IX

31 6 0
                                    

KAPITEL NEUN

Diary Entry.10
"Wie Menschen immer zu pflegen sagten: Man sieht immer nur die, die man sieht.
Und wenn dieser Satz im Grunde eigentlich absolut logisch und doch dämlich zugleich war, fragte ich mich jedes Mal aufs neue, wieso dein Blick dann auf mir hängen blieb."

•••

SEIT ICH DAS ERSTE MAL das Licht der Welt erblickte, war ich dazu verdammt, zu denen zu gehören, die hinter all den aufgeplusterten Menschen irgenwie versuchten, ihren Kopf noch so zu recken, dass man wenigstens eine einzelne Haarsträhne von ihnen sah.
Ich war unscheinbar und ich war unwichtig. Und es war in Ordnung für mich. Und ich wollte auch wirklich kein anderes Leben. Denn zu denen zu gehören, in dessen Schatten ich all die Jahre verweilt war, kam mir so unglaublich falsch und auch irgendwie egoistisch vor. Und seien wir einmal ehrlich: Wenn man ständig der Größte war, dann war es klar, dass dein Gehirn nicht mehr so viel her gab, nachdem es tausende Sonnenbrände erlitten hatte.

Und doch, als ich das erste Mal diesen Dorm betrat, lag dein Blick auf mir und schien sich nicht mehr lösen zu wollen. Und ich wusste nicht damit umzugehen, weil doch all die Jahre Blicke an mir abgeprallt waren, als umhüllte mich ein unsichtbares Schild.
Doch deine braunen Augen - mit solch einem warmen Schimmer, der einem umgab und so herzlich willkommen hieß, wie ich es erst selten erlebt hatte - verankerten sich in meinem Gedächtnis und wollten meine Gedanken nicht mehr in Ruhe lassen.

Und ich dachte wirklich, dass dein Blick nach kurzer Zeit wieder seinen Weg weiter gehen würde, so wie es doch die meisten taten. Doch wann auch immer ich mein Zimmer verließ, spürte ich dieses sensationelle Kribbeln, das mich vor jeglicher Beobachtung warnen wollte.

Und bald gehörte dieses Kribbeln zu meinem Alltag, denn selbst wenn ich mit dir sprach, schienen sich deine Augen jeden Farbklecks meiner doch eigentlich farblosen Iriden einzuprägen und jeden Zentimeter meines Gesichtes zu studieren.
Und man könnte meinen, es würde mir nach einer gewissen Zeit unangenehm werden, doch ich liebte diese stille Aufmerksamkeit des sonst so aufgeweckten jungen Mannes.

Danach ; ZikyungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt