can't

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Ich schlug mühsam meine Augen auf.
Unter meiner Zimmertür schob sich ein gelber Lichtstrahl mit schwarzen, schnell bewegenden Silhouetten hervor.
Um mich herum war es finster und angenehm warm. Die rot blickende Digitaluhr auf meinem Nachttisch zeigte mir sieben Uhr dreizehn an.

Nicht eine Minuten später öffnete sich ein kleiner Spalt meiner Tür.

„Jimin?" ,fragte meine Mutter vorsichtig.
Ich brummte, als ein Zeichen, dass ich sie wahrgenommen hatte.
„Du weisst, ich kann und möchte dich nicht zwingen." ,seufzte sie erschöpft. „Aber ich bitte dich heute nochmal in die Schule zugehen."
Genervt stöhnte ich auf.
„Warum ausgerechnet heute? Mir geht's wirklich schlecht."

Nun war es meine Mutter, die genervt aufstöhnte. Ich hatte sie verärgert.
„Nein Jimin, deine Ausreden kannst du dir sparen. Es kann nicht sein, dass du so dermaßen hilflos in deinem Selbstmitleid versinkst. Du verpasst die Welt.
Du verpasst die Chance, deine Jugend auszunutzen, all die dämlichen Dinge zu erleben, die dich später zum Lachen bringen werden. Versteck dich nicht in deiner dunklen, kaputten Welt. Gehe raus, finde dich selber."

Sie rieb sich kurz die Augen, ehe sie kehrt machte und mein Zimmer verließ.

-

Neugierige, schon fast abstoßende Blicke überkamen mich wie eine Welle aus Hass, als ich seit langem wieder über den altbekannten Schulhof streifte.
Sie verunsicherten mich. Machten mich wütend und ängstlich. Sie machten mich schwach.

Ich wollte in meine dunkle, kaputte Welt flüchten, in der mich niemand mit widerlichen Blicken nageln konnte.

Erneut musste ich mit den Tränen kämpfen. Dieses ekelhafte Starren sollte verdammt nochmal aufhören.

Unwohl ließ ich meinen dürren Körper auf die kalten Steinstufen sacken und stützte meine Arme auf meine angewinkelte Knie.
Mein Kopf suchte Schutz hinter ihnen.
Ich atmete tief ein, versicherte mir, es würde mich beruhigen.

Und irgendwie tat es das, denn ich nahm seinen Geruch wahr.
Ich trug den Parker, den er mir während unseres Streites mitgegeben hatte.

Es dauerte nicht lange, da bemerkte ich, wie mir jemand Gesellschaft leistete.

„Wenn du mich auch so bescheuerte anglotzen willst, dann Bitteschön. Ihr habt es sowieso schon geschafft mich zum Heulen zubringen" ,klagte ich sauer.
„Nein." ,sagte Namjoon knapp.
„Ich möchte, dass du mir zuhörst. Mehr nicht."

„Was an dem Samstag Abend passiert ist, hätte niemals passieren dürfen. Yoongi hat einen riesigen Fehler gemacht und er weis das.
Ich möchte mich entschuldigen. Nie hätte ich gewollt, dass durch meinen Egoismus gegenüber Jin, eine Beziehung zu Bruch geht.
Nur sollst du wissen, dass Yoongi über den langen Zeitraum kein einziges schlechtes Wort über dich verloren hat. Er hat dich auch in den härtesten Phasen verteidigt, deinen Abstand akzeptiert. Und das solltest du, auch wenn du bereits mit ihm abgeschlossen hast, schätzen, denn bis vor wenigen Wochen wusste ich nichtmal, dass Yoongi lieben kann. Noch nie habe ich diese fröhlich stimmende Art an meinem Freund erlebt. Ich konnte spüren, wie sich etwas in ihm gelöst hatte. Seinen Graul hatte er beiseite geschoben und Platz für die schönen Dinge geschaffen. Du hast ihm gezeigt wie es sich anfühlt sein Leben auszuprobieren, zu genießen und wert zu schätzen.
Er hat sich verändert, nein, du hast ihn verändert."

Namjoons Worte trafen mich wie eine Patrone ins Herz. Sie ließen meine Trauer und Verzweiflung nochmals hochkommen, doch im selben Moment fühlte ich unbeschreibliche Freude, weshalb ich nicht wusste, ob ich meine Tränen der Traurigkeit oder Glückseligkeit verantwortlich machen konnte.

Ich hatte ihm zeigen können, wie es sich anfühlt zu Leben.

Ich allein.

Wobei all die Jahre lang eine tiefe Unruhe in meiner Seele herrschte und ich nichtmal selber wusste, wie es sich anfühlte.
So richtig zu leben.

„Er verdient eine zweite Chance." ,sagte Namjoon ruhig und sah mir dabei direkt in die Augen. „Er verdient dich, Jimin."

Mein Herz war tonnenschwer und hing mir wie Ballast in der Brust.
Dann stand ich selbstbewusst auf, wischte mir mit meinem Ärmel die Augen trocken und drehte mich zu Namjoon. „Danke, aber für eine zweite Chance ist es nun zu spät."

Blumenjunge [ Yoonmin ]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt