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Die restliche Kutschenfahr kann ich mich überhaupt nicht entspannen, steif wie ein Brett sitze ich da und starre hinaus, auf die Landschaft, die regelrecht an uns vorbeifliegt. Wenn ich als Prinzessin unmöglich glücklich sein konnte, wie soll ich es jemals schaffen, als Herrscherin glücklich zu sein? Ich habe es schon immer gehasst, im Mittelpunkt zu stehen, Reden halten zu müssen und ständig piekfeine Kleider zu tragen. Denn das bin ich nicht, das ist das Mädchen, welches ich spiele. Welches ich, meiner Meinung nach, perfekt gespielt habe. In einem halben Jahr hätte ich dem Volk meine Verlobung mit einem x-beliebigen Mann bekanntgegeben, wäre kurz darauf Königin geworden, hätte geheiratet und Kinder bekommen. Es klingt so simpel und ist bis vor kurzen so in der Nähe gewesen, jetzt ist es meilenweit hinter mir. Denn über Himmel oder Hölle zu herrschen ist ein ganz anderes Level, welches unmöglich erscheint. Für mich zumindest.

Auf einem kleinen Bauernhof richten wir eine Pause an und ich verabscheue mich dafür, dass ich mit dem himmelblauen Kleid auf diesem Bauernhof herumrennen muss, wo ich doch am liebsten, wie die Magd auch, ein zerrissenes Kleid mit Schürze tragen würde und meine Haare nicht gelockt und offen, sondern in einem lockeren Dutt nach hinten gebunden sind. Ich werde angeschaut, als wäre ich ein Alien, was ich in einer Art auch bin. Die Magd schaut mich beneidend an, während ich sie ebenfalls beneidend anschaue. Sie hat mein Traumleben, gefüllt mit anständigen Aufgaben, einem freien Leben, Tieren und harter Arbeit. Für sie mag es wunderschön klingen, in einem Palast zu leben, doch es ist die Hölle. Vielleicht sollte ich mich für die Hölle entscheiden, sollte sich ja anfühlen wie bei mir zuhause, denke ich grinsend, schlage den Gedanken aber gleich wieder weg, als mich die dunkeln Augen der Ratsmitglieder mustern. Sie können Teils Gedanken lesen, sind eine ganz eigene Sorte. Man hat es im Blut. Mit einem Lächeln zur Magd hinüber, um ihr zu zeigen, dass ich diesen Ort mag, lasse ich mich, umrandet von vier Mitgliedern, auf einem der Tischen nieder und warte darauf, dass man uns ein kleines Essen serviert. Die Magd und ein Knecht entschuldigen sich aufrichtig dafür, dass sie gerade nichts Besseres herrichten können, doch ich freue mich sehr, als ich die einfachen Brötchen sehe.

„Kommen Sie, Prinzessin Elena, wir müssen weiter", ermahnt mich eines der Mitglieder, nachdem ich wie ein kleines Mädchen durch die Stallgasse gehüpft bin. Die Magd, Anneliese, hat mir ein paar Tiere vorgestellt, die ich alle gestreichelt habe. Vor allem vor dem Pony bin ich angetan gewesen, da ich, seit ein kleines Mädchen bin, reite. Wenn auch schon immer auf großen Pferden, weshalb das zottelige Pony für mich ein wunderschönes Wesen ist. So natürlich und frech, wie ich es gerne wäre. Doch diese freche Art in mir, darf ich nicht zeigen, vor allem nicht, wenn andere Menschen in meiner Umgebung sind. Denn man erwartet von einer Prinzessin - egal was für ein Alter sie hat - dass sie sich ständig erwachsen verhält.

„Prinzessin, wachen Sie auf. Wir sind angekommen", durch eine Stimme, die wirklich aus einem Horrorfilm stammen könnte, wenn nicht mein ganzes Leben ein Horrorfilm gewesen wäre, werde ich geweckt und das erste, was ich bemerke ist, wie sehr mein Nacken schmerzt. Anscheinend bin ich in einer wohl sehr ungeschicklichen Position eingeschlafen, denn auch mein Rücken tut mir weh, doch ich lasse es mir nicht anmerken. Denn, Prinzessinnen müssen eben perfekt sein, egal zu welcher Zeit. An der frischen Luft nehme ich zuerst ein paar tiefe Atemzüge, genieße die frische Landluft, die tief in meine Lugen strömt. Mit geschlossenen Augen lausche ich der Natur, die mir die unterschiedlichsten Dinge zuflüstert. Zur Information: Es gibt verschiedene Arten von Hexen. Da gibt es die Kräuterhexe, welche sich vor allem mit der heilenden Wirkung der Natur beschäftigen. Die Wesenshexe, welche sich mit all den verschiedensten Formen der Lebewesen auskennt. Am häufigsten sind die gewöhnlichen Hexen, die normale Fähigkeiten wie Feuer machen und Dinge verzaubern haben. Ich gehöre der seltensten Gruppe an: den Erdhexen. Die Erdhexe ist ein klein wenig eine Mischung aus allen drei Gattungen, stellt somit eine vierte Gruppe dar, doch mit zusätzlichen Fähigkeiten: nur einer Erdhexe ist es gestattet, in die Natur einzugreifen, dem Schicksal zu entkommen. Doch ich habe diese Fähigkeit nicht wirklich ausgeprägt, da Raphael mich immer davon abgehalten hat. Erst jetzt öffne ich meine Augen wieder, schaue die Umgebung an. Ein wenig weiter von hier sind Klippen zu sehen, was mein Herz höherschlagen lässt. Schon immer haben mich diese Naturformungen interessiert, sie sind für mich ebenfalls ein Symbol der Freiheit. Weiter weg von den Klippen fängt ein dunkler Wald an. Die magische und gruselige Aura kann ich bis hier her spüren und weiß, dass ich mich dort fernhalten werde. Dort spuken sicherlich unheilvolle Wesen umher, so viel ist sicher. Und mitten in Feldern steht ein Gebäude, welches auf den ersten Blick ziemlich schäbig wirkt. Doch an sich ist es wunderschön, mit dem dunkelgrauen Backstein wirkt es lediglich ein wenig farblos. Ich kann eine Weide mit Pferden entdecken, was mich strahlen lässt. In solch einer Gegend sollten sich wunderschöne Ausritte machen lassen, vielleicht zählt dieser Punkt auch zur Hilfe meiner Entscheidung.

In der Eingangshalle werde ich bereits von vielen Männern erwartet, was etwas ungewohnt für mich ist. Denn in meinem ganzen Leben bin ich nie viel mit solchen in einem Gebäude gewesen, vielleicht bin ich jetzt sogar das einzige Mädchen mitunter hunderten Männern. Ein gruseliger Gedanke, wie ich finde. Ein, in Kapuze gehüllter Mann tritt nach vorne, mustert mich kurz: „Prinzessin Elena, Sie werden die Herrschaften erst morgen antreffen, bis dahin sollten Sie sich ausruhen." Wie Zuhause auch werden mir nur Befehle erteilt, doch eben aus diesem Grund habe ich kein Problem mehr, mich an diese zu halten.

Von einem noch relativ jungen Mitglied habe ich mich in mein Schlafgemach führen lassen, welches kleiner ist, als ich es gewohnt bin, doch es stört mich nicht. Ich könnte auch im Heu schlafen, doch das will niemand. Generell bin ich gerade so nervös, dass ich unmöglich schlafen kann. Mit rasendem Herzen schleiche ich mich nach Mitternacht noch aus meinem Zimmer heraus und erkunde das Schloss. Es gibt viel Spannendes hier, doch am schönsten ist der Aufgang aufs Dach. Dort breite ich meine Arme aus und genieße das Gefühl, als der Wind mir durch die Kleider und die Haare streicht. Es fühlt sich an, als könnte ich fliegen, so frei und unbeschwert. Unten kann ich den Schlossgarten mit den tausend verschiedenen Blumen erkennen, welcher friedlich vor sich hinschlummert. Ich bin ruhig, bis ich Schritte höre. Vielleicht sollte ich nicht so alarmiert sein, doch ich kann die Aura der Person spüren, die sich mir nähert. Ein unangenehmes Gefühl legt sich über mich, weshalb ich einen kleinen, spitzen Dolch aus dem Holster an meinem Oberschenkel hole, ganz ruhig. Ich halte mich im Schatten auf, bis dieser Typ direkt vor mir steht. Bevor er mir noch näherkommen kann, strecke ich meine Hand mit dem Dolch aus. Gut, vielleicht reagiere ich über, aber dieser Junge wirkt richtig gefährlich. Er hat mittellange dunkelbraune, fast schwarze Haare und dunkelrote Augen, die amüsiert funkeln. „Hallo", gibt er von sich. „Wer bist du?", fauche ich, versuche, nicht zu zeigen, dass meine Knie vor Angst gerade zittern. Danke, Vater, dass ich an Kontakt mit Männern gewohnt bin, denke ich verächtlich. „Wow, beruhig dich mal", grinst er, leicht spöttisch,: „Mein Name ist Lucifer und ich schätze einfach mal, du bist Elena?" Stumm nicke ich.

Witches fight. || Abgeschlossen.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt