Allzu überrascht war ich am ersten Schultag nicht gewesen, als Draco mich zum Raum der Wünsche geführt hatte. Was mich aber tatsächlich überrascht hatte, war die Tatsache, dass er mich nicht dorthin mitgenommen hatte, um unser Wiedersehen zu feiern, sondern, um mir ein altes Verschwindekabinett zu zeigen, das er im Laufe dieses Schuljahres zu reparieren gedachte. Zuerst war mir unklar gewesen, was er damit anstellen wollte, doch dann verstand ich. „Ich dachte, du hättest noch keine Idee?", hatte ich mit gerunzelten Brauen gefragt, doch er hatte nur „wie wäre es mit: ‚Super, Draco, ich freue mich, dass du dem Ziel ein Stückchen näher gekommen bist'?" erwidert und die Angelegenheit für so gut wie erledigt erklärt. Dann hatte er mir den Feuerwhiskey in die Hand gedrückt und der Rest des Abends war bloß verschwommen in meiner Erinnerung geblieben.
Die ersten drei Schulwochen waren vorüber und Draco hatte bereits jetzt gemerkt, dass er die Reparatur des Kabinetts unterschätzt hatte. Ich sah ihn abgesehen vom Unterricht bloß selten, meist im Gemeinschaftsraum bevor wir zu Bett gingen, wenn ich Glück hatte, war er beim Abendessen dabei und ließ sich dazu überreden, zumindest eine Scheibe Toast zu essen. Ich hatte geahnt, was Aufgaben des Dunklen Lords mit einer zerbrechlichen Seele wie der Dracos anstellen würden. Der Blondschopf sah grauenhaft aus. Er hatte seit mindestens 48 Stunden nicht geschlafen, das wusste ich, weil ich für gewöhnlich nicht zu Bett ging bevor ich mich vergewissert hatte, dass er dies auch tat. Die letzten zwei Nächte hatte er jedenfalls im Raum der Wünsche verbracht und ich konnte nur hoffen, dass ihm dort zumindest eine oder zwei Stunden Schlaf vergönnt waren.
Auch mir sah man den Schlafentzug und die Sorge um Dracos Zustand deutlich an, ich machte mir schon gar nicht mehr die Mühe, in den Spiegel zu sehen, nur um zu sehen, dass die Augenringe noch dunkler geworden waren. Aber immerhin versuchte ich irgendwo, einigermaßen normal den Schulalltag zu meistern, was man von Draco nicht unbedingt behaupten konnte. Denn wenn ich ihm sagte, dass er sich ausruhen müsse und Schlaf brauche, bekam ich bloß ein gereiztes "Halt dich da raus, Serena!" zu hören und nachdem er begonnen hatte, meine Versuche, mich um seine Gesundheit zu kümmern, zu ignorieren, hatte ich beschlossen, dasselbe zu tun. Ich wusste, was los war, ich wusste, dass er zu stolz war, um Hilfe anzunehmen, aber ich wusste auch, dass ich ihn nicht dazu zwingen konnte, bis er sich überwand. Also wartete ich.
Doch aus Tagen wurden Wochen und aus Wochen wurden Monate und nichts geschah. Den anderen Slytherins, die mich ausquetschten, wo Slytherins Prinz sich herumtrieb, erzählte ich, er habe Nachsitzen bei McGonagall, jedoch wurde mir meine Lüge zunehmend seltener abgekauft.
Heute jedoch, es war bereits Ende November, Slughorn hatte vor einigen Tagen die Einladungen zu seiner Weihnachtsparty herumgeschickt, begann Draco tatsächlich den Unterricht zu schwänzen.
"Wo genau hält sich Mr. Malfoy derzeit auf?", fragte McGonagall in die Runde und sah diejenigen, die eine grüne Krawatte trugen, erwartungsvoll an. Ich seufzte und hob die Hand. "Draco ist krank, Professor. Er fühlte sich unwohl heute Morgen und meinte, er werde später zur Krankenschwester gehen."
"Miss Lynch. Richten Sie Mr. Malfoy bitte aus, dass er bei Krankheit sofort in den Krankenflügel zu gehen hat, versäumter Unterricht aufgrund von Schnupfen, die Madame Pomfrey innerhalb weniger Sekunden heilen könnte, wird nicht geduldet." Sie besah mich mit einem strengen Blick und zog beim genaueren Betrachten meiner blassen, fast schon fahlen Haut mit den so deutlich sichtbaren Augenringen, die Augenbrauen zusammen. "Fühlen Sie sich nicht wohl, Miss Lynch?"
"Mir geht es gut, Professor. Ich denke nicht, dass Draco mich angesteckt hat." Welch ein Wunder, wo ich ihn sowieso so gut wie nie sah, abgesehen von den wenigen Gelegenheiten, von denen ich erzählt hatte und einiger Male größtenteils wortlosem Sex zum Stressabbau.
"Gehen Sie bitte trotzdem später zur Schulkrankenschwester, falls Sie sich unwohl fühlen sollten."
"Ja, Professor."
Den Rest der Stunde brachte sie uns bei, wie wir unsere Tische in Hunde verwandeln konnten.
Als ich abends den Gemeinschaftsraum betrat, saß Draco überraschenderweise in einem der Sessel vor dem Feuer. Ich näherte mich ihm verwundert und blieb vor ihm stehen. "Ach was, wen sehe ich denn da einmal nicht beschäftigt?", fragte ich mit einem zugegeben sehr fiesen Unterton in der Stimme.
Er sah auf und ich erkannte sofort, dass er geweint hatte. "Was ist passiert, Draco?", wollte ich sofort wissen und ging in die Hocke, um mit ihm auf einer Höhe zu sein.
"Ich...es tut mir leid, Serena. Bitte, bitte hilf mir", sagte er leise und ich atmete aus und umarmte ihn erstmal. "Natürlich helfe ich dir, Draco", flüsterte ich und schloss die Augen, als ich seinen vertrauten Duft einatmete. "Niemand verlangt, dass du das alleine machst", versicherte ich ihm, was zwar nicht unbedingt stimmte, er aber momentan dringend als Bestätigung dafür brauchte, dass er kein Versager war.
"Und zu allererst helfe ich dir dadurch, dass ich dir eine komplette Nacht Schlaf anordne. Wie lange hast du nicht mehr richtig geschlafen?"
"Hallowe'en? Oder danach? Ich habe keine Ahnung", er seufzte und gähnte herzhaft.
"Lektion Nummer Eins: Ohne vernünftigen Schlaf hast du absolut keine Chance. Du brauchst jede Nacht sieben bis neun Stunden Schlaf, um dich maximal konzentrieren zu können und deine Aufmerksamkeit auf die wichtigen Dinge zu lenken. Es werden keine Nächte mehr durchgemacht, du wirst keinen Unterricht mehr schwänzen und du arbeitest nicht mehr non-stop. Und jetzt ab ins Bett."
"Ja, Mum", schnaubte Draco.
"Ich meine das ernst. Du mit qualitativ hochwertig arbeiten, nicht quantitativ. Und deshalb legst du dich jetzt hin und wirst den Schlafsaal nicht verlassen, bis die Sonne aufgeht. Verstanden?" Ich zog die Augenbrauen hoch.
Er nickte und hielt mir beide Hände entgegen als Aufforderung, ihn hochzuziehen. Ich musste schmunzeln und tat, wie mir geheißen, bevor wir in Richtung des Jungenschlafsaals der Sechstklässler verschwanden. Die Entscheidung, bei Draco zu bleiben, traf ich offiziell bloß, weil ich sicherstellen wollte, dass er meinen Rat auch wirklich befolgte und schlief, inoffiziell aber größtenteils, weil ich selbst nicht allein sein wollte. Auch, wenn ich es niemandem wirklich zeigte, war Draco nicht der einzige, der am Ende seiner Kräfte war.
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Tötet mich nicht, Leute ! Ich kriege momentan vieles wieder einigermaßen hin (auch, wenn ich das nicht zu laut sagen möchte, da die Depression eine Bitch ist), deshalb mal wieder ein vernünftiges Kapitel. Ich habe es nicht überarbeitet oder Kontrolle gelesen, also weist mich auf Rechtschreib-, Logik- oder Grammatikfehler gerne hin. Ich hoffe, dass ich meinen Rhythmus wiederfinde!
Xx Ally
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Unknown Girl
Fiksi PenggemarSerena Riddle ist Lord Voldemorts leibliche Tochter von einer ihr unbekannten, längst verstorbenen Frau. Die Zerrissenheit bezüglich ihrer Loyalität steigt ihr zu Kopf und Serena merkt schnell, dass Ignoranz gegenüber zu treffenden Entscheidungen zu...