Kapitel 10

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• W E S •

Ich dränge meine Schulter gegen die Durchgangstür, damit sie sich öffnen lässt, und balanciere die Teller in meiner Hand einigermaßen elegant zum Tisch, an welchem ein Pärchen schon wartend sitzt. "Entschuldigen Sie bitte, dass Sie länger warten mussten", sage ich, während ich die Bestellung vor ihnen abstelle. "Heute ist ganz schön viel los."

Die dunkelhaarige Schönheit winkt lächelnd ab. "Kein Problem."

"Guten Appetit."

An einem Nebentisch mache ich mich daran, das dreckige Geschirr zusammenzusuchen, als jemand mir von hinten die Augen zuhält. Überrascht richte ich mich auf und greife nach den Händen, um sie wegzuziehen, drehe mich dann zu meiner Kollegin um, die lächelnd zu mir aufsieht.

Mir ist allerdings nicht zu Lachen zumute.

"Naomi, wo warst du, verdammt? Deine Schicht hat vor einer halben Stunde angefangen! Schau dich mal um", ich mache eine Handgeste über die besetzten Tische, "Hier ist die Hölle los und ich bin damit ganz allein ..."

"Mach dir mal nicht ins Hemd, Wes", sagt sie und nimmt mir die schmutzigen Teller ab. "Mein Fahrrad hatte einen Platten. Da musste ich mit dem Bus herfahren."

Ich versuche, mich zu beruhigen, und atme dafür ein paar Male langsam ein und aus. "Es soll mir egal sein. Du bist jetzt hier, also alles gut."

Sie sieht sich um, als suche sie jemanden. "Ich habe eigentlich damit gerechnet, den Neuen kennenzulernen."

"Matt hat vorhin angerufen. Er klang nicht so gut", entgegne ich. "Mir würde es jetzt aber sehr am Herzen liegen, wenn du arbeiten würdest. Die Bestellungen nehmen sich schließlich nicht von allein auf", mache ich ihr klar, woraufhin sie amüsiert die Augen verdreht.

Doch dann scheint etwas ihre Aufmerksamkeit gewonnen zu haben. "Dann werde ich mal den einsamen Jungen dort fragen, womit ich dienen könnte", sagt sie und geht an mir vorbei.

Überrascht schaue ich ihr hinterher. Es ist ausgerechnet Evan, der an einem der Tische an der Wand sitzt und die Menükarte studiert. Wobei es eher so aussieht, als würde er tief in Gedanken versunken zu sein. Das bestätigt sich, als er regelrecht aufschreckt, nachdem Naomi ihn anspricht.

Ich kann nicht verhindern, dass sich ein Schmunzeln auf meine Lippen schleicht.

Während ich meiner Arbeit weitergehe, lasse ich ihn nicht aus dem Auge. Er ist wie ein Magnet, von dem ich angezogen werde.

Als meine Kollegin zurückkommt, strahlt sie übers ganze Gesicht. "Hast du gesehen, wie schnuckelig der Typ ist? Wäre es dreist, ihm meine Telefonnummer unterzujubeln?"

"Definitiv."

"Egal, ich möchte mein Glück versuchen", meint die kleine Blondine und wirft ihre Haare über die Schulter, rauscht dann in Richtung Küche davon.

Kommentarlos lasse ich das über mich ergehen. Stattdessen kümmere ich mich weiter um die anderen Gäste, die versorgt werden müssen. Dabei habe ich das ständige Gefühl, beobachtet zu werden. Und tatsächlich erwische ich Evan manchmal dabei, wie er mich anstarrt. Und jedes Mal, wenn sich unsere Blicke treffen, lächelt er zurückhaltend.

Meine Knie sind durchgehend Wackelpudding.

Mittlerweile könnte ich ihn schon damit konfrontieren, dass er öfter hier ist, obwohl sein Freund nicht arbeitet. Hinter seinen Besuchen müsse also etwas anderes stecken. Und natürlich erhoffe ich mir innerlich, dass sie wegen mir ist.

Jedes Mal, wenn wir uns treffen, stellt dieser Lockenkopf etwas mit mir an, das ich seit langem nicht mehr gefühlt habe. Und obwohl ich es verhindern wollte, habe ich mich eindeutig in den Typen verknallt. Das schien auch nicht sehr schwer zu sein.

Someone like You [boyxboy] | ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt