12
Samstag
Pünktlich um acht Uhr sitze ich mit den anderen Teilnehmern im Kursraum und warte, dass Elias endlich kommt. Heute ist schließlich Tag zwei des Flirtkurses. Ich habe eine riesige Lust. Nämlich keine.
Die letzten Tage waren so anstrengend, dass ich mich schon mal über einen ruhigen Samstag gefreut hätte.
Jetzt sitze ich hier und bin gespannt, was der Herr Psychologe heute mit uns vorhat.
„Guten Morgen. Schön das ihr alle wieder da seid. Heute will ich mehr von euch wissen. Nicht nur das übliche, oberflächliche. Ich möchte, dass ihr in euch geht und mir erzählt, was für Ängste ihr habt. Wir fangen mit euch an", meint Elias und zeigt auf die Männer. „Da ich euch nicht gleich ins kalte Wasser werfen möchte, schlage ich vor, wir machen das in Einzelgesprächen. Danach treffen wir uns wieder hier und machen weiter. Schließlich hattet ihr eine Hausaufgabe auf". Elias geht mit Markus vor die Tür. Mal sehen ob er nach diesem Gespräch noch immer so selbstsicher ist.
„Und wie war deine Woche?", fragt Oliver und grinst mich an. Mir ist klar was er versucht. Mit mir zu flirten. Aber ist er erstens nicht mein Typ und zweitens kann ich das nicht. Mich wundert es ja noch immer, dass ich so frei mit Elias reden kann,
„Stressig", antworte ich lediglich und bin sehr froh, als Markus wieder zu uns kommt.
Eigentlich wäre jetzt ein weiterer der Männer dran, aber ich dränge mich einfach vor. Egal was Elias jetzt sagen wird. Hauptsache ich bin da raus.
„Das ist eine Überraschung. Ich dachte eigentlich immer, du wärst eine Frau", sagt Elias grinsend, deutet aber dennoch auf den leeren Stuhl neben ihm.
„Ich musste da raus", gebe ich zu und sehe ihn abwartend an. Wir haben uns seit Dienstag nicht mehr gesehen. Wir haben bis Abends noch alle Möbel aufgestellt und das Haus schön dekoriert. Wobei letzteres an mir hängen geblieben ist.
„Alles gut. Wenn ich ehrlich bin, rede ich auch viel lieber mit dir". Ich sehe ihn lächelnd an. „Na dann, leg mal los. Was beschäftigt dich. Nein, ich frage eher so: Was hast du erlebt, dass du so unsicher bist? Ich hatte ja nun ein paar Gelegenheiten dich zu beobachten. Sofern du dich nicht beobachtet fühlst, bist du ganz entspannt. Aber wenn jemand bei dir ist, verspannst du dich. Viele würden das vielleicht nicht bemerken, aber es ist immerhin mein Job". Elias sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
Verdammt, er macht seinen Job richtig gut.
„Da muss ich dir wohl zustimmen. Ich will es immer jedem Recht machen, auch wenn ich weiß, dass mich das sehr stresst".
„Nicht nur das, Caro. Wenn du so weiter machst, machst du dich fertig". Elias sieht mich an. Guckt er mich gerade besorgt an? Nein, das kann nicht sein. Wieso sollte er sich Sorgen um mich machen?
„Du weißt noch nicht alles von mir. Auch wenn ich mir hier nicht wie in einem Flirtkurs vorkomme, werde ich es dir erzählen". Wenn mich einer verstehen kann, dann wohl er.
„Ich werde dir zuhören", meint er und bestärkt mich in meiner Entscheidung.
„Ich rede darüber nicht sehr gern. Aber wahrscheinlich bedrückt es mich mehr als es sollte. Mein Vater ist eigentlich nicht mein Vater. Also nicht mein biologischer. Mit zwölf wurde ich von ihm adoptiert, nachdem er meine Mutter geheiratet hat. Mein Erzeuger, wie ich ihn nenne, wollte mich nicht. Er hat sogar von meiner Mutter verlangt abzutreiben".
Elias sieht mich mit großen Augen an. „Magst du weiter erzählen?". Ich nicke und atme tief durch.
„Sie hat sich dann wohl von ihm getrennt und bald einen neuen Partner kennengelernt. Bei ihm habe ich es immer zu spüren bekommen, dass auch er mich nicht so mochte. Ständig hat er über alles gemeckert. Nichts konnte ich richtig machen. Wahrscheinlich versuche ich deshalb immer alles richtig zu machen. Als ich acht war, hat sie sich von ihm getrennt und ich wollte unbedingt meinen Vater finden. Ich hatte wirklich Hoffnung, dass er mich doch lieben würde. Na ja. Das ist bis heute nicht eingetreten. Mit zehn habe ich ihn getroffen. Er meinte damals, dass er auf keinen Fall Geld für mich übrig hätte, schließlich wollte er mich ja nie. Er hat sich nie wieder gemeldet. Aber für mich war es schlimm. Meine Mutter hat zwar alles gegeben auch den Vater zu ersetzten, aber das geht ja nicht. Irgendwann hat sie dann den Mann geheiratet, der mich adoptiert hat. Endlich hatte ich eine richtige Familie und einen Vater der mich geliebt hat. Allerdings hat es nicht lange gehalten. Ein paar Monate nach der Hochzeit hatten beide einen schweren Autounfall und sind gestorben. Ich habe mir jahrelang Vorwürfe gemacht. An dem Tag des Unfalls hatten Mama und ich einen schlimmen Streit. Ich habe ihr gesagt, dass ich sie hasse und nie wieder sehen will. Dann war sie tot. Ich kam dann zu Clara und ihren Eltern. Ihre Mom war die Schwester meiner Mutter. Vielleicht habe ich deswegen so einen guten Draht zu Fynn" Ich nehme mir ein Taschentuch und trockne meine Tränen. Endlich mal mit jemandem darüber zu reden, der damals nicht dabei war, ist befreiend. „Oh Gott, Caro. Das tut mir unendlich leid. Du hast ja mehr Ballast zu tragen, als ich vermutet habe. Jetzt verstehe ich auch, wieso du emotional auf die Geschichte von Fynn reagiert hast. Ihr habt beide das gleiche erlebt. Was hältst du davon, wenn wir hier einen Cut machen und du irgendwann in meine Praxis kommst. Wir können dort vielleicht noch ein paar Gespräche führen. Natürlich nur wenn du das willst", schlägt er vor. Und ich finde die Idee gar nicht so schlecht.
„Gerne", sage ich zustimmend und nicke.
„Gut, dann kannst du rüber gehen und Leon zu mir schicken".
Ich nicke erneut und verlasse den Raum. Nachdem ich Leon zu Elias geschickt habe, mache ich mich auf den Weg zur Toilette. Ich habe bestimmt total verquollene Augen.
DU LIEST GERADE
Auch flirten will gelernt sein
RomanceAuch flirten will gelernt sein Gefühle. Herzflattern. Aufregung. Nervosität. Das alles passiert mit Carolin sobald sie auf den attraktiven Ole Nilsson trifft. Und das passiert sehr häufig, kommt er doch fast täglich in ihr kleines Café auf der...