zehn

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Als ich am nächsten morgen aufwachte hatte ich immer noch was zu verdauen, was den gestrigen Abend anging. Das war vermutlich der größte Zufall der hätte passieren können. Als ich mich daran erinnerte, wie ich Leon das erste mal bei Facebook suchte musste ich anfangen zu grinsen. Da hätte ich ja lange suchen können. 

Den Rest des Tages packte ich meine Sachen für die zwei Wochen, die ich bei meinen Eltern verbringen würde. Vor allem packte ich bequeme Leggings, dicke Socken und dicke Pullover ein. Mein Unizeugs dagegen ließ ich absichtlich, genauso wie es war, auf dem Schreibtisch liegen. Ich war gegen frühen Nachmittag fertig mit packen und bevor ich mich anzog, packte ich noch schnell mein Ladekabel und Laptop in eine meiner zwei Taschen. Ich wusste gar nicht wieso, aber plötzlich war es ganz schön viel geworden, was ich noch alles mitnehmen wollte.

Dann war es endlich so weit. Da ich leider kein Auto besaß schleppte ich mich bis zur nächsten Bahnstation fast dumm und dämlich. Verschwitzt setzte ich mich in die Bahn und bereute meinen Lagenlook sofort, das Problem war bloß, dass draußen ein eiskalter Wind tobte.  Ich lehnte meinen Kopf an die Scheibe und konnte es kaum erwarten anzukommen. Doch zwischen mir und meiner Familie lagen jetzt noch sicherlich drei Stunden. Ich musste zuerst von meiner Wohnung zum Bochumer Hauptbahnhof, wo ich in den Zug nach Dortmund umstieg. Von da aus ging es weiter nach Bremen und anschließend müsste ich nochmal eine kurze Strecke fahren um in dem kleinen Dorf, in dem ich so liebevoll aufgewachsen bin, ankam. Und vor allem bei diesem Wetter war es anstrengend. Drinnen war es überall pochend heiß und draußen haute einen immer wieder der Wind um. Nach gefühlten Ewigkeiten kam ich endlich beim Bahnhof in unserem Dorf an und stand bibbernd draußen. Es dauerte nicht lange da sah ich zwei Scheinwerfer eines schwarzen SUV auf mich zu kommen. Da es mittlerweile schon dunkel war, konnte ich mir erst sicher sein, dass es wirklich unser Auto war, als ich das Nummernschild sah. Meine Mutter hatte gerade erst den Motor ausgeschaltet als sie schon ausstieg und auf mich zu lief. "Liv" rief sie aufgeregt und zog mich in eine lange Umarmung. Ich ließ meine Taschen fallen und erwiderte die Umarmung. "Oh lass dich ansehen" sagte meine Mutter aufgeregt und ich ging überrumpelt einen Schritt zurück. "Gut siehst du aus. Könntest ein bisschen dünn geworden sein. Aber das kriege ich schon wieder hin" zwinkerte sie und hob gleichzeitig meine Taschen vom Boden auf, die sie anschließend in den Wagen warf. "Komm wir fahren Heim. Dein Vater und deine Schwester sind schon ganz aufgeregt." Ich kam kaum zu Wort, deshalb entschloss ich mich dazu einfach nur zu nicken und mich in den Wagen zu setzen. Ich erschrak etwas als die Sitzheizung auf fünf gestellt war und drehte sie sofort etwas runter. Man könnte meinen meine Mutter meinte es manchmal etwas zu gut mit mir. "Jetzt erzähl wie ist es dir in den letzten Monaten ergangen?" Meine Mutter sah einmal kurz zu mir und anschließend konzentrierte sie sich wieder auf den Verkehr. "Gut" grinste ich und schüttelte unglaubwürdig meinen Kopf. "Es ist ja nicht so, als hätten wir gar kein Kontakt gehabt Mum" lachte ich jetzt etwas lauter und rieb meine kalten Hände aneinander. "Ja aber über dieses ganze WhatsApp ist es ja nicht das gleiche, als würde ich meine Mädchen bei mir haben." Ich sah zu Mama, die selig ruhig lächelte doch ich könnte schwören etwas Trauer in ihrer Stimme rausgehört zu haben. Immerhin sind beide ihrer Töchter über 300 Kilometer weit weg gezogen. Ich nach Bochum und meine zwei Jahre ältere Schwester Ronja nach Berlin. 

Es dauerte keine zwei Minuten mehr, da betrat ich endlich die Tür zu meinem Elternhaus. Home sweet home. "Liiiiiv" hörte ich meine Schwester Ronja schon von weitem schreien und ich öffnete automatisch meine Arme. Ronja war zwar älter als ich aber dafür auch einen ganzen Kopf kleiner. Ich nahm sie fest in den Arm und ließ sie erst wieder los, als mein Vater vor mir stand. Und auch ihn umarmte ich eine ganze Weile. Als ich los ließ nahm ich noch Daniel, den Verlobten meiner Schwester, in die Arme. Jetzt hatte ich alle einmal durch. "Wir haben uns so viel zu erzählen" kicherte Ronja und zog mich mit in die Stube. Und so saßen wir stundenlang da. Eingekuschelt auf dem Sofa, mit einem Tee oder Kakao in der Hand. Redeten über alles mögliche. Ich erzählte wie es in meinem Studium so lief und auch was ich so unternahm. Ronja und Daniel erzählten mir aufgeregt von den ersten Hochzeitsplänen und die Fröhlichkeit der beiden war zu ansteckend. Ich musste die ganze Zeit mit grinsen. Ich war so froh, dass meine Schwester jemanden so herzlichen kennengelernt hat, wie Daniel. 

Die nächsten zehn Tage vergingen nicht anders. Wir aßen und tranken, spielten Spiele, saßen unter dem Weihnachtsbaum, gingen spazieren und vergossen Tränen vor Lachen. Lange nicht mehr hatte ich so viel Spaß an den Feiertagen. Am zweiten Weihnachtstag verabschiedeten sich Ronja und Daniel von uns, um noch Daniels Familie zu besuchen und auch ich schaffte es einige bekannte Gesichter von damals wieder zu sehen. Trotzdem ging die Zeit viel zu schnell rum und ehe ich schauen konnte saß ich schon wieder, im neuen Jahr, in meiner kleinen Wohnung in Bochum und saß seufzend an meinem Schreibtisch als ich auf mein Unizeugs blickte.

Idk LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt