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Trotz unseres Streits drehte die Welt sich rücksichtslos weiter.

Einige Minuten, Stunden, Tage und sogar Wochen vergingen und Yoongi und ich lebten uns allmählich auseinander.

Seitdem ich ihn angetrunken und alleine in seiner Wohnung zurückgelassen hatte, wechselten wir kaum noch Worte. In einigen Nachrichten hatte er seinen Fehler entschuldigt und doch war ich Idiot zu stur, um Gras über die ganze Sache wachsen zulassen. Wie ein Warnschild hatte sich das Snapchat Video in meinen Kopf gebrannt und ließ mich, oftmals auch Nachts, das komplette Gefühlschaos erneut durchleben.

Schließlich waren wir wieder dort angekommen, wo wir angefangen haben.

Die kalten Steintreppen auf dem Schulhof waren plötzlich wieder meine einzigen Freunde und Yoongi's Fuß konnte ich aus der Ferne, wie zuvor auch, zum Takt seiner Musik wippen sehen.

Allerdings kam dies selten vor, denn das lästige Schulleben vermied ich so gut es ging.
Besser gesagt vermied ich ihn so gut es ging.

Ob es seine besorgten Blicke waren, die er mir ständig an den Kopf warf oder doch die unauffällige Art meine Nähe zu suchen, ich wusste es nicht.

Vielleicht war es auch sein bloßes Dasein.
Sein rechter Mundwinkel, der sich beim Musik hören zu einem kleinen Schmunzeln hob oder seine dünnen, schwarzen Haare, die dabei so wundervoll und sanft seine Stirn verdeckten.
Ich wusste es wirklich nicht.

Und so verschanzte ich mich stattdessen lieber im stockfinsteren Zimmer und versank in meinem erniedrigenden Selbstmitleid.
Das ganze steigerte sich meisten so stark, dass ich mich Abends, in Yoongi's Klamotten, in den Schlaf quälte.

Ich trug Yoongi's Shirt und Jogginghose seither ständig zum Schlafen. Irgendwie beruhigte mich der Geruch und die Klamotten ließen mich die so schön empfunden Geborgenheit nochmals fühlen.
Manchmal stellte ich mir sogar vor, Yoongi wäre an meiner Seite. Er würde dieses kleinmachende Alleinsein töten, egal in welcher Alltäglichen Situation.
Er wäre einfach da, bei mir.

Nachts würde er mit seiner Hand meinen Hinterkopf stützen, während der friedlich auf seiner Brust liegt. Er würde mit seinen Kochkünsten prahlen wollen, obwohl er zugegeben ziemlich schlecht im Thema Küche und Kochen ist. Das Kratzen seiner Bleistiftmine würde sich wieder wie Musik in meinen Ohren anfühlen. Und seine verträumte, niedliche doch bestimmte Art würde mein Herz wieder zum erblühen bringen.

Aber das war nicht so.
Yoongi war nicht da, und ich war allein.

Es war spät Abends und ich erwischte mich selber dabei, wie ich meine Fingernägel in die Handfläche kniff und mein Unterkiefer zitterte.
Nichtmal meine Gedanken konnte ich fassen, ohne meine Trauer zum Ausdruck zubringen.

In den letzten Tagen hatte ich unheimlich viel geweint. Oftmals wurden mir kleine Alltägliche Hürden zu viel und ließen mich in derbe Verzweiflung und Frust rutschen.
Auch mein Essverhalten geriet langsam aus Kontrolle. Hunger fühlte ich kaum noch und wenn ich ihn fühlte, dann richtig, sodass ich mich nach jeder Mahlzeit mit einem deprimierenden, schlechten Gewissen rumplagen musste.

Ich habe mir andauernd gesagt: ein Leben wie dieses möchte ich nicht. Alles ändern, dass war mein Ziel. Aber den Motivationsschub für diesen Mords Sprung bekam ich nie.
Vielleicht war er meine Motivation.
Und er fehlte mir. Wirklich.

Warum ich nicht einfach auf ihn zugehen konnte? Ihm verzeihen konnte?
Für viele ein Kinderspiel, doch für mich schwerer als allen Ballast der Welt zu tragen.
Ich bin wie eine Porzellanvase.
So unheimlich verletzlich und ängstlich, dass man mich schlecht behandelt und ich daran zerbreche.

Und ich fragte mich erneut.
Was hatte dieser Junge bloß mit mir angestellt?

Blumenjunge [ Yoonmin ]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt