Respekt

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„Bonsoir, comment ça va, Sophie, wie steht es um dein Gelübde, ma petite?"

Oh nein, das war Surins Stimme! Fast wäre sie friedlich eingeschlafen, aber daran war jetzt natürlich überhaupt nicht mehr zu denken.

„Dein armes Herz schwärmt für einen Jüngling, habe ich vernommen. Jetzt musst du stark und standhaft beiben, meine Kleine, ich bete für dich."

„Hör' sofort auf mit deinem schwachsinnigen Gesülze!", fuhr Sophie ihren Besucher ungewohnt barsch an.

Surin reagierte sehr seltsam: „Vernehme ich nun die Stimme des Widersachers? Das bist doch nicht du, meine Tochter, die hier zu mir spricht."

Sophie erwiderte: „Und ob ich das bin! Du gehst mir auf die Nerven und sollst verschwinden!"

Surin wurde sehr ernst und feierlich: „So hast du denn keinerlei Achtung vor mir, der dir nur Gutes will."

Das war das richtige Stichwort zur rechten Zeit: „Achtung habe ich wirklich keine vor dir, erst recht keine Hochachtung! Vielleicht Respekt, aber nur, weil ich auch ein wenig Angst vor dir habe. Was Aldous Huxley über dich geschrieben hat, habe ich inzwischen gelesen und glaube mir, ich weiß, was du damals in Loudun getan hast!"

Surin: „Nichts weißt du und Huxley ist ein Verleumder."

Sophie: „Ich meine, er ist ein Aufklärer und hat mir dabei geholfen, zu verstehen, wie ihr Jesuiten und Exorzisten die Ängste der Menschen geschürt und euch damit Respekt verschafft habt; Respekt ja, aber keine Achtung. Für mich gehört zur Achtung auch die Liebe. Wie soll ich euch lieben können, der nur Strenge und Verbote kennt?"

Bevor Surin endlich resignierte und verschwand, sprach er noch mahnende Worte: „Ich erkenne, dass du auf einen abschüssigen Pfad geraten bist und sehe die Klauen des Bösen nach dir greifen. Möge der Segen des Himmels mit dir sein und dich vor dem Schlimmsten bewahren!"

Das war wieder typisch für diese Nervensäge, dachte Sophie. Nach einer solchen Störung hatte sie mit dem Einschlafen nun wirklich Mühe.

Die weisen WorteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt