Das Gelübde

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Wieder war es Abend geworden und Sophie lag friedlich in ihrem Bett.

"Dein Körper ist ein Tempel, ein Haus für die unsterbliche Seele. Gott will, dass du rein und unbefleckt bist. Lege ein Gelübde ab und verpflichte dich!"

Unverkennbar war es Surin, der da sprach. Noch immer vermochte er nicht, sich deutlich auszudrücken.

"Bereits im zarten Alter von acht Jahren habe ich selbst ein solches Gelübde abgelegt.", fuhr Surin fort.

Sophie war ein wenig genervt: "Jetzt sage doch bitte, was du genau meinst?"

"Kannst du mit dem Begriff der Keuschheit etwas anfangen? Ich bin mir nicht sicher, ob diese in eurer Zeit noch einen Wert darstellt."

Sie geriet nun langsam in Panik: "Meinst du, ich soll so wie eine katholische Nonne im Kloster oder ein Priester im Zölibat leben? 

Surin versuchte sie zu beruhigen: "Unberührt sollst du nur so lange bleiben, bis das heilige Sakrament der Ehe dich für das ganze Leben an einen Mann binden wird. Deine Jungfräulichkeit zu bewahren, das ist alles, worum ich dich bitte."

Danach verschwand der ungebetene Besucher so überraschend, wie er aufgetaucht war. Sophie blieb ratlos zurück. 

Samos würde Surin jetzt wohl für verrückt erklären und Sophie versuchte, wie Hui Tse es empfahl, gar nicht zu reagieren. Sie hatte sich erst ein einziges Mal in ihrem Leben küssen lassen und der Junge damals war so schüchtern, dass es nur zu einer ganz zarten Berührung der Lippen gekommen war. Sie war ein anständiges junges Mädchen und fühlte sich regelrecht beleidigt. 

Wenn sie jetzt plötzlich anfangen sollte, über Keuschheit nachzudenken, würde sie nicht genau das auf Ideen bringen, die ihr ohne Surins Worte nicht in den Sinn gekommen wären? Was ging dieses seltsame Geistwesen ihre Jungfäulichkeit überhaupt an? War das nicht pervers?


Die weisen WorteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt