"Konfrontation"

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Es war still am Essenstisch der Mukamis, nur ab und zu klapperte das Besteck. Es wurde nur wenig geredet, aber dennoch herrschte eine friedliche Atmosphäre. Als Ruki das Mittagessen für beendet erklärte, räumten sie gemeinsam den Tisch ab.
„Yuma …“, begann Azusa da und sah seinen älteren Bruder an, in seinen Händen hielt er einen Stapel Teller. „Wer war eigentlich … dieses Mädchen … das Hime und ich … heute Morgen … getroffen haben?“, wollte der Schwarzhaarige neugierig wissen.
„Ihr habt sie getroffen?“, wiederholte Yuma überrascht, fast schon alarmiert.
„Nur kurz, sie hat sich wohl in der Tür geirrt“, erklärte Azusas Freundin Hime anstelle von Yumas Bruder und nahm das benutzte Besteck an sich. Dann hielt das Mädchen einen Augenblick lang inne. „Sie sah … ziemlich fertig aus“, meinte sie dann. „Sie war so schnell wieder weg, dass wir sie nicht mehr fragen konnten, wer sie ist und was los ist.“
„Dann … warst das wirklich du … der sie hierher … gebracht hat …“, kombinierte Azusa.
„Tch“, machte Yuma, als ihm klarwurde, dass sein kleiner Bruder ihn gewissermaßen ausgetrickst hatte, und er wandte den Blick ab. „Ja und?“, fragte er dann säuerlich.
„Sie sah aus wie auf der Flucht“, erklärte Hime.
„Wer?“, wollte da Noriko wissen, die gerade aus der Küche zurückkam.
„Das Mädchen, das Yuma gestern mit hierher gebracht hat“, erklärte Hime knapp.
Noriko sah Yuma entsetzt an, dann schluckte sie und ihre Mimik war nur schwer zu deuten. „Du hast …? Das … Nein. Yuma!“, rief sie dann plötzlich anklagend aus.
Yuma knirschte sichtlich mit den Zähnen. „Was soll das?“, wollte er verärgert wissen. „Könnt ihr beiden Weiber euch nicht einfach um euren eigenen Kram kümmern?“
„Nein“, erwiderten die Mädchen wie aus einem Mund.
Da trat Kou von hinten an Noriko heran und umschlang ihre Taille mit beiden Armen, legte das Kinn auf ihrer Schulter ab. Ein wissendes Grinsen lag auf seinem Gesicht, er wusste ganz genau, dass weder seine noch Azusas Freundin jetzt noch von dem Thema ablassen würden. Und das wiederum roch nach einer unterhaltsamen Auseinandersetzung.
„Was hast du getan, Yuma?“, wollte Hime nun forschend wissen.
Yuma sah Hime nur ungläubig an. „Hah? Soll ich hier jetzt vielleicht mein Sexleben vor dir ausbreiten oder was?“ Er schnaubte. „Ich glaub’s ja nicht.“ Er schüttelte den Kopf. „Sie war dicht und hat es nicht anders gewollt, okay? Seid ihr jetzt zufrieden?“
Während Noriko sich unbehaglich auf die Unterlippe biss und ihre Hände auf die von Kou legte, fasste sich Hime nur mit einer Hand an die Schläfe. Kou kicherte vergnügt, während Azusa der merkwürdigen Konversation nur stumm beiwohnte.
„Also hast du gestern mit ihr Sex gehabt?“, wollte Hime nun ungeniert wissen.
„Hime …“, murmelte Noriko leise, doch das interessierte die andere nicht.
Yuma starrte mit vor der Brust verschränkten Armen finster auf die Schwarzhaarige herab. „Willst du sterben?“, fragte er bedrohlich zurück.
„Nein“, erwiderte Azusas Freundin vollkommen gefasst. „Aber du hast offensichtlich mit einem betrunkenen Mädchen geschlafen und …“ Sie atmete kurz tief durch. „Das ist widerlich, okay? So verstört, wie die Arme heute Morgen ausgesehen hat … will ich mir gar nicht ausmalen, was gestern alles passiert ist.“
„Azusa, pfeif’ endlich dein Haustier zurück!“, grollte Yuma finster.
Azusa sah seinen älteren Bruder an. „Sie ist nicht … mein Haustier“, erwiderte er, trat dann aber dennoch auf das Mädchen zu. „Hime …“, sagte er leise. „Hör’ auf … ihn wütend … zu machen. Bitte.“ Er tastete nach Himes Hand. „Ich möchte nicht … dass ihr euch streitet.“
„Es geht mir nicht darum, ihn zu provozieren“, erklärte Hime mit fester Stimme und verschränkte nun ebenfalls die Arme. „Ich kann doch nicht einfach wegschauen, wenn Yuma …“ Was auch immer sie hatte sagen wollen, sie schluckte es herunter. „Es gibt nichts Schlimmeres, als wie Vieh behandelt und missbraucht zu werden. Das ist alles, okay?“
Yuma seufzte schwer und musste sich doch sehr zusammenreißen, um nicht die Beherrschung zu verlieren und irgendetwas in seinem näheren Umfeld zu zertrümmern.
Alles hatte sich verändert, seitdem diese beiden Mädchen da waren. Sie waren ständig bei ihnen zu Hause und Yuma konnte sie nicht zum Schweigen bringen, weil sie seinen beiden Brüdern etwas bedeuteten und sie ihm niemals erlaubt hätten, Hand an ihre Freundinnen zu legen. Verdammt seien sie, vor allem die ältere der beiden, die so unglaublich vorlaut war. Die Kleinere war noch in Ordnung, Kou schien sie einigermaßen erzogen zu haben.
„Hey, Yuma-kun“, mischte sich nun auch Kou ein und richtete sich hinter Noriko wieder zu seiner vollen Größe auf, an seinem Grinsen war deutlich zu erkennen, dass er nichts Konstruktives zur Debatte beitragen würde. „Ich habe es ja immer gewusst, dass du eifersüchtig bist“, neckte er den Größeren gleich darauf.
Yuma schenkte dem Blonden einen gefährlich finsteren Blick, doch dann sagte er sich, dass es ihm ganz egal sein konnte. Seine Brüder interessierten sich nicht für Harumis Wohlergehen, lediglich Kou fand Gefallen daran, wie er sich zur Weißglut treiben ließ.
Und was diese beiden Menschenmädchen ihm einreden wollten, konnte er ebenfalls getrost ignorieren, da die beiden ihren Willen ihm gegenüber natürlich niemals würden durchsetzen können. Sie waren letztendlich nur nervige schwache Menschen, doch wenn er sich darauf einließ und mit ihnen diskutierte, würden sie niemals aufhören.
Darum gab es nur eine logische Konsequenz. Er musste sie ignorieren.
„Kou“, sprach sie da plötzlich Ruki an, der abwartend am Türrahmen stand. „In der Küche steht eine Menge Geschirr, das noch gespült werden muss.“
„Hah?“, machte Kou wenig begeistert und ließ Noriko los. „Warum soll denn ich das machen?“ Sein Blick wanderte unmissverständlich zu Azusa.
„Nein, du wirst diese Aufgabe nicht an Azusa abtreten“, mahnte Ruki seinen jüngeren Bruder ernst. „Heute ist es deine Aufgabe. Ich dulde keine Widerrede.“
„Ruki …“, maulte Kou wie ein kleiner Junge.
Noriko lächelte. „Na komm’, Kou-kun, ich helfe dir“, meinte sie und gab dem Blonden einen Kuss auf die Wange, woraufhin dieser sie an sich zog und sie richtig küsste.
Yuma nahm die Gelegenheit wahr und verließ nun unbemerkt den Raum, kehrte in sein Zimmer zurück, wo er sich auf die Couch sinken ließ. Dort holte er eine Dose mit Zuckerwürfeln hervor und kaute nachdenklich auf einem der süßen Stücke herum.
Merkwürdigerweise gingen ihm Himes Worte nicht mehr so einfach aus dem Kopf. Nicht, dass er wegen Harumi irgendwelche Schuldgefühle gehabt hätte, aber irgendetwas sagte ihm doch, dass er vermutlich einen Fehler gemacht hatte.
Der Geschmack ihres Blutes hatte sich schon lange verflüchtigt. Es war eine eigenartige Mischung aus sich verflüchtigender Erregung, Angst und Alkohol gewesen … und es war so einfach gewesen, an diesen Genuss heranzukommen. Doch die Aussicht auf ein zweites Mal hatte er sich wohl, Himes Worten zufolge, selbst versagt.
„Tch.“ Seit wann musste er sich eigentlich von irgendwem eine Erlaubnis einholen?
Als er ruckartig aufstand und sein Zimmer wieder verlassen wollte, fiel ihm Harumis Tasche ins Auge, die mitten im Raum zwischen Couch und Tür lag.
Ein verschlagenes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.
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Fervent LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt