11

3.1K 209 17
                                    

                    

11

Dienstag

Ich wache gegen 10 Uhr auf. So lang habe ich schon lange nicht mehr geschlafen. Eigentlich sehr untypisch für mich. Der gestrige Abend war lang. Wir haben bis halb zwölf die Möbel aufgebaut. Selbst Elias hat dabei eine gute Figur gemacht und scheinbar auch sich selber überrascht. Nachdem wir beide ziemlich müde waren, wurde mir vorgeschlagen im Gästezimmer zu übernachten. Dieses Angebot habe ich dankend angenommen. 

Nachdem ich mich etwas frisch gemacht habe, gehe ich in die untere Etage. Da alles noch ruhig ist, mache ich Frühstück. Schließlich müssen wir uns stärken. Die aufgebauten Möbel warten noch in der Garage auf ihren Einsatz. Heute müssen wir erst einmal in den Baumarkt und die passenden Farben aussuchen. 

„Hast du bei uns geschlafen?", fragt Fynn und kommt zu mir in die Küche. Er sieht keineswegs sauer oder überrascht aus. Eher glücklich, so wie er strahlt. 

„Ehm... ja. In eurem Gästezimmer. Ich wollte gestern Abend nicht mehr nach Hause fahren. Elias und ich haben noch die restlichen Möbel aufgebaut".

„Caro, du kannst so oft hier schlafen wie du willst. Ich mag dich. Außerdem hatte Elias schon lange keine Freundin mehr", meint er und grinst mich schelmisch an. 

„Das riecht aber lecker hier", höre ich Elias sagen, als auch er zu uns kommt. 

„Guten Morgen. Super, dann können wir gleich frühstücken". 

„Welche Farben würdest du denn wählen?"; fragt Elias als wir drei vor den vielen Farbkarten im Baumarkt stehen. 

„Da ihr jetzt hauptsächlich weiße Möbel ausgesucht habt, würde ich ein schönes grau wählen. Das würde perfekt passen und den Ton des neuen Sofas wieder aufnehmen. Außerdem seid ihr ein Männerhaushalt, da wollt ihr keine lilafarbene Wände haben", sage ich grinsend. „Und für dein Schlafzimmer würde ich ebenfalls einen gedeckten Farbton nehmen". 

„Also kein romantisches rot?", fragt er grinsend und zwinkert mit den Augen. 

Ob Elias wohl Affären hat? Immerhin hat Fynn heute Morgen noch gesagt, Elias hätte schon lange keine Freundin mehr gehabt. 

„Wieso hast du eigentlich keine Freundin?", frage ich und würde am liebsten weg rennen. Wieso zum Teufel habe ich diese Frage gestellt?

„Frau Fink, eine interessante Frage. Wie kommst du drauf? Gib's zu. Du bist neidisch auf mein neues Bett und hoffst insgeheim auch einmal eine Nacht darin zu verbringen", meint er und steht plötzlich sehr nah vor mir. Augenblicklich beschleunigt sich meine Atmung. Wie sich wohl seine Lippen auf meinen anfühlen würden?

Was ist los mit mir? Wieso stelle ich mir gerade vor Elias zu küssen? Verdammt, ich muss mich beherrschen. 

„Was? Ich ... ich glaub ... du fantasierst. Als ob ich mit dir ... also ich meine ..." „Ja? Was meinst du denn?", fragt er leise und legt seine Hand auf meinen Arm. Sofort beginnt meine Haut zu prickeln. 

„Wir beide ... da wird doch nie was laufen.Wir sind doch so etwas wie Freunde. Ich stehe auf Olé, schon vergessen?". Ich muss meinen Standpunkt klarmachen. 

„Ist das so, ja? Nur musst du mir eins erklären. Wenn wir nur Freunde sind, wie du sagst, wieso hast du dann eben eine Gänsehaut bekommen, als ich dich angefasst habe?", fragt er und lässt mich los. Lässt mich im Gang stehen und geht weiter. 

Verdammt was ist nur los mit mir? 

Als ich Fynn und seinen Onkel endlich wieder eingeholt habe, hat sich meine Atmung schon wieder fast normalisiert. Allerdings weiß ich noch immer nicht, was das eben war. Was sollte das?

„Das wars. Damit sind alle Wände gestrichen. Vielleicht ist die Wand im Wohnzimmer ja schon trocken. Dann könnten wir die ersten Möbel hinstellen" sage ich und gebe mir Mühe, Elias nicht anzusehen. Auch nach fast fünf Stunden bin ich mehr als verwirrt. Ich will Olé und niemand anderes. 

„Gute Idee. Ich gehe gucken", ruft Fynn begeistert und rennt zur Treppe. 

„Ich habe dir vorhin übrigens keine Antwort gegeben. Auf deine Frage meine ich", meint Elias als er meinen verwirrten Blick bemerkt. „Du wolltest doch wissen wieso ich keine Freundin habe. Vor ein paar Jahren war ich mit einer Frau zusammen. Es lief gut, so gut, dass ich kurz davor war ihr einen Antrag zu machen". Jetzt wird es interessant. „Was ist dann passiert?"

„Dann sind mein Bruder und meine Schwägerin gestorben und ich musste plötzlich für Fynn da sein. Das hat nicht in ihr Lebenskonzept gepasst. Clea wollte immer reisen und die Welt sehen. Da hat ein kleiner Junge kein Platz". 

Damit habe ich jetzt wirklich nicht gerechnet. 

„Hast du damals nicht überlegt mit Clea zu gehen? Ich meine zu reisen?" „Und Fynn nicht zu mir zu nehmen, meinst du?" Ich nicke lediglich und warte gespannt auf seine Antwort. 

„Nein. Daran habe ich nie gedacht. Ich hätte Fynn niemals fremden Menschen überlassen. Nicht weil es der Wunsch meines Bruders war auf ihn aufzupassen. Du kennst diesen kleinen Jungen doch mittlerweile auch. Er ist mein Leben. Alles was mir von meinem Bruder noch geblieben ist. Fynn ist mehr als nur mein Neffe. Eigentlich ist er wie mein kleiner Bruder. Keine Frau dieser Welt ist es wert, dass ich diesen kleinen, tollen, mutigen und starken Jungen irgendwohin abschieben würde", meint Elias und zeigt auf die Tür, in der Fynn steht. Ich habe keine Ahnung wie lang der kleine Mann unserem Gespräch schon zugehört hat, aber den Tränen in seinem Gesicht nach, steht er nicht erst seit einer Minute dort. Doch bevor ich Elias dies klar machen kann, redet er schon weiter.

„Danach gab es keine wirkliche Frau mehr. Sobald sie von Fynn erfahren haben, waren sie auch schon weg.  Aber hey, das ist mir egal. Fynn hat eine richtige Familie verdient. Und bis mir die Frau begenet, die ihn so liebt wie ich, kümmere ich mich weiter alleine um ihn. Und ich glaube ich mache da einen guten Job", meint Elias abschließend und schlägt sich selber auf die Schulter. 

„Das machst du wirklich", flüstert Fynn von der Tür. Elias Körper dreht sich augenblicklich. Nun sieht auch er seinen kleinen Neffen in der Tür stehen.

„Ich hab dir das noch nie gesagt, aber ich bin dir wirklich dankbar, dass du mich nicht weggeben hast. Du hast scheinbar so viel für mich aufgegeben und ich war ... naja ich war in den letzten Monaten nicht so ganz einfach. Aber du bist der beste Onkel den man sich wünschen kann." 

Elias löst sich aus seiner Starre und geht zu deinem kleinen, wundervollen Mann.

„Fynn, ich weiß, dass ich deinen Vater nicht ersetzen kann. Das will ich auch gar nicht und das weißt du. Wir sind in den letzten zwei Jahren zu einem guten Team geworden. Darauf bin ich wirklich stolz. Bitte denk nicht, dass ich etwas für dich aufgegeben habe, Fynn. Ich hab es eben schon gesagt. Du bist das wichtigste in meinem Leben. Und das wird auch keine Frau dieser Welt ändern können. Wir zwei, wir bleiben zusammen", meint Elias nachdem er sich vor Fynn gekniet hat.

Dieser sagt darauf nichts, drückt seinen Onkel lieber ganz fest an sich.

Die ganze Situation, Elias Geständnis, alles ist gerade so herzzerreißend. Und schon fange ich wieder an zu weinen.

Auch flirten will gelernt seinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt