Frechheit

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Der Abend war eigentlich ganz lustig, wenn man mal davon absah, dass dieses Kleid mich umbrachte und der Busfahrer war immerhin netter als sein Fahrstil vermuten ließ. Man könnte fast sagen, ich mochte ihn. Aber eben nur fast. Er fand immer zur richtigen Zeit die richtigen Worte, um mich auf die Palme zu bringen.

"Eunmi, hilfst du mir den Tisch abzuräumen?", fragte Jin und drückte mir, ohne meine Antwort abzuwarten, einen Stapel Teller in die Hand. Einen schweren Stapel Teller. Wieso musste Jin aber auch unbedingt das teure Porzellan benutzen? Hätten wir Pizza bestellt, hätten wir nur Kartons wegschmeißen müssen. Kartons sind nicht mal ansatzweise so schwer wie Porzellanteller!

Bevor ich das Porzellan in die Küche schleppen konnte hielt der Busfahrer mich zurück. Insgeheim hoffte ich, er würde mir helfen, doch wie hätte ich nur darauf kommen können? Stattdessen legte er seinen eigenen Teller auf den ohnehin schon schweren Tellerturm und grinste mich frech an.

Am Liebsten hätte ich ihm sein bescheuertes Grinsen aus der Visage gewischt, aber dann hätte ich die Teller fallen gelassen und das hätte Jin bestimmt nicht gefallen.

Also balancierte ich die Teller in die Küche. Oder besser gesagt, ich versuchte es, denn auf halber Strecke ließ ich die Teller dann doch fallen. Hätte ich Taehyung geschlagen, hätte ich wenigstens was davon gehabt...

Jin warf mir einen erschrockenen und tadelnden Blick zu und wollte mir helfen den Scherbenhaufen aufzusammeln, doch ich ließ ihn nicht.

"Ich hab sie fallen gelassen, also heb ich sie auch auf. Kümmer dich nicht darum, Jin."

Zuerst hob ich die größeren Teile auf, um dann die kleinen Scherben aufzukehren. Wie auch immer ich das schaffte, ich schnitt mich an einer der großen Scherbenstücke.

Das Blut sprudelte nur so aus meiner Handfläche hervor.

Fluchend erhob ich mich vom Boden, den Blick nicht von der Wunde abwendend, und suchte im Medizinschrank im Bad nach einem Pflaster. Obwohl ich mir nicht sicher war, ob ein Pflaster da reichen würde. Als ich schließlich eins fand und realisierte, dass es zu klein war, wurde ich panisch. In meiner Hand hatte sich schon das Blut gesammelt und begann langsam aber sicher meinen Arm hinabzulaufen.

Plötzlich hörte ich jemanden hinter mir ins Bad kommen und fuhr herum. Es war der Busfahrer.

"Du bist also auch zu schwach, um ein paar Teller zu tragen, interessant", sagte er neckend und grinste. Zumindest, bis er meinen Arm sah, der nicht ganz so lustig war, wie die Tatsache, dass ich Teller fallen gelassen hatte...

"Was gibt es so wichtiges, dass du meine Suche nach einem passenden Pflaster unterbrechen musst?" Er schluckte.

"Brauchst du Hilfe?" Auf einmal war er so anders. So... hilfsbereit. Oder zumindest wollte er so wirken...

"Sehe ich so aus, als bräuchte ich Hilfe?" Ich zog eine Augenbraue hoch.

"Irgendwie schon, ja."

"Und wieso tust du's dann nicht einfach?" Dieser Satz brachte ihn dazu im Medizinschrank zu wühlen. Ihn darauf aufmerksam zu machen, dass ich das bereits getan hatte, war mir zu anstrengend, also wartete ich einfach darauf, dass er selbst drauf kam.

Es dauerte wirklich lange, bis ihm das endlich auffiel. Doch schließlich schnappte er sich einfach die Klopapierrolle, umwickelte meine Hand damit und wischte meinen Arm damit ab.

Irgendwie war mir schwindelig. Ich hätte nie gedacht, dass man durch seine Hand so viel Blut verlieren konnte.

Ohne ein Wort verließ ich das Bad. Ich kam jedoch nicht weit, denn ein paar Schritte weiter verlor ich das Gleichgewicht und landete schon zum zweiten Mal heute auf dem Boden. Nur, dass ich dieses Mal das Bewusstsein verlor...

A bus stop story || k.th ff ||Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt