der Inquisitor erhob sich von den Knien und umklammerte bleich sein Kreuz. Wie eine geknickte Fledermaus rauschte er hinaus. Im Vorbeigehen löschte er die Lichter und riegelte die Tür von außen ab.

Wieder einmal senkte sich Dunkelheit auf Ylaine. Sie legte den Kopf in den Nacken. Wenn sie doch nur an Wunder glauben könnte. Die kühle Luft biss in die Haut, wo Tränen sie benetzten. Vielleicht würden sie die Binden aufweichen. Und womöglich fand sie einen Geheimgang nach draußen. Eventuell gab es noch Hoffnung. Vorsichtig hob sie die Beine an. Die Schmerzen beförderten sie beinahe über die Grenze des Bewusstseins hinaus. Der Rand des Sarkophags drückte das Blut in den Kniekehlen ab. „Gib mir einen Hebel, der groß genug ist", presste sie hervor, während sie versuchte sich nur mit den gefesselten Beinen herauszuheben, vergeblich. Behutsam hievte sie sich zurück. Es musste anders funktionieren.

Zeit verging. Ylaine lag immer noch zur Untätigkeit verdammt im Sarg, als ein Geräusch zu ihr drang. Gedämpfte Schritte näherten sich kaum hörbar, allerdings nicht von der Türseite. Stein kratzte über Stein und an der Wand vor ihr schimmerte Licht durch einen schmalen Spalt, der allmählich breiter wurde. Schließlich stand eine Silhouette im geheimen Durchgang. Der Kopf drehte sich, als fürchtete er Verfolger, dann flüsterte er leise. „Ylaine, bist du hier drin?"

„Ronen, Was ist mit den Trägern?"

„Dieser komische Priester hat sie erwischt. Ich wollte sie noch in ein Versteck ziehen, doch außer dem Beweisstück und mir wurden alle gefangen."

„Hast du die Wachen alarmiert?", fragte Ylaine, während ihr Befreier sie aus den Mullbinden schälte.

Ronens Gesicht nahm einen Ausdruck peinlich berührter Sorge an, als er ihr erklärte, dass sie alle in der Wallstadt eingesperrt worden waren, zusammen mit den Richtern. „Sie haben die Neueinsetzungen gefeiert. Alle wichtigen Leute waren dort, ein äußerst ungünstiger Zeitpunkt für uns, umso praktischer für die Morderzähler."

Ylaine stand vorsichtig auf, versuchte ihre steifen Glieder zu lockern und zuckte kurz zusammen, als sie das Bein zu arg belastete. Der Sohn der Sekretärin musterte ihre Gehübungen skeptisch. „Wenn das so ist, musst du schnellstmöglich deiner Mutter Bescheid geben", schlug sie vor. Doch wieder spiegelte Ronens Nasenspitze die Probleme, die er wälzte.

„Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob nicht auch zwischen ihr und Telling eine Verbindung besteht", druckste er. Die Worte purzelten ein wenig zu hastig hervor, als trachteten sie danach, über die verborgenen Tiefen hinwegzuspülen. Doch es blieb keine Zeit. Schon hörten sie wieder Schritte, die sich der offiziellen Tür näherten. Mit einer bestimmenden Geste deutete Ronen auf seinen Rücken und nahm Ylaine zum zweiten Mal während ihres unseligen Abenteuers Huckepack. Sie musste auf ihren Kopf achten, so niedrig war der Durchgang. Grinsend malte sie sich Nigels breite Schultern aus. Er würde auf allen Vieren noch stecken bleiben.

Völlig orientierungslos erblickte sie letztendlich das Holz einer Falltür über sich. „Drück sie hoch", wies Ronen an und stöhnte, als zusätzliches Gewicht seine Schultern malträtierte. Krachend knallte das Brett zurück in den Riegel. „Autsch! Verflucht!" Während sich Ylaine noch den schmerzenden Kopf rieb, öffnete sich die Pforte wie von Geisterhand. Nigels kräftige Hände umklammerten sie und zogen sie in einen kleinen, verstaubten Keller. Ronen arbeitete sich ebenfalls hinauf und blieb keuchend liegen. Sofort sprangen die beiden Hunde um sie herum. Henrikes Stimme erklang, die ihre Begleiter zur Ordnung rief. Renoir stand in einer Ecke. Seine schlanke aber kräftige Gestalt wirkte ausgezehrt, zusammengekauert und erdrückt. Der Bockfüßige stand schweigend hinter Tashars Frau...

Tashar fehlte.

Fragend wandte sie sich an Fausten, die traurig den Kopf schüttelte. Mephistos Hände hielten die bebenden Schultern fest und drückten den silbernen Haarschopf an seine Brust. Allesamt verharrten sie stumm im Halbdunkel, während sie der Außenwelt lauschten, die gedämpft in die Kellerräume sickerten. Empörte Menschenstimmen keiften gegen andere an, die militärische Befehle bellten. Ein Knall ertönte, dann verstummten die Aufgewiegelten. „Die Richter sind in der Wallhalle eingeschlossen", raunte Renoir nach einer Weile. Sein ausgemergeltes Gesicht wurde von einem Display beleuchtet. „Wo zum Geier hast du ein Handy her?", rutschte es Ylaine heraus. Als ob die Geste alles erklären würde, schwenkte er seinen Atomfederring. „Sie müssen über jeden Schritt unterrichtet worden sein", fuhr er fort. Ein bitterer Ton mischte sich in seine Stimme, seine Augen blitzten finster zu Ronen hinüber, der auf einer Kiste hockte.

Ein Stockwerk über ihnen wurde die Eingangstür aufgerissen. Mit dem Straßenlärm kamen Personen herein. In den Händen der Versteckten blitzten Klingen. Auch Ylaine zog ihr Messer und lächelte über den Gedanken, dass sie allein damit die epianischen Gesetze mit Füßen traten. Stumm harrten sie in ihren Verstecken aus, während sich unbekannte Schritte näherten. Etwas in der zugegeben unmelodischen Melodie der Wallstraße draußen veränderte sich. Licht drang durch einen sich langsam auftuenden Spalt. Schwarze Schemen ergossen sich in den Keller. „Die Wong lassen grüßen", zischelte jemand, „die Wassergeister brachten ihnen Botschaft von euren Verwicklungen. Ab jetzt steht ihr unter dem Schutz des Pa-Ten."

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