„Piep, piep, piep, piep, piep......" Kacke, mein Wecker klingelt unaufhörlich, aber ich habe einfach nicht die Kraft aufzustehen und dieses Drecksding für immer zum Schweigen zu bringen. Ja, meine Laune ist nicht unbedingt die beste diesen Morgen, da ich trotz den Telefongesprächs mit Jared in der Nacht danach immer noch kein Auge zugetan habe.
Nach 5 Minuten ununterbrochenen Klingeln raffe ich mich schließlich auf, schiebe meine Bettdecke nach unten und stelle ENDLICH den Wecker aus.
Beim Blick in den Badezimmerspiegel trifft mich fast der Schlag, da ich aussehe, als ob Graf Dracula in der Nacht durch mein Fenster gestiegen ist und mich in einen Untoten verwandelt hat.
Und nein, ich meine nicht den lieblichen Twilight-Vampirlook, sondern den Look aus der Dracula-Erstverfilmung.
Meine Haare stehen in alle Richtungen und meine Gesichtsfarbe ziert ein gräulicher Unterton. Außerdem sind meine Augenringe sind derart präsent, dass man sie nicht mal mit Concealer einigermaßen verbessern kann.
Egal, ich werde den Tag trotzdem überstehen. Irgendwie.
Vor dem Schuleingang treffe ich zufälligerweise auf Nat. Er schaut mich erst ein bisschen kritisch an, dann sagt er:
„Sieht so aus als ob du eine lange Nacht gehabt hast."
Haha, wenn der wüsste.
„Ja, nachdem du gestern Abend gegangen bist musste ich ja noch das Referat fertig machen von dem du mich abgehalten hast.", erwidere ich keck.
Nat zieht die Augenbrauen hoch und erwidert:
„Als ob du meine Ablenkung nicht gemocht hättest, Fräulein Graham. Dass du mir jetzt aber die Schuld zuschiebst trifft mich allerdings schon tief."
Ich blicke Nat mit einem fragenden Blick an. Er sieht mich zunächst ganz ernst an, dann verziehen sich allerdings langsam seine Mundwinkel und er kann das Lachen nicht mehr unterdrücken.
„Mann Nat", rufe ich, „du kannst mich doch nicht so verarschen. Schäm dich."
Ich versuche ihm einen Stupser zu geben, aber Nat weicht aus und joggt vor mir her.
„Du kriegst mich doch eh nicht Louina!!"
„Na warte!"
Gepackt von Siegeslust renne ich auf Nat zu, der allerdings auch schon Gas gibt. Durch die vielen Menschen, die durch das Schulgebäude strömen, ist es gar nicht so leicht richtig Geschwindigkeit aufzunehmen. Allerdings hat Nat offensichtlich dasselbe Problem und so habe ich ihn schon nach ungefähr 15 Sekunden eingeholt.
Nat gibt sich geschlagen und wir laufen gemeinsam weiter zum Klassenzimmer.
Durch den kleinen Sprint fühle ich mich gleich munterer.
Wie blöd ich doch gestern Nacht war, anzuzweifeln, dass Nat es nicht ernst mit mir meint. Ich hätte echt die Zeit für bessere Dinge verwenden können, z.B. Schlaf.
Evan und Jared haben auch Unterricht mit uns und letzterer wirft mir einen aufmunternden Blick zu.
Ich lächle ihm leicht zu und zeige mit meinem Daumen nach oben. Daraufhin macht er auch das „Daumen-nach-oben"-Handzeichen und setzt sich neben Evan auf seinen Platz.
Kurz nach Unterrichtsbeginn klopft es an der Tür. Eine Dame in einem grauen Kostüm tritt ein und mustert die Klasse.
„Sind Sie der Französischkurs von Herrn Perret?", fragt sie in die Runde.
Einige Schüler nicken und Herr Perret winkt ihr vom Pult aus zu.
„Dann würde ich jetzt gerne mit Herrn Jared Weber sprechen. Sie sind für die nächsten 2 Stunden vom Unterricht befreit."
An Jareds Gesicht kann man sehen, dass er absolut ahnungslos ist. Schnell packt er seine Sachen zusammen und bahnt sich durch die Klasse zu der Frau.
Ich muss zugeben, dass ich ein bisschen ein mulmiges Gefühl im Bauch habe, aber alle anderen finden das anscheinend ganz normal.
Fragend blicke ich zu Nat. Vielleicht kann er mir ja erklären was hier los ist.
Nat scheint meinen Blick verstanden zu haben und raunt mir zu:
„Ist bestimmt nur ein Auswahlgespräch für die Uni. Das kommt öfter mal vor."
Ok, dann ist ja alles gut. Erleichtert atme ich aus.
Jared folgt der grau kostümierten Dame zu Tür hinaus und ich blicke ihm nach bis sich die Tür hinter ihm schließt.
Der Französischunterricht verläuft bis auf die kurze Unterbrechung eher unspektakulär und gerade als ich meine Augen kaum mehr offen halten kann, klingelt es.
Nat hat während dem Unterricht auch keine Anstalten gemacht, meine Hand zu nehmen oder sonstiges, sondern hat sich echt überzeugend auf die französische Grammatik konzentriert. Streber.
Als wir gemeinsam das Klassenzimmer verlassen und ich fast den Mut aufbringen kann, wenigstens Nat's kleinen Finger zu berühren, wendet der sich schon ab und geht.
Davor wirft er mich noch einen zweideutigen Blick zu, der entweder bedeuten kann „Ich vermisse dich jetzt schon" oder „Bleib mir bloß vom Leib".
Sofort fühle ich mich um 6 Stunden zurückversetzt, heulend auf meinem Bett.
Hier werde ich jetzt aber bestimmt nicht anfangen zu weinen.
„Hey Lou, freust du dich auch so sehr auf Chemie wie ich?"
Leila, die neben mir auftaucht, hat genau den selben Gesichtsausdruck drauf wie Nat eben.
Wobei er bei ihr wahrscheinlich eher „Ich check Chemie schon seit der 7. Klasse nicht mehr" bedeutet.
„Mmhm.", brumme ich nur und wende mich ein bisschen ab. Ich will echt nicht, dass Leila merkt, wie verletzt ich wegen Nat bin, denn sonst würde sie mich trösten wollen und dann würde ich erst recht in Tränen ausbrechen.
Schweigend laufen wir nebeneinanderher und erst als wir den Chemiesaal betreten, fragt Leila schließlich: „Nat, oder?"
Ganz tief in mir drinnen tut es plötzlich ganz doll weh.
„Ich weiß nicht mal, ob er mich wirklich mag.", flüstere ich und die erste Träne läuft mir über die Wange.
„Oh Lou. Komm, wir gehen wieder."
Leila zieht mich aus dem Chemiesaal und legt dann beschützend den Arm um mich.
„Also meiner Meinung nach können wir Chemie und Sport heute echt ausfallen lassen, oder?", sagt sie mit sanfter Stimme und drückt mich an sich.
Als Antwort schluchze ich nur. Wow, so viel Emotionalität bin ich von mir selber wirklich nicht gewöhnt. Gruselig.
Leila erklärt mir schließlich, dass Nat vielleicht auch nicht ganz weiß, wie er mit der ganzen Situation umgehen soll und obwohl ich das nicht wirklich glauben kann, beruhigt mich der Gedanke trotzdem.
„Ich versteh einfach nicht, wie er in der einen Französischstunde quasi gar nicht mehr aufhören kann, meine Hand zu nehmen und mich anzugucken und in der nächsten Stunde sitzt er neben mir und tut so, als wäre ich irgendein ekliger Sitznachbar mit dem er möglichst den Körperkontakt vermeiden möchte. Ich mein, er hat mir so wenig Aufmerksamkeit geschenkt, dass ich fast eingeschlafen wäre, obwohl mich seine Gegenwart normalerweise auch in einer vierstündigen Oper wachhalten würde.", flüstere ich traurig und Leila streichelt mir über den Arm.
„Verstehe einer mal die Jungs.", seufzt sie und in ihrer Stimme schwingt ein gewisser Grad an Bitterkeit mit.
„Alle sind einfacher als Nat.", schluchze ich schon wieder, aber bevor ich erneut in Tränen ausbrechen kann, piepsen Leilas und mein Handy gleichzeitig.
„Oh, was gibts?", frage ich und wische mir die Tränen aus den Augen.
Leila zuckt mit den Schultern und entsperrt ihr Handy.
„Whatsapp von Evan."
„Was schreibt er?", schniefe ich und schaue ihr über die Schulter.
„Ach, Jared ist angeblich von der Schule geschmissen worden.", antwortet sie schon fast gelangweilt.
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Die Lügen hinter deinem Lächeln
Teen FictionAls Louina ihre neue Schule betritt, ahnt sie noch nicht, wie unglaublich kompliziert das nächste Schuljahr werden wird. Da ist zum einem ihr charismatischer Zwillingsbruder Chris, der alle um die Finger wickelt, während Lou außen vor bleibt, Jared...