Nach der unangenehmen Begegnung gestern Nacht bin ich schnell wieder in mein Zimmer geflüchtet und wach dagelegen, versucht, mir diesen Jungen aus dem Kopf zu schlagen. Irgendetwas an ihm lässt mich nicht los und ich weiß nicht was. Doch bevor ich mich weiter darüber kümmern muss, sollte ich den anderen zuerst kennenlernen. Immerhin muss ich in einer halben Stunde am Frühstück unten sein. Meine brünetten Haare kämme ich nur, ich bin zu faul für etwas anderes. Außerdem hat es mir nie jemand beigebracht, ich habe immer meine Zofen gehabt, die alles an mir perfekt gemacht haben. Dafür habe ich hier eine fantastische Auswahl an Kleidern, die nicht zu aufdringlich sind. Um dennoch einen schönen Eindruck zu hinterlassen, ziehe ich ein blassrosafarbenes Kleid heraus, welches oben eng anliegt und ab der Taille locker hinunterfällt. Obwohl ich eigentlich auch recht blass bin, lässt die Farbe mich nicht krank wirken, sondern bringt das blasse fast noch mehr zur Geltung, aber in einer schönen Art. In meinem Gesicht fahre ich nur leicht meine Konturen nach und tusche meine Wimpern mit einem Zauber, einen leichten pinken Ton lege ich auf meine Augenlider, um meine himmelblauen Augen zu betonen. Und nun gibt es kein zurück mehr, ich muss nach unten. Vor meiner Tür erschrecke ich mich, da ein Ratsmitglied dort steht, mich anlächelt. Ein Horrormoment, an den Anblick muss ich mich erst gewöhnen. Ich hake mich leicht seufzend bei ihm unter, dann laufen wir quer durch das ganze Schloss. Zugegeben, ich würde den Weg niemals allein finden. „Sind Sie nervös, Prinzessin Elena?", fragt er mich mit einem Lächeln, welches ehrlich erscheint. Ich vertraue ihm auf komische Art und Weise. Von allen Mitgliedern wirkt er am menschlichsten, vielleicht tanzt er wie ich ein wenig aus der Reihe. „Ein wenig", gebe ich deswegen offen zu, obwohl eine Prinzessin niemals ihre Schwäche verraten sollte. Doch es ist niemand hier, der mich rügen könnte. Vor der Tür bleiben wir stehen, dann wird sie von innen geöffnet, als hätten die Wächter gewusst, das wir kommen - wahrscheinlich haben sie das auch.
Ich trete ein, das Mitglied, welches mich hergeführt hat, lässt mich alleine eintreten. Wir sind nur zu dritt in diesem Raum, zusammen mit den Wächtern, die sich vor den Türen aufgestellt haben. „Guten Morgen", gebe ich in die Runde, setze mich auf den vorgegebenen Platz. „Haben Sie eine angenehme Reise gehabt?", spricht ein blonder Mann und ich muss zugeben, ich bin so gefesselt von Lucifers Anblick gewesen, dass ich den Mann erst jetzt bemerke. Das muss wohl Gabriel sein, mit seinen hellblauen Augen und den blonden Haaren. „Lassen wir das Siezen. Ich bin Elena", gebe ich etwas mürrisch von mir. Immerhin muss ich einen dieser Männer heiraten, ich will meinen zukünftigen Mann doch nicht siezen! „Ich bin Lucifer", grinst der Dunkelhaarige, beißt in seinen Toast. „Mein Name ist Gabriel", lächelt der Blonde mir zu. Er ist ziemlich süß, wie ich zugeben muss. Meine Mutter würde ihn wahrscheinlich perfekt finden. Mein Vater würde sicher Lucifer bevorzugen, doch ich habe noch keine Ahnung, welcher besser für mich ist.
Nach dem Frühstück führt man mich und Gabriel in einen extra Raum, wo wir uns kennenlernen sollten. Es ist ein leeres Zimmer, nur eine Couch steht darin, wohl, dass wir uns nicht ablenken lassen. „Erzähl von deiner Familie", fordere ich ihn auf, kann nicht anders, als in seine Augen zu starren. So blaue Augen habe ich noch nie gesehen, auch wenn meine eigenen Augen sehr blau strahlen. Wahrlich würden wir, allein aufgrund unserer Augenfarbe, ein schönes Paar abgeben. Seine Aura ist, im Gegensatz zu Lucifers, unschuldig und riecht unglaublich süß. Als Erdhexe kann ich Auren spüren und deuten. Manchmal wünschte ich, ich könnte es nicht, denn es kann sehr unangenehm werden. „Ich habe noch eine kleine Schwester, Pallisander. Sie ist erst dreizehn Jahre alt, ich bin zehn Jahre älter wie sie. Du?" Ich denke an Lyriam, der jetzt wohl darauf vorbereitet wird, meinen Platz einzunehmen und antworte: „Einen Zwillingsbruder, Lyriam. Er ist, wer hätte das gedacht, wie ich neunzehn Jahre." Letzteres habe ich mit ein wenig Spott gesagt und weiß nicht, aus welcher Ecke der kommt. Normalerweise bin ich immer freundlich, doch es könnte daran liegen, dass ich hier nicht ständig von meinen Eltern beobachtet werde. Doch der Gedanke an Lyriam schmerzt. Jetzt wird er von Raphael mit langweiligen Theorien gequält, er muss seine Träume aufgeben. Dafür habe ich das nur wegen ihm durchgezogen. Wegen ihm bin ich geblieben, als ich wollte abhauen. Es hat nichts gebracht, er muss jetzt dasselbe durchmachen, wie ich es musste. „Bist du noch hier?", Gabriels Hand schwenkt vor meinem Gesicht herum und ich schrecke hoch. „Jaja, nicht wirklich", lache ich ein wenig verlegen. Ich möchte irgendwie nicht zugeben, dass es mir schwerfällt. Denn einer Prinzessin fällt nichts schwer. Rein gar nichts. „Vermisst du Elysia?", fragt er mich, mit einem verständnisvollen Lächeln. „Ja, es ist mein Zuhause gewesen", sage ich und möchte mich in der nächsten Sekunde schlagen. Wieso lüge ich? Ich kann Gabriel doch vertrauen, nicht? Sollte ich ihm nicht die Wahrheit sagen? Dass Elysia nur der Platz gewesen ist, an dem ich leben gemusst habe? Dass mein eigentliches Zuhause das Schlachtfeld und mein Bruder ist?
Ab dem Punkt kann ich mich kaum mehr auf dieses Gespräch konzentrieren, drifte immer wieder ab, auch wenn ich wirklich versuche, seinen Worten zu lauschen. Es geht einfach nicht. Nach dieser quälenden Stunde darf ich mich selbst beschäftigen, weshalb ich in mein Zimmer gehe, mich aufs Bett werfe und in der nächsten Sekunde aufspringe, weil es an der Balkontür klopft. „Was willst du hier?", fauche ich. „Immer so geladen, Prinzessin?", grinst Lucifer. Ich weiß nicht einmal wieso, aber er macht mich gerade ziemlich wütend. Am liebsten würde ich ihm dieses Grinsen aus dem Gesicht schlagen. „Nein, eigentlich nicht! Deine Aura greift nur auf mich über!", zische ich, trete ebenfalls auf den Balkon. Man kann von hier aus gut auf das Dach klettert, was auch erklärt, wie er hierhergekommen ist. „Meine Aura?", jetzt sieht er verdattert aus, doch ich drücke meine Augen nur eng zusammen: „Ja, Aura, Lucifer! Als Hexe kann ich das zufälligerweise sehen! Und deine Aura ist ziemlich mysteriös!" Ja, mysteriös. Er ist verdammt noch einmal mysteriös und das zieht mich an, obwohl ich es nicht will. „Dann solltest du den Engel wählen, wenn du nicht damit klarkommst", inzwischen wirkt er ernst, fast gehässig. Aber kein Wunder, die beiden scheinen ernsthafte Konkurrenten zu sein und sich zu hassen. „Wer sagt, dass ich damit nicht klarkomme?", frage ich und möchte mich schlagen, weil meine Stimme auf einmal so heiser klingt. Er zieht nur mit einem Grinsen seine Augenbraue hoch, springt dann auf das Dach und verschwindet, während ich ihm hinterherstarre und theatralisch seufze. Warum hat er eine so große Wirkung auf mich?
Ein kleiner Spaziergang im Garten lässt mich auf andere Gedanken bringen, ich genieße die verschiedenen Gerüche und Farben, bis ich eine Aura in meiner Nähe spüre. Ruckartig drehe ich mich um, starre in die blauen Augen von Gabriel. Am liebsten würde ich seufzen, doch ich kann es mir verkneifen. Kann ich nicht auch nur eine Stunde allein sein? Aber anscheinend nicht, denn Gabriel legt den Arm um mich: „Elena, wie geht es dir?" „Super, dir?", ich frage es beinahe spöttisch, doch er scheint es nicht zu merken. „Auch gut. Was machst du hier?" Er scheint wohl wirklich nicht locker zu lassen: „Weißt du, Hexen lieben die Natur. Es gab schon Fälle, wo Hexen verrückt geworden sind, weil sie eingesperrt worden sind. Da ich gestern lange gefahren bin, möchte ich das verhindern." Er lächelt verständnisvoll und wirklich fühle ich mich verstanden. Ich mag ihn. Und im nächsten Moment durchfährt mich ein Kribbeln und ich starre hinauf auf das Dach. Eine Gestalt steht auf dem Dach und starrt nach unten. Lucifer.
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Witches fight. || Abgeschlossen.
ФэнтезиEngel oder Teufel? Die Frage, die Elena sich jetzt stellen muss. Eine Entscheidung, die für die Hexe lächerlich erscheint, da sie doch eigentlich Königin von Elysia werden sollte, einem kleinen Königreich. Sie sollte doch nicht über Himmel und Hölle...