Das Offensichtliche

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Den Rest der Stunde sitzen wir einfach nur still nebeneinander und stoßen gelegentlich beim Schreiben mit unseren Ellenbogen aneinander. Der Tisch ist einfach zu klein für uns beide. Ok, ich mein, wenn Leila neben mir sitzen würde, wäre das alles gar kein Problem, aber mit Nat? Keine Chance. Ich meine, er ist jetzt nicht dick oder so, aber halt einfach nur durchtrainiert ( allerdings nicht so ein Mega Bodybuilder, sondern einfach nur schön). Zudem ist er Linkshänder, was die Sache nicht gerade einfacher macht.

Anyway, der Rest des Tages geht relativ schnell vorbei und ehe ich mich versehe, sitze ich schon mit Leila im Bus auf dem Weg zu ihr. Die Fahrt dauert eine halbe Stunde, in denen Leila und ich uns die Lebensgeschichten zu den Leuten aus dem Bus ausdenken und als der Bus schließlich an einer kleinen Haltestelle mitten in der Pampa zum Stehen kommt, quetscht Leila sich an mir vorbei und sagt: „Komm Lou, keine falsche Müdigkeit vortäuschen, wir steigen jetzt aus." Ich springe mit steifen Beinen hinter Leila aus dem Bus. Die Fahrt hat auch echt lang gedauert. Neben dem Verkehrsschild zu meiner Rechten fange ich an, Dehnübungen zu machen, welche Leila mir nach kurzen Zögern nachmacht. Ich lache.

„Okay, Leila und wie kommen wir jetzt zu dir nach Hause?", frage ich und drehe mich einmal im Kreis. Vereinzelt stehen ein paar Häuser, aber insgesamt sieht es doch sehr Dorfmäßig aus.

„Hier lang und dann immer gerade aus", grinst Leila und deutet mit dem Daumen hinter die Bushaltestelle.

Ich erblicke einen schmalen Trampelpfad, der nach ein paar Metern hinter einer Baumgruppe verschwindet und meine an Leila gewandt: „Ja klar, verarsch mich nicht." Diese lacht nur und packt dann den Kordel an meiner Jacke um mich in die Trampelpfadrichtung zu ziehen. Anscheinend meint sie es also ernst.

Nach zehn Minuten endet der Weg vor einem großen Haus mit Zinnen und gelben Fensterläden. Gebannt bleibe ich stehen. Es sieht aus wie ein Märchenhaus und die zwei Pferde, die in dem Rasengebiet neben dem Haus grasen, machen das ganze noch idyllischer.

„Wow Leila.", sage ich und hebe mir eine Hand vor den Mund: „Kann ich bitte bei euch einziehen?"

Leila spreizt ihre Finger und meint dann: „Warts ab, bis du das Innere gesehen hast. Und Magnus!"

Sie geht auf die Haustür zu und zieht einen Schlüssel aus der Jackentasche. Immer noch gebannt folge ich ihr. Leila zwinkert mir nur zu, öffnet die Haustür und geht hinein. Ich tue es ihr gleich.

Vier Stunden später kenne ich bereits die beiden Pferde James (auch ‚der Einäugige' genannt) und Ruben (‚der Zweiäugige'), Magnus, den dreibeinigen Hund, Leilas Eltern, deren Haus und die abgöttisch leckeren Kochkünste von Leilas Mutter. Vollgeschlagen bis zum Gehtnichtmehr sind Leila und ich schließlich hoch in ihr Zimmer und reden seitdem über was auch immer. In einer halben Stunde fährt mein Bus zurück zur Haltestelle an der Schule, wo Chris versprochen hat mich abzuholen.

„Du sag mal, was ich dich schon die ganze Zeit fragen wollte", fängt Leila an und ich setze mich ein wenig aufrechter auf ihrem Bett hin, da sie ziemlich ernst klingt.

„Wie ist es eigentlich so mit Nat? Er ist immerhin der Schulschwarm schlechthin und naja... viele Leute würden echt viel tun, um auch nur ein Wort mit ihm zu wechseln."

Mein Herz klopft plötzlich wieder schneller. Ich habe versucht den ganzen Nachmittag nicht an ihn zu denken, weil ich Angst hatte, dass das Ganze sonst ausartet und jetzt konfrontiert mich Leila einfach so mit seinem Namen. In meinem Kopf schwirrt es.

„Ganz cool eigentlich", sage ich vorsichtig.

„Oh mann." Leila lacht. Verunsichert kneife ich die Augen zusammen.

„Man sieht förmlich, wie deine Iris eine Herzchenform bekommt, Lou", sagt Leila und ich senke peinlich berührt den Kopf. Ist das wirklich so offensichtlich, dass ich ihn toll finde?

Die Lügen hinter deinem LächelnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt