Kapitel 2.2

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Jetzt saß ich wieder in unserem Zimmer auf meinem Bett und schrieb an meinem Laptop eine E-Mail. Schließlich mussten meine Eltern ja auch über den Lauf der Dinge informiert werden. Ich hätte sie auch einfach anrufen können, aber da ich mit meinen Eltern noch nie so wirklich gut klar gekommen war, war mir die Kommunikation über Mail lieber. So konnte meine Mutter nicht über meinen Tonfall oder mein Vietnamesisch meckern und ich hatte alle Zeit der Welt um meine Worte zu wählen.

Ich glaube jeder kennt das Klischee von asiatischen Eltern. Die Noten müssen stimmen, die Kinder müssen wohlerzogen sein und nichts darf den Schein der perfekten Familie trügen. Das mein Vater zusätzlich noch eine große Firma besaß, steigerte den Druck, der auf mir lastete, erheblich. Er war auch der Hauptgrund, weshalb ich auf ein Internat verfrachtet würde.

Als ich noch kleiner war, hatte man mein Fehlen bei Geschäftsessen damit entschuldigen können, dass ich noch ein kleines Kind war und um diese Zeit längst im Bett läge und schliefe. Dies erweckte nebenbei auch noch den Eindruck einer perfekte Erziehung. Bis zu meinem 10. Lebensjahr stimmte diese Aussage sogar, dann aber wurde sie nur noch als Ausrede genutzt, um nicht das kleine unerzogene Mädchen in Jungsklamotten mitbringen zu müssen. Vor 4 Jahren, mit 12 hatte ich mir dann zum ersten Mal die Haare blau gefärbt, weshalb meine ohnehin wenigen Auftritte in der Öffentlichkeit auf ein Minimum beschränkt wurden. Das Internat bot die beste Entschuldigung, um mich komplett aus dem öffentlichen Leben meiner Eltern zu entfernen. Wenn ich ganz ehrlich war störte mich das kein bisschen, ich hatte sowieso nie großen Spaß daran gehabt bei den Geschäftsessen meines Vaters dabei zu sein. Die Gespräche drehten sich ausschließlich um die Firma und das Essen schmeckte mir meistens auch nicht wirklich.

Ich beschloss Tyler anzurufen. Er war der Sohn eines der Partner meines Vaters und einer der wenigen Freunde, die ich besaß. Ich war noch nie die Art Mensch, die viele Freunde besitzt, was aber nicht hieß, dass ich mich nicht mit allen, die ich traf, gut verstand, ich war nur sehr spezifisch was Freundschaften anging. Wenn die Eltern viel Geld besitzen, dann lernt man schnell, dass es einige gibt, die einen nur um des Geldes Willen mögen. Tyler's Eltern hatten genauso so viel Geld wie die meinen, wir hatten große Teile unserer Kindheit miteinander verbracht und waren oft die einzigen Kinder bei den häufigen Geschäftsessen und so waren wir über die Jahre Freunde geworden. Allerdings sah ich ihn nicht oft, da er von seinen Eltern ebenfalls auf ein Internat verfrachtet wurde.

"Na Luc, wie ist dein Internat bis jetzt so? ", fragte mich Tyler gleich nachdem er das Telefonat angenommen hatte.

Als Junge liebt's sich leichterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt