Die merkwürdige Geschichte einer Zeugung

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Doch alleine bleibe ich nicht lange.

In meine Grübelei versunken fahre ich in der nächsten Sekunde erschrocken zusammen, als wer an meine Zimmertür klopft und sich vorsichtig hineinschiebt. Bevor ich den Besucher in Augenschein nehme, schließe ich die Augen und atme den Schmerz weg.

„Darf ich hereinkommen?"

„Sie sind ja schon drin."

Renoir merkt, dass ich seinen Blick meide. „Sie sind mein Vater. Sie haben Ihr Gelübde gebrochen und Sie hielten es nicht einmal für nötig mich aus diesem - ."

Mein Gehirn tastet nach einem Wort, stark genug für all das, was mir geraubt wurde, all das was ich durch ihn verloren habe. Aber kann man verlieren, was man gar nicht hat? Man kann! So etwas nennt man Vorenthaltung.

„ - Knast zu befreien", bringe ich letztendlich hervor. Aus den Augenwinkeln beobachte ich das schwermütige Lächeln. Er steht immer noch in der Tür und trommelt mit seinen Fingern auf den Rahmen.

„Setzen Sie sich halt. Aber hören Sie mit dem Getrommel auf." Gemächlich bewegt er sich auf einen unbequem wirkenden Stuhl zu, faltet sich elegant hinein, zuckt kurz zusammen und hat immer noch keinen Ton zu seiner Verteidigung hervorgebracht. „Ich hoffe, Sie haben Zeit. Die Geschichte dauert ein wenig", erklärt er, schüttet sich dabei ungefragt ein Glas Wasser ein. In letzter Sekunde bemerke ich, dass er leicht zittert. Das Angebot ist zu verlockend, als dass ich es ausschlagen würde. Neugier schickt Wut mit dem galanten Schwinger einer mentalen Kristallflasche ins Traumreich. „Erzählen Sie!", fordere ich.

Das Ganze fing an, kurz nachdem ich mein Studium der medizinischen Wissenschaft beendet hatte und in das Kloster zurückkehrte, in dem Ihr Ziehvater Simon und ich lebten. Ich ergatterte ein Ticket für die Überfahrt auf einem Linienschiff, das vor allem für jene Reisenden bestimmt war, die geschäftlich zwischen Festland und Epien pendelten oder Familien und Freunde besuchten.

Ich hatte mir gerade mein Mittagessen im Bordrestaurant geholt und setzte mich an den Tisch, an dem Ihre Mutter saß. Sie war eine geistreiche Frau, allerdings mit einem äußerst derben Sinn für Humor. Mit einem Blick auf meine Mönchskutte, fragte sie mich, ob ich vorm „Schrankdienst" geflüchtet sei. Die Mithörer kicherten, grinsten oder prusteten.

„Finden Sie diesen Witz nicht ein wenig geschmacklos?", fragte ich gelangweilt, „Ich unterstelle Ihnen einfach Mal fehlendes Feingefühl. Ansonsten müsste ich annehmen, Sie seien homophob. Außerdem stelle ich ja aufgrund Ihres zugegeben hübschen Holzfällerhemds auch nicht direkt die These auf, Sie seien lesbisch. Das hieße ja, ich würde verallgemeinernd behaupten, dass alle Lesben Holzfällerhemden tragen und Sie deshalb auch homosexuell sein müssten. Ich nehme Ihnen auch nicht krumm, dass Sie mit diesem Witz, auf den Sie anspielen, mich als Gottesmann erkannt haben und sofort davon ausgehen, dass ich meine angestaute Lust an meinen Ordensmitgliedern auslasse. Nebenbei bemerkt gilt meine Liebe Gott und meine Lust der Heilkunde.

Wie gesagt, das ist nicht das Ärgerliche. Mich nervt es lediglich tausend Mal den gleichen Witz erzählt zu bekommen und dann wird auch noch erwartet, dass ich mich darüber aufrege. Wenn Sie also keinen Witz zu erzählen haben, der mir neu ist, bitte ich Sie entweder still zu sein oder zu gehen, da Sie mit dem Essen offensichtlich schon fertig sind. Ich hoffe übrigens, es hat geschmeckt."

Ihre Mutter sah mich ähnlich verdutzt an, wie Sie es gerade tun. Dann grinste Sie und deutete auf den Donut, den ich zu meinem Nachtisch auserkoren hatte. „Es gibt offenbar verschiedene Wege, die Enthaltsamkeit zu kompensieren." Das war tatsächlich originell. Wie gesagt, die Dame verfügte über Witz, der gerne unter die Gürtellinie zielte. „Interessanterweise sehe ich auf Ihrem Teller Reste von gefüllter Zucchini. War die Größe etwa unbefriedigend?", konterte ich und reichte ihr mit süffisantem Lächeln die Hand. „Renoir, zu Ihren Diensten Madame." Sie erwiderte den Gruß: „Emmy, angenehm. Aber ich nehme lieber die Dienste von Frauen in Anspruch. Ihr Karohemdklischee trifft ausnahmsweise einmal ins Schwarze, guter Mann."


Meine Mutter lesbisch? Ich habe von Homosexualität gehört, nichts Gutes freilich. War es doch Meister Simon, der mir vorzugsweise ausführlich von den Sünden berichtete, die ein Mensch begehen konnte. Außerehelicher Beischlaf und gleichgeschlechtliche Liebe standen ganz weit oben auf seiner persönlichen Hitliste. Renoir hält in seiner Erzählung inne, erwartet wohl einen entsetzten Aufschrei. „Nun, da bin ich gespannt, wie ich zustande komme", murmle ich lediglich ein wenig ratlos. Er lächelt traurig und fährt fort.

Wir trafen uns am nächsten Tag zum Frühstück. Ich fragte, ob sie aus Epien komme oder was sie sonst auf die Insel führte. Sie kramte in ihrer Handtasche und zeigte mir ein Foto. Die eine Person, die der zweiten einen Kuss auf die Wange drückte, war Emmy. Die andere war etwas kleiner und ich staunte nicht schlecht, als ich sie als ältere Version von Roonka erkannte, die früher von ihren Eltern zum Gottesdienst in unser Kloster geschleift wurde und sich kurz darauf selbst zur Menschenprinzessin der Kobolde ernannte. Sie kam unregelmäßig zur Beichte, eigentlich nur, um mit mir zu plaudern. Emmy lachte herzhaft, als ich ihr davon erzählte.

„Zufälle gibt es. Man meint Ihr Gott hätte seine Finger im Spiel. Dann wäre ich ihm dankbar, wenn er noch was anderes reinbrächte, wie bei der Jungfrau Maria, wenn Sie wissen was ich meine." Sie tauchte vor Lachen beinahe mit der Nase in den Kaffee.


Das war die erste Andeutung, die sie mir gegenüber fallen ließ. Die Fähre ankerte bald im Hafen der Stadt na Cess an der Ostküste von Runa'a Lo. Wir reisten mit der Kutsche weiter. Wenige Kilometer vor dem Kloster empfing Roonka ihre Freundin, grüßte mich ebenfalls herzlich und verschwand mit ihr im Wald. Ich selbst fuhr weiter und meldete mich beim Abt zurück. Er nahm mir umgehend die Beichte ab, falls ich außerhalb der schützenden Mauern auf sündige Gedanken gekommen wäre, aber bis auf eine durchsoffene Nacht nach bestandener Abschlussprüfung hatte ich keine nennenswerten Schandtaten vorzuweisen.

 Er nahm mir umgehend die Beichte ab, falls ich außerhalb der schützenden Mauern auf sündige Gedanken gekommen wäre, aber bis auf eine durchsoffene Nacht nach bestandener Abschlussprüfung hatte ich keine nennenswerten Schandtaten vorzuweisen

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Mit Gruß an MKFluechtig: Die Elektronen-Feder :D

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