Die weisen Worte

Hypnagogie

Auditive hypnagoge Halluzinationen hat Sophie fast jeden Abend. Woher sie das weiß? Ein Arzt, der sie auf Veranlassung ihrer Mutter untersuchte, hat diese Diagnose gestellt.

Mehrere Aspekte sind in ihrem Fall ungewöhnlich. Zum einen ist es sehr selten, dass nicht nur in ganzen, gut verständlichen Sätzen halluziniert wird, sondern sich auch, wie es bei den "Geistwesen", die zu ihr sprechen, der Fall ist, komplexe Sinnzusammenhänge entwickeln. 

Sophies Wahrnehmungen gehen auch nicht in Traumszenen über, die sich im Schlaf fortsetzen, sondern meist verabschieden sich ihre "Besucher" und sie kann anschließend, oft sogar traumlos, in Ruhe durchschlafen. 

Hypnagogie ist ein praktisches Wort, dass jedoch wenig darüber aussagt, was Sophie tatsächlich erlebt. Immerhin haben sich Surin, Samos, Hui Tse, Matus und Blake ihr persönlich vorgestellt und ihre jeweiligen Ratschläge, Forderungen und philosophischen Gedanken in logisch nachvollziehbaren Worten dargelegt. Ihre Stimmen und der jeweilige Akzent, mit dem gesprochen wird, lassen sich immer genau unterscheiden. 

Sophie weiß jetzt, dass sie nicht verrückt ist, wie sie schon oft befürchtete, sondern nur eine der vielen von Hypnagogie betroffenen Menschen, wobei visuelle Phänomene noch häufiger vorkommen sollen als auditive. Jemals gesehen hat Sophie aber keinen ihrer fünf abendlichen Besucher.

Besonders gruselig ist für sie die Vorstellung taktiler Eindrücke, von denen der Arzt neben möglichen Geschmacks- und Geruchswahrnehmungen auch gesprochen hatte. Wenn Sophie jemals den Eindruck hätte, von einem ihrer heimlichen Gesprächspartner berührt zu werden, so wäre das kaum auszuhalten. 

Da das bis jetzt zum Glück jedoch nie vorgekommen ist, hat sie keine Angst und vertraut darauf, auch in Zukunft diese Gestalten weder leibhaftig sehen noch ihre Anwesenheit körperlich spüren zu müssen. Die Stimmen alleine empfindet sie inzwischen sogar als angenehm. Sie helfen ihr dabei, sich weniger einsam zu fühlen.