Die Frühlingssonne schien durch das Wohnzimmerfenster, die Vögel zwitscherten und Joyce Byers saß auf dem Sofa und las. Sie hatte heute die Frühschicht gehabt und konnte so am Nachmittag zu Hause sein. Joyce war mittlerweile 45 Jahre alt, arbeitete als Sekretärin in einer Anwaltskanzlei und war mordsmäßig stolz auf ihre zwei Jungs. Sie war froh Hawkins verkassen zu haben, auch wenn sie zugeben musste, dass sie Hopper und die kleine El, die Wheelers und Wills Freunde irgendwie vermisste. Jonathan studierte an der NYU, wie er es sich schon immer gewünscht hatte, und Will hatte, nach allem was er durchgemacht hatte, wieder ein normales Leben führen können.
Die Haustür öffnete sich und ein dunkelblonder Haarschopf war zu sehen. "Judith?", fragte Joyce. "Ja, ich bin's.", tönte es von der Tür. "Und ich!", hörte Joyce eine piepsige Stimme rufen. Und schon saußte ein kleiner, blonder Junge an ihr vorbei und ab in die Küche. Joyce lächelte. Ihr Neffe Toby erinnerte sie einfach zu sehr an Jonathan und Will, als sie noch klein waren. Toby saß bereits eine Sekunde nachdem er an Joyce vorbeigezischt war, bei seinen Spielzeugautos und machte Brumm-Geräusche. Judith hängte ihren und Tobys Mantel an die Garderobe und setzte sich neben Joyce auf's Sofa. "Und ich dachte, Harrison würde ihn vielleicht ein bisschen auspowern, aber er ist noch aufgeladener als sonst.", lachte sie. "Das ist einfach so in dem Alter", sagte Joyce "Will war damals auch so und schau ihn dir jetzt an." Dann drehte sie sich zu Toby um. "Wie war's bei deinem Dad, Toby?", fragte Joyce und legte ihr Buch beiseite. "Total cool! Wir waren im Kino, und wir waren Eis essen und dann durfte ich auf seinem Motorrad nach Hause fahren!" Tobys Augen leuchteten vor Glück. Joyce lächelte. Hätte Lonnie doch so etwas mal mit seinen Jungs gemacht...
Wie auf Kommando öffnete sich, ein zweites Mal, mit einem lauten Klacken die Haustür. "Hey Mum, Hey Tante Judith.", murmelte Will und ging schnurstracks zur Küche. Toby hob den Kopf, sprang auf und rannte ihm hinterher.
Als Will seine Bücher auf den Küchentresen legte, rammte ihm Toby schon seinen kleinen, blonden Schädel in den Bauch. "Hey!", lachte Will und hob Toby hoch, sodass er ihm genau in die blauen, strahlenden Augen sehen konnte. Toby kicherte. "Ich kann jetzt nicht mit dir spielen, Toby. Ich muss Hausaufgaben machen und dann kommt Lily vorbei." "Lily?" Tobys Unterlippe schob sich vor. "Ja, Lily." "Lass mich runter", murmelte Toby. Will setzte ihn auf den Boden und Toby zog wieder ab. Will lächelte ihm hinterher, obwohl Toby jetzt wieder schmollend im Wohnzimmer saß und Autogeräusche machte.
Will seufzte. Er liebte dieses kleine Energiebündel. Als sie hergezogen waren, war Tante Judith im 3. Trimester schwanger und mit Harrison McDougal zusammen. Einem Polizisten aus gutem Hause. Er war nett, aber gehörte irgendwie nicht wirklich zur Familie. Will hatte ihm sowieso nicht getraut. Harrison war ihm einfach viel zu nett. Ja, das war die Wahrheit. Er machte Will dauernd Geschenke, die ihn nicht interessierten. Als er Tante Judith dann mit seiner Partnerin betrog und sie ihn rauswarf, war Will schon fast froh, dass er nicht mehr mit ihm unter einem Dach leben musste. Was geblieben war, war ein 6 Monate altes Baby ohne Dad und seine verzweifelte Mom.
Will setzte sich an den Tresen und schlug sein Buch auf. Hausaufgaben waren schnell abgehakt und er ging wieder in sein Zimmer.
Wills Zimmer war hellblau gestrichen und hatte drei große Fenster zum Garten hin. Es war klein, was ihn aber nicht sonderlich störte. Der Platz reichte für ein Bett, einen Schrank, einen Schreibtisch und ein Bücherregal, in dem jedoch zu 90% bloß Comics und Schuluntensilien eingelagert waren. Will legte sich aufs Bett und schaute an die Decke.
Irgendwie fehlte ihm heute irgendwas. Er wusste selbst nicht was, aber in ihm drin war eine Leere, die er nicht füllen konnte. Will drehte sich auf die Seite und sein Blick richtete sich auf seinen Nachttisch. Er lag voll mit irgendwelchen Comics und Kassenzetteln. Will nahm den Haufen Zettel und Comics in die Hand. Er sollte hier echt mal aufräumen. Will packte die Comics auf den Schreibtisch zu den Schulheften, die er vor einer Minute dort abgelegt hatte. Ein Seufzer entfuhr ihm und er schlenderte zurück zum Nachttisch um die restlichen Comics zu holen. Als der den zweiten Haufen anhob um ihn ebenfalls zum Schreibtisch zu bringen, (auch wenn der Platz dort langsam zur Neige ging) blieb er mit dem kleinen Zeh am Bettfuß hängen und ließ vor Schreck und dem kurzen Schmerz im Fuß die Hälfte der Comics fallen.
"Scheiße!" Will rieb sich den Fuß und bückte sich dann um die heruntergefallenen Heftchen wieder aufzuheben.
Es war der X-Men 284, der Will erstarren ließ. Will hob ihn auf, sah was sich darunter befand und ließ ihn plötzlich wieder fallen. Unter dem Heft lag etwas was kein Comic war. Es waren Fotos. Fotos von ihm und Mike, die Will wissentlich mit hier her genommen hatte, aber seit Jahren nicht mehr gesehen hatte.
Eins hatte Jonathan an Silvester gemacht. Es zeigte Will und Mike, wie sie auf der Couch der Wheelers friedlich, nebeneinander schliefen.
Eins zeigte Will in Latzhosen und blauem T-Shirt und Mike im Jeansoverall wie sie Arm in Arm irgendwelche Grimassen schnitten.Will hob die paar Bilder vom Boden auf und schaute sich eins nach dem andern an. Er hatte Mikes Gesicht seit Monaten nicht mehr so vor sich gesehen und er musste lächeln. Dieses markante Gesicht. Das Lächeln. Das Lächeln... Wie war er nur je ohne dieses Lächeln in seinem Alltag ausgekommen?
Will spürte wie ihm die Tränen kamen, und er wischte sich nicht übers Gesicht. Er ließ sie fließen. Es fühlte sich richtig an in dieser Situation zu weinen. Er wusste plötzlich woher diese innere Leere kam. Es war Mike. Mike hatte diese innere Leere hinterlassen, als Will weggezogen war.
Will schloss die Augen und weinte einfach. Er weinte und weinte. In seinem Kopf war nur dieser eine Gedanke: Mike.
Irgendwann legte Will sich wieder aufs Bett und versuchte die Tränen zurückzuhalten. Seine Augen waren mittlerweile wieder so gerötet, wie sie es früher so oft gewesen waren. Über diese Heulerei schlief Will irgendwann ein.
Als er wieder wach wurde saß Lily auf seinem Bett und blickte auf die Fotos von ihm und Mike. "Lily?", murmelte Will noch total verschlafen. "W-Wer ist das?", fragte Lily. Ihre Stimme klang ein wenig enttäuscht. "Das...ist Mike. Mein ehemaliger bester Freund aus Indiana." Will spürte wieder die Tränen hochkommen wenn er nur Mikes Namen laut aussprach. Diesmal würde er nicht losheulen. Nicht vor Lily.
"Er sieht...nett aus.", sagte Lily. "Aber warum liegen auf einmal Fotos von ihm in deinem Zimmer?" Sie klang immer noch enttäuscht. "Ich hab aufgeräumt und dann sind sie aus 'nem alten Comic ausgefallen." Lily nickte langsam und schaute auf den Boden.
Sie saß sicher noch eine halbe Minute so da, bevor sie aufsprang und rief: "Hey, wollen wir ins Einkaufszentrum fahren?" Will sah sie an, lächelte und nickte dann.
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The Way You Make Me Feel || Mike + Will (Byler)
Fanfiction1985 verließen die Byers' Hawkins um in New York neu anzufangen und die schlechten Erinnerungen zu vergessen. Als Mike und Will sich 6 Jahre später per Zufall wieder treffen, kommen alte Gefühle wieder hoch und alte Wunden werden wieder aufgekratzt...