Kapitel 18

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Entgeistert schauen wir Lori an. Nach so einem Anfall setzt sie sich einfach wieder hin und tut so, als wäre nichts gewesen.

Sie schaut uns verwirrt an. „Ist etwas?", sie beugt sich vor und flüstert: „Hab ich was zwischen den Zähnen?" Dann zwinkert sie uns zu und winkt eine Mitarbeiterin zu uns.

Sie bestellt Nigiri mit Lachs und Tamagoyaki belegt. Gaël und ich bestellen Fugu-Sashimi.

Das Essen ist vorzüglich, wenn auch nicht ganz günstig. Lori bezahlt für unser Essen und wir machen uns langsam auf den Nachhauseweg.

Wir kommen bei Gaël an, als es gegen halb Neun ist. Er bedankt sich für das Essen und will sich gerade auf den Weg machen, da klopft es an der Fahrerscheibe. Eine hübsche Frau steht am Fenster und lächelt zu Gaël und Lori.

Gaël errötet während Lori die Fensterscheibe herunter lässt.

„Lori, ach wie lang haben wir uns nicht mehr gesehen! Wie gehts dir?"

Lori's Wangen röten sich vor Freude. Die beiden Frauen scheinen alte Bekannte zu sein. „Cynthia, gut siehst du aus! Nun, seit Gaël läuft wie ein Prinz des Eises, immer besser."

„Er hat schon was angedeutet, dann ist es also wirklich so? Mein Engel läuft wieder wie früher?"

Bei diesem Kosenamen wird Gaël total rot. Er vergräbt das Gesicht in den Händen und beginnt zu quengeln: „Mom, du sollst mich vor Anderen doch nicht so nennen!"

Also ist es seine Mutter. Jetzt sehe ich auch die Ähnlichkeiten der beiden. Gaël hat die Augen seiner Mutter und das strahlende Lächeln teilen sie sich auch. Wobei das von Gaël noch bezaubernder ist. Sie hat aber hellere Haare als er. Die muss er wohl von seinem Vater haben, wo dieser wohl ist? Bei Gelegenheit werde ich Gaël danach fragen.

„Hab dich nicht so mein Kleiner, du wirst immer mein Engel bleiben. Vorallem nach diesem vorzüglichen Essen, welches du gemacht hast.", Cynthia lächelt. Sie scheint eine überaus liebevolle Mutter zu sein. Sie fährt fort: „Wollt ihr nicht noch auf eine Tasse Tee oder so rein kommen? Es ist ja noch nicht spät und wir haben uns wirklich schon ewig nicht mehr gesehen Lori."

Lori schaut mich fragend an, als wolle sie wissen, ob ich auch möchte. Ich lächle sie an und sie deutet dies richtigerweise als ein ja.

„Wenn es keine Umstände macht, würden wir gerne noch auf eine Tasse Tee rein kommen." Lori schaltet den Wagen aus und zieht die Handbremse. Gurtet sich ab und öffnet die Fahrertür, nachdem Cynthia etwas auf die Seite getreten ist.

Die beiden haken sofort die Arme ein und gehen plappernd den Weg zum Haus hinauf. Gaël ist auch schon ausgestiegen und nimmt gerade seine Sporttasche aus dem Kofferraum. Er schliesst die Tür wieder und das Auto sperrt automatisch ab. Gemächlich gehe ich neben ihm den Weg zum Haus. Er wirkt beschämt.

„Und das. Das war meine Mutter." Er wird rot und richtet seinen Blick auf den Weg vor ihm, als würde er nach etwas suchen. Ich betrachte ihn schweigend, weiss nicht was ich antworten soll.

Er öffnet mir die Haustür und lässt mich zuerst eintreten. Im Inneren höre ich schon einen Wasserkocher pfeifen. Die beiden erwachsenen Frauen labern ohne Punkt und Komma.

„Gaël, Schuhe ausziehen und Hände waschen.", ruft seine Mutter aus der Küche.

„Noë für dich das gleiche!" Lori's Stimme hört sich belustigt an. Ich höre, wie die beiden loskichern und Gaël und ich schauen uns nur fragend an. Er schüttelt den Kopf, lacht leicht verzweifelt und zieht dann die Schuhe aus. Ich tue es ihm nach und er zeigt mir wo die Küche ist. Lori und Cynthia sitzen am Küchentisch mit zwei dampfenden Tassen Tee. Wir waschen uns die Hände.

„Gaël, zeig Noë doch dein Zimmer. Ausnahmsweise darfst du da auch Tee trinken, eure Tassen stehen da drüben. Ich hoffe Pfirsich-Ananas Tee ist okay?"

Ich bejahe und gehe zu den Tassen. Gaël hält mir eine kleine Schale mit Zucker hin und ich gebe 2 Kaffeelöffel in den Tee. Mit dem Holzstäbchen, welches er mir hin hält, rühre ich den Tee ein paar mal um.

Ich nehme meine Tasse in die Hände, Gaël lächelt mich an und deutet mir mit dem Kopf an, dass ich ihm folgen soll. Er geht voraus, in den Flur, die Treppe hinauf und läuft dann direkt auf eine Tür zu. Ich nehme an, dass das sein Zimmer ist. Doch als er die Tür öffnet, befindet sich darin das Bad.

„Falls du mal musst.", kichert er frech.

Ich erröte, irgendwie ist es mir unangenehm, doch Gaël kichert nur noch mehr.

„Ich zeig dir jetzt mein Zimmer, vielleicht verschwindet dann die Röte in deinem Gesicht etwas."

Ich schaue gespielt beleidigt, strecke ihm die Zunge raus und er starrt mich schockiert an. Ich nehme einen Schluck Tee, um mein Lächeln zu verbergen, doch Karma schlägt direkt zu und ich verbrenne mir die Zunge.

Gaël steht schon vor einer anderen Tür und wartet geduldig darauf, dass ich mich zu ihm geselle. Er öffnet die Tür und meine Kinnlade klappt runter. Sein Zimmer ist ein Traum! Sofort springt mir der Konzertflügel in die Augen. Weiss, mit goldenen Verzierungen, welche Ranken darstellen und sich über den gesamten Korpus schlängeln. Danach das gigantische Boxspringbett. Es ist schwarz wie die Nacht, ebenfalls mit goldenen Ranken auf dem Bettbezug und auf jeder Seite einen hölzernen, eleganten Nachttisch. Sein Schreibtisch ist unaufgeräumt. Bücher, Hefte und sonstige Papiere teilen sich die grosse Ablagefläche. Auf seinem Bürostuhl liegen Pullover, Socken und Unterhosen achtlos herum. Unter anderem auch die süssen Flamingoboxer von letztens.

Ich kichere und deute auf die Unterwäsche. Gaël läuft rot an und versteckt sie schnell unter einem Pullover, der ebenfalls auf dem Stuhl liegt.

„Dein Zimmer ist wundervoll!", gebe ich, immernoch staunend, zu. „Der Flügel ist hinreissend und elegant. Der muss ein Vermögen gekostet haben."
Verlegen kratzt sich Gaël am Kopf. „Den hat meine Mom mir geschenkt, weil sie kaum Zuhause ist. Sie ist Anwältin und arbeitet deswegen oft länger."

Wie er wohl spielt? Ein begnadeter Eiskunstläufer ist er schon, also ist er vielleicht genau so gut am Flügel.
„Gaël, würdest du mir etwas vorspielen?" Er schaut mich an, abschätzend, ob er es wirklich tun soll. Am Ende nickt er dann zustimmend,  stellt seine Tasse auf einen Nachttisch und setzt sich dann an den Flügel.
„Du kannst dich ruhig setzen, oder dich auf mein Bett legen." Gaël lächelt mich an. Er öffnet den Deckel und beginnt zu spielen. Ich erkenne die Melodie schon nach den ersten Tönen und lege mich aufs Bett. Den Kopf auf meinen Armen ruhend, lausche ich Gaëls Version von ‚Hold on'. Mein Lieblingslied.
Wie erwartet ist er auch ein Talent, was Piano bzw. Flügel spielen betrifft. Als das Lied endet, bin ich etwas traurig und auch enttäuscht.
„Das war wunderschön Gaël.", gebe ich ehrlich zu.
Er lächelt schüchtern. „Dann hat es dir gefallen?" - Ich nicke und er atmet erleichtert aus.
„Es ist mein Lieblingslied und heisst..", ich unterbreche ihn sanft und beende seinen Satz: „Hold on von extreme Music. Es ist auch mein Lieblingslied."
Seine Augen werden gross und es sammeln sich Tränen darin. Erschrocken setze ich mich auf und da läuft Gaël auch schon auf mich zu, wirft sich auf mich und vergräbt sein Gesicht schluchzend an meiner Brust. Ich wiege ihn sanft hin und her, flüstere ihm zu, dass alles wieder gut wird und Das obwohl ich nicht einmal weiss was ihn beschäftigt. Irgendwann schläft er ein, sein Gesicht immernoch auf meiner Brust und ich lausche seinen gleichmässigen Atemzügen. Auch ich drifte langsam weg, Gaël mag kleiner sein als ich und doch hat er mich im Training heute fertig gemacht, zumindest was das Stehvermögen angeht.

Und plötzlich ändert sich Alles..Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt