23. Kapitel

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Schweigen machte sich breit. Ich hatte immer noch die Augen geschlossen und rührte mich nicht, aber Dooms Worte hallte in meinem Kopf nach wie ein hartnäckiges Echo.

Wenn man es sich vorstellte, war es schon irgendwie abwegig. Alles an dieser Geschichte.

Erstens, dass es sich anhörte, als lägen alle diese Ereignisse schon lange in der Vergangenheit, dabei war dies gar nicht der Fall. Noch heute konnte man die Spuren, die die Herrschaft der Drachen hinterlassen hatte, deutlich in der Welt und in den Gemütern der Pokemon sehen.

Zweitens, und das war das merkwürdigste daran, dass Espasa für genau die Pokemon arbeitete, die ihre Eltern getötet hatten. Und überhaupt, dass Samantha und diese Salazandora im Jungenalter zwei Helden wie Espoir und Soru getötet hatten und sich dazu entschieden hatten, die Tochter der beiden aufzuziehen und auszubilden.

"Weiß sie das?", fragte ich schließlich in die Stille hinein, "Weiß Espasa, dass sie für die arbeitet, die ihre Eltern getötet habe?"

Doom schnaubte auf. Es klang fast wie ein Lachen.

"Espasa kennt jedes Wort dieser Geschichte genau so gut wie ich", antwortete er. "Sie lebt jeden Tag mit der grausamen Gewissheit, dass die dank ihrer Anführer ein Vollwaise ist."

Langsam öffnete ich die Augen und sah das Hundemon an.

"Und sie tut nichts dagegen?", stieß ich fassungslos hervor, "Sie akzeptiert es einfach?"

"Akzeptieren würde ich es nicht nennen, nur...", er seufzte und schüttelte den Kopf, "Wenn das Licht deines Lebens erloschen ist, klammerst du dich an jeden Hoffnungsschimmer. Egal wie düster und trügerisch, wie verräterisch und verdorben dieser Schein auch sein mag...wenn du nichts anderes hast, ist er das einzige, an das du glauben kannst."

"Du meinst, Espasa kommt damit klar, weil sie nichts anderes hat?" Nun war ich es, der den Kopf schüttelte, "Das glaubst du doch wohl selbst nicht. Es gibt immer einen anderen Weg."

"Kaito, versuch sie zu verstehen", Doom warf mir einen beschwichtigenden Blick zu, "Sie hat nie etwas anderes als diese Höhle gekannt, die Welt außerhalb hat sie nur ein paar Mal gesehen, zuletzt, als sie dich entführt hat. Und dann hat sie die Landschaft auch nur bei Nacht gesehen. Als sie das letzte mal einen Sonnenstrahl erblickt hat, war sie ein paar Monate alt."

"Was?" Ich schnellte nach oben auf meine Pfoten, "Das kannst du mir nicht erzählen, Doom. Jedes Pokemon sieht die Sonne."

"Bedenke", Doom trat zu mir und sah mir tief in die Augen, "Das ich keinen Grund habe, dich anzulügen. Außerdem, Espasa hat in der Dunkelheit eine bessere Orientierung als du. Und du bist ein Unlicht-Pokemon. Sie braucht keine Beleuchtung. Sie kommt auch so klar. Und in ihrer Ahnenreihe wirst du kein Nachtara finden, egal, wie sehr du suchst."

Er trat von mir zurück und wandte sich ab, um das Feuer, dass seine Höhle erleuchtete, zu überprüfen.

"Wie auch immer, was ich eigentlich sagen wollte", fuhr er fort, "Egal, zu was ein Evoli wird, es behält immer ein paar Eigenschaften seiner Eltern."

Das war die erste Aussage seit langem, die ich bestätigen konnte. Meine Mutter war ein Flamara gewesen, mein Vater ein Aquana, und ich hatte noch heute eine ausgeprägte Vorliebe für Wärme und Wasser. Allgemein wurden Evolis sehr durch ihre Vorfahren beeinflusst, nicht zuletzt weil Eltern von Evoli ihren Jungen meistens Namen gaben, die ihre Zukunft vorherbestimmten. Espasa, Jolt, Glace, Vapo, Leaf und Flare waren solche Namen. Meine Eltern hatten mir aber bewusst den Namen Kaito gegeben, damit ich meine Zukunft selbst in der Hand haben konnte.

Angel of Darkness (Pokémon FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt