Als ich aufwachte, ging ich erstmal auf den Spiegel zu, der sich in meinem Zimmer befand. Iin dieser Nacht hatte ich wenig geschlafen und spätestens als ich in mich darin sah, wurde mir das bewusst.
Unter meinen Augen hatten sich tiefe Augenringe gebildet. Ich sah aus wie ein Zombie! Noch viel zu verschlafen, um die Situation richtig ernst zu nehmen ging ich wieder zurück und warf mich erneut aufs Bett. Ich wagte einen kurzen Blick auf die Uhr und schreckte auf. Es war schon 10 vor 12?!? Mir wurde wieder bewusst, wie schnell die Zeit eigentlich vergehen konnte. Ich reckte und streckte mich erstmal und setzte mich auf die Bettkante. Ich startete noch einen Versuch endlich aus dem Bett zu kommen.
Ich richtete mich auf und stellte fest, dass keine Spur von dem schon alltäglich gewordenem Schmerz vorhanden war. Ich ging Richtung Eimer um mich zu waschen und frisch zu machen. Es würde ein anstrengender Tag werden, dessen war ich mir sicher. Nachdem ich mich für den Tag startklar gemacht hatte, wagte ich einen kurzen Blick aus dem Fenster. Erst jetzt wurde mir das wunderschöne Wetter bewusst. Es schien die Sonne und keine einzige Wolke war am Himmel zu entdecken. Ich dachte mir, es sei ein wunderschöner Tag zum sich etwas zu sonnen. Diesen Gedanken schlug ich mir jedoch sofort wieder aus dem Kopf. Mit nichtvorhandenem Bikini (...da müsste ich mich wohl mit Unterwäsche begnügen) mitten in einem freien Platz, wo ca. 50 Männer herumlungerten? Auf keinen Fall! Ich glaube ich lasse mich einfach überraschen, was der Tag mit sich bringen würde.
Ich ging Richtung Tür und wagte den ersten Schritt nach draußen. Sofort wurde ich von der Sonne freundlich empfangen. Ich rieb mir nochmals die Augen, denn ich war an das grelle Licht der Sonne noch nicht gewöhnt.
Ich ging einige Schritte vor die Tür und sofort bekam ich Gesellschaft. Anscheinen hatte Saladrin Ernst gemacht, als er sagte, sie würden mich noch einige Tage hier behalten. Ein kleiner Mann stand vor mir. Er war nicht klein, jedoch kleiner als alle anderen denen ich bis jetzt begegnet war. Er hatte volle, braune Augen und hellbraunes, fast schon blondes Haar. Er sah mich mit einem Blick an, der bestimmt jedes Mädchen zum Schmelzen gebracht hätte, jedoch bestimmt nicht mich. Er war, wie die meisten Männer hier, verdammt gutaussehend und begutachtete mich mit einem äußerst amüsanten Blick. Er hatte ein Schmunzeln im Gesicht, das mich für gewöhnlich zum Lächeln bewegte, jedoch heute eine Ausnahme machte.
Er musterte mich von Kopf bis Fuß und dann glitt sein Blick wieder nach oben. Er kam jedoch nicht all zu weit denn, bevor er mein Gesicht erreichte, verweilte sein Blick etwas darunter. Was für eine Frechheit! Und dann auch noch so auffällig! Er machte keinerlei Anzeichen seinen Blick von meinem weiten Ausschnitt abzuwenden. Stattdessen steckte er seine Hand aus und man könnte denken er würde sich gleich an mir vergreifen... doch nicht wenn ich das verhindern konnte!
Mit einer Bewegung schlug ich seine Hand weg, welche nicht mehr weit von mir entfernt gewesen war. Ich blickte wütend in sein Gesicht und musste mich zusammenreißen, um ihm nicht gleich eine runter zu hauen. Sein Blick war völlig überrascht, als ob er nicht wüsste was gerade passiert war. Ich wandte meinen feindseligen Blick ab und drehte mich um, um ihn nicht mehr in die Augen sehen zu müssen und mich stattdessen etwas anderem zuzuwenden. Was war nur mit den Menschen hier los?!? So wie sie sich verhielten, hatten sie anscheinend wahrhaftig noch nie eine Frau zu Gesicht bekommen.
Noch bevor ich einen Schritt nach vor machen konnte, griff er nach meinen Arm und drehte mich wieder zu sich um. Er hatte seinen Blick noch immer auf diesen einen Punkt gerichtet und ich spürte wie mir mit der Zeit der Geduldsfaden riss. Mir glitt die Hand aus meiner Hosentasche und erwischte ihn voll auf seiner Wange. Es hörte sich schmerzhaft an... Ich hatte wirklich etwas fest zugeschlagen, immerhin brannte meine Handfläche wie verrückt. Ich hatte ihm wirklich eine runter gehauen! Ich konnte mich heute wirklich nicht gut beherrschen... Für Gewöhnlich war ich doch nicht so aggressiv?!? Doch bereute ich absolut gar nichts. Eher kochte ich halb vor Wut. Dieses kleine Dörfchen konnte mich mal! Was wollen die von mir? Ich will endlich mal Antworten, realistische Antworten!
Ich sah ihn an. Ich guckte bitterböse, er hingegen immer noch mit einem verwirrten Blick. Einen kurzen Augenblick später drehte ich mich erneut um und wollte gehen doch anscheinend hatte er noch nicht genug, packte mich wieder am Arm und drehte mich zu sich um. Ich holte währenddessen schon mal Schwung und wollte ihm erneut eine runter hauen. Doch der Klatscher auf der Wange blieb aus.
Er hatte eine gute Reaktion und wich geschickt aus. Nun kam ich doch endlich zu Wort. "Was willst du?" ,fuhr ich ihn, mit wütender, schon fast schreiender Stimme, an. Er traute sich nicht nochmal seine Hand auszustrecken und dieses Mal deutete er mit einer Kopfbewegung Richtung meiner Brust. Wut stieg in mir auf. Doch dann fand er plötzlich auch seine Stimme wieder und stotterte vor sich hin: "Da, das... was ist das? ... Von... von wo hast du das?" Ich war völlig verwirrt. Fragte er mich ernsthaft gerade, wie ich meine Brüste bekommen hatte? Ich war völlig neben der Spur. Um nicht völlig auszurasten, stieß ich nur ein genervtes, aggressives "Häää?" aus. Er begann erneut: "Ja... diese, diese Kette..." Jetzt wusste ich endlich auf was er hinaus wollte... Der Arme Kerl, ich hatte ihm weh getan, nur weil er meine Kette hübsch fand... Ich wusste nicht was ich sagen sollte, deswegen beschränkte ich mich auf ein kurz und bündiges "oh...".
Was sollte ich tun? Sollte ich mich überwinden und mich entschuldigen? Nein, ich hatte es noch nie so mit Wiedergutmachungen und traf immer wieder mal die falschen Worte. Ich fügte noch hinzu: "Ich hab sie von meiner Großmutter als letztes Geschenk bekommen. Ich hab sie noch nie abgelegt, sie bedeutet mir sehr viel." Dies entsprach sogar der Wahrheit. Er nickte kurz und war völlig perplex. Hatte ich ihn mit meiner Attacke wirklich so geschockt?
Plötzlich kam Marco zu uns gelaufen. Er sah uns völlig verwirrt an. "Was ist denn hier passiert?", fragte er und fuchtelte mit der Hand vor dem Gesicht des anderen Mannes herum. Ich wusste es auch nicht so genau, doch da er, meiner Meinung nach, nicht im Stande war, auch nur irgendetwas zu sagen, musste ich mich wohl oder übel äußern. "Ich weiß nicht... Mir ist die Hand entglitten und ich hab ihn voll eine runter gehauen. Seitdem gibt er keine Lebenszeichen mehr von sich... Hab ich ihm etwa weh getan?" stotterte ich dahin. Nach diesen Sätzen hätte ich mich erwürgen können, nachdem ich mir diese Wörter nochmal durch den Kopf gehen ließ. Was redete ich denn da?!?
Anscheinend war ich jedoch nicht die einzige, die etwas zu sagen hatte. Der Mann begann noch einmal und fing an zu stottern: "Diese... diese Kette! Sie ist es!" Als er den zweiten Satz erwähnte, verschwand sein verwirrter Blick. Seine Augen wurden größer und er schien sich gewaltig zu freuen. Marco richtete nun seinen Blick auf mich. Er sah bei Weitem nicht so verschreckt aus. Stattdessen konnte man tiefe Trauer, Schmerz und Verlangen in seinen Augen finden. Er tat mir leid, ihm musste etwas schreckliches widerfahren sein, das konnte ich spüren. Einen kurzen Augenblick blitzten totale Wut und Entschlossenheit aus seinen Augen, die, wenn man nicht so darauf Acht gab, man vermutlich gar nicht bemerken würde, da sich sein schmerzlicher Blick sofort wieder auf seinem Gesicht breit gemacht hatte.
Er wandte seinen Blick kurz von mir ab, richtete ihn auf den anderen Mann, welcher jedoch bald wieder zurück zu mir glitt. Dann nickte er und entfernte sich langsam von uns. Warum reagierte der Mann so überrascht? Es war doch nur eine Kette, ein Familienerbstück... Mein Blick ruhte bis jetzt immer noch auf Marco, der soeben hinter einer Hausmauer verschwand.
Ich wagte nochmal einen kurzen Blick auf den anderen Mann, und stellte fest, dass sich sein Blick mittlerweile normalisiert hatte. Er sah mich neugierig an, und diesmal in meinen Augen schauend. Ich wartete, ob er vielleicht noch etwas zu sagen hatte. Als ich es schon fast aufgegeben hatte, meldete er sich zu Wort: "Du bist Amerelia." Doch dies war keine Feststellung, sondern wurde eher als Frage formuliert. "Nein, mein Name ist Amelia." Warum um Gottes willen wusste er den Namen meiner Großmutter?!? "Woher... von wo... du kennst den Namen meiner Großmutter?!?" stotterte ich vor mich hin. Er sagte nichts, sondern nickte nur. Sein Blick wurde ernst und er senkte den Kopf, als würde er sich stark auf etwas konzentrieren. Er schüttelte kurz, kaum sichtbar, den Kopf und wandte sich dann von mir ab und ging in die entgegengesetzte Richtung von mir.
Was hatten die Leute hier bloß und weshalb hielten sich alle mit denen ich sprach von mir fern? Jeder hier beobachtete mich, doch sobald ich meinen Blick ihnen zuwandte, drehten sie sich blitzschnell um. Plötzlich wusste ich was los war! Ich rannte in mein Haus, sah mich kurz um und hastete zu meinen Spiegel. Ich verweilte dort sicherlich einige Minuten, doch konnte nichts abschreckendes in meinem Gesicht erkennen, das nicht so und so dort gewesen wäre.
Da sich nun alle gegen mich verschworen hatten, musste ich wohl oder übel alleine klar kommen. Als hätte ich mein halbes Leben etwas anderes getan...
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Die Feneseijs
Teen Fiction17 Jahre und noch immer ungeküsst... Amelia, ein wunderhübsches Mädchen, und doch so von der Sozialenwelt ausgeschlossen. Mit einer tragischen Familiengeschichte beginnt sie ein neues Leben, hat jedoch keine Ahnung was auf sie zukommen würde. Bestim...