~Kapitel 7~

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Ich seufze auf. "Wir haben einen identischen Stundenplan." Und schon laufe ich davon, ohne auf ihn zu warten.

Karma ist heute wirklich scheisse zu mir. Als wäre es nicht schon genug - dass Noë meine Klasse belegt - muss er natürlich noch alle Fächer, die Klassenunabhängig sind, mit mir zusammen haben. Zu allem Überfluss kommen wir zu spät in Politik und Mrs. Methew schaut mich böse an.
"Herr Streiter, Sie sind zu spät. Mal wieder!"
Ich will gerade eine Ausrede erfinden, doch bevor ich etwas sagen kann, beginnt Noë schon zu reden.
"Tut mir leid Ma'am, das ist meine Schuld. Ich bin erst seit heute auf der Schule und Gaël musste mir helfen, mich zurecht zu finden. Es wird nicht mehr vorkommen.", entschuldigend lächelt er Mrs. Methew an und sie blickt ihn voller Argwohn an.
Auf einmal wird ihr Blick sanft und sie lächelz zurück. "Sie sind dann bestimmt Mr. Rich. Es freut mich, einen Jungen mit Anstand in meiner Klasse zu haben."
Was zum ... ? Wie hat er es denn geschafft die Olle so rumzukriegen?
An mich gewandt sagt sie nun, etwas grober - aber dennoch freundlich - : "Mr. Streiter, für heute drücke ich ein Auge zu. Was Sie anbelangt Mr. Rich; Bitte schauen Sie, dass Mr. Streiter und Sie nicht mehr zu spät kommen. Und jetzt setzen Sie sich, ich möchte mit dem Unterricht beginnen."
Noë und ich begeben uns in die hinterste Reihe. Ich an meinen Stammplatz, direkt am Fenster und er setzt sich rechts von mir hin.
Die ganze Stunde schweige ich ihn an, rede nur in Partnerarbeiten mit ihm und beschränke mich auch da auf die nötigste Kommunikation.
Die Stunde geht schleichend voran, während Mrs. Methew über den neuen amerikanischen Präsidenten spricht und die möglichen Folgen von Trumps Wahl.
Als es klingelt, bin ich - wie immer - der Erste, der aus der Tür geht. Mit schnellen Schritten laufe ich zu meinem Schrank, gebe die Zahlenkombination ein und verstaue meine Bücher. Ich greife mir meine Sportsachen und knalle die Tür wieder zu. Aus dem Schulgebäude heraus, laufe ich in Richtung Turnhalle, da ich die grosse Pause für mich haben will. Leider geht die Rechnung nicht auf und Noë taucht neben mir auf.
Er sagt nichts, ich sage nichts. Wir gehen einfach schweigend nebeneinander her und jeder hängt seinen Gedanken nach.
Auf dem Weg zur Halle, schiele ich immer wieder zu Noë, denn eigentlich sieht er ja wirklich gut aus und sportlich ist er auch. Aber als würde er dasselbe auch über mich denken, als würde er mich überhaupt mögen. Bestimmt ist das alles mit Joel abgesprochen, um mich am Ende noch mehr fertig zu machen. Deswegen darf ich mich nicht auf ihn einlassen, um keinen Preis der Welt.
Wieder schiele ich zu Noë und merke, dass er dasselbe getan hat. Mit geröteten Wangen wende ich den Blick ab und gehe ein bisschen auf Abstand. Auch er schaut peinlich berührt weg, mir fällt auf, dass er irgendwie angespannt wirkt. Soll ich ihn darauf ansprechen?
'Ja', schreit das Herz.
'Nein', entgegnet der Kopf.
Ich ringe mit meinen Gedanken, als plötzlich Noë neben mit stolpert und Richtung Boden kippt. Ich versuche, ihn vom Sturz zu retten indem ich meine Arme vor seine Brust strecke und ihn auffange. Das geht jedoch schief und ich kippe ebenfalls um. Schmerzerfüllt stöhnt Noë unter mir auf, auch meine Arme tun weh.
"Gaël? Alles in Ordnung bei dir?" - "Du liegst auf meinen Armen.", presse ich hervor und sofort verschwindet das Gewicht. Noë richtet sich mühsam auf und hilft mir dann auch hoch. "Es.. Tut mir leid, hab nicht aufgepasst. Ich hoffe deine Arme tun nicht zu fest weh.." Irgendwie schon süss, wie er sich hier entschuldigt. Ich schaue hoch und unsere Blicke treffen sich, unwillkürlich verliere ich mich wieder in diesen Augen und lächle sanft. "Halb so schlimm, tut schon gar nicht mehr weh. Aber wie geht es dir?" Ich fasse an seine Wange und er zuckt zusammen. "Passt schon, nur ein bisschen aufgeschürft." Jetzt lächelt auch er. Ich realisiere, was ich eigentlich mache und ziehe meine Hand wieder zurück.
Ich drehe mich um und mit dem Rücken zu Noë sage ich nur: "Wir müssen weiter.", und schon laufe ich wieder los.
Es tut weh Noë so stehen zu lassen, aber es ist besser für uns beide. Ganz bestimmt. Es muss einfach so sein.
Er holt wieder zu mir auf und wir gehen schweigend unseren Weg.

Wichtig:
Alle Schüler kommen heute bitte in die Eishalle! Es findet ein ausserordentlicher Unterricht statt!
-Tobler

Bitte nicht. Mein Leben kann mich doch nicht noch mehr bestrafen! 'ausserordentlicher Unterricht' in der Eishalle, ich könnte fast wetten, dass Lori da ihre Finger im Spiel hat und es Noë und mir verheimlicht hat.
"Also hats die Verrückt tatsächlich gemacht.", murmelt Noë neben mir. Geschockt starre ich ihn an. "Was getan?" Er seufzt auf und antwortet: "Sie hat mir erzählt, dass sie uns vor der Klasse laufen lassen will. Ich hätte niemals gedacht, dass sie das durchziehen wird."
Sie will WAS?
Weiss Lori denn nicht, dass ich vor dieser einen Person nicht mehr laufen kann, dass ich seinetwegen aufhören wollte und manchmal immernoch will? Ich habe es ihr damals doch erzählt und sowas vergisst man doch nicht, oder etwa schon?
Nein, das ist ein Missverständnis, es muss ein Missverständnis sein!
"Gaël? Gaël?!", Noë schaut mich besorgt an. "Alles okay?" - "Mhmm, ja, alles okay..", murmle ich abwesend. Er greift mich bei der Hand und lächelt sanft. "Lass uns gehen."

Und plötzlich ändert sich Alles..Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt