Freunde?

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"Hey“, begrüßte Harumi Yuma, als sie bei ihm ankam. 
Noch immer konnte sie kaum glauben, dass sie das hier wirklich getan hatte … tat, tun würde – wie auch immer. Dass sie sich freiwillig mit ihm traf. 
Sie waren sich am vergangenen Abend in der Schule doch noch einmal über den Weg gelaufen – gut, Harumi schätzte, dass es nicht wirklich ein Zufall gewesen war – und er hatte sie gefragt, ob sie auch noch in anderen Sportarten bewandert war. Sie hatte daraufhin erwidert, dass sie heute, am Freitagnachmittag, Basketball spielen würde. 
Ihre Mannschaft zerstreute sich gerade, laut plappernd verschwanden sie in der Turnhalle. Harumi wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn, genoss die kühle Brise, die unter ihr T-Shirt und über ihre Haut fuhr und ihren erhitzten Körper wieder ein wenig abkühlte. Dann nahm sie einen Schluck aus ihrer Wasserflasche. 
Sie hatte Yuma gesagt, dass sie bis halb vier mit ihrem Team spielen würde, und er war sogar zehn Minuten früher aufgetaucht als abgemacht. Nun hatten sie den Sportplatz ganz für sich. 
Yuma musterte sie amüsiert von oben herab. „Du spielst ziemlich gut“, gab er dann zu. „Ich hätte nicht gedacht, dass ein Zwerg wie du Körbe landen kann.“ 
Harumi grinste nur und stellte ihre Flasche auf dem Boden ab. „Ich glaube sowieso, dass du mich permanent unterschätzt“, meinte sie dann belustigt. „Ich bin zwar klein, aber dafür flink und zielen kann ich auch ganz gut.“ Sie lachte und schirmte sich mit der Hand die Augen ab, weil die bereits niedrigstehende Sonne sie blendete. Dann nahm sie den Ball, den sie sich unter den Arm geklemmt hatte, in die Hand und prellte ihn ein paar Mal auf und ab. 
„Und jetzt?“, wollte Yuma wissen und stemmte abwartend die Hände in die Seiten. 
„Was, und jetzt?“, fragte Harumi verwundert, ohne aufzuhören. „Du wolltest doch mit mir spielen, oder nicht? Auch wenn das zu zweit vielleicht ein bisschen eintönig ist.“ Sie zuckte sich selbst gegenüber mit den Achseln. Er hat darauf bestanden …
Da grinste Yuma plötzlich wieder und löste langsam seine verschränkten Arme, dann plötzlich schnellte seine Hand nach vorne und er luchste Harumi den Ball ab, noch ehe diese reagieren konnte. Triumphierend lachte er, ehe er den Ball in die Hände nahm. 
Mit gemischten Gefühlen bemerkte Harumi da seltsam entrückt, dass Yuma den Ball mit seinen riesigen Pranken fast vollständig umfassen konnte. 
„Ich kann dir immer noch den Ball klauen und Körbe werfen“, feixte er nun. 
Harumi sah ihn an und dann schmunzelte sie. Sie musste offen zugeben, dass dieser unerwartet fixe Spielzug sie verblüfft hatte. Zugleich wurde ihr noch etwas bewusst. Schöner Mist, das wird ganz bestimmt wieder verflucht anstrengend, dachte sie und allein beim Gedanken daran brach ihr schon beinahe der Schweiß aus. 
Doch auf der anderen Seite gefiel es ihr, wie enthusiastisch Yuma war. Wenn er sie schlagen wollte … gut, gerne. Ihn zufrieden und gut gelaunt zu sehen, war Harumi Gewinn genug. Er wirkte fast wie ein Kind, wenn er ihr seine Fähigkeiten demonstrierte, und er war dabei kein anstrengendes Kind, so eines, das einem auf unglaublich nervige Weise noch monatelang mit seinen Triumphen in den Ohren lag, sondern so eines, das einfach strahlte und zufrieden war. 
Irritiert runzelte Harumi die Stirn, als sie schließlich bemerkte, welch abstruse Gestalt ihre Gedanken angenommen hatten, als sie nur einen Moment nicht aufgepasst hatte. Oh Mann … was läuft nur falsch bei mir?, fragte sie sich verwundert, doch dann blieb ihr schon keine Zeit mehr, weiter nachzudenken. 
Yuma spielte ihr den Ball wieder zu – aus einer kurzen Entfernung von nur etwa anderthalb Metern und mit unheimlich viel Kraft dahinter, sodass Harumi einen Schritt nach hinten machen musste, um nicht einfach mit zu Boden gerissen zu werden. 
Yuma lachte erneut, als er ihren verblüfften Gesichtsausdruck sah, dann deutete er auf das leere Spielfeld. „Wollen wir jetzt spielen oder stehen wir weiter in der Gegend herum?“
„Was immer du möchtest“, flötete Harumi mit einem zuckersüßen Lächeln. 
Keine Frage, er liebte es, sie aufzuziehen und zu provozieren. Sicher, das konnte er machen, damit hatte sie kein Problem, aber er würde mit ihren Kontern leben müssen. Sie hatte mittlerweile festgestellt, dass sie mit einer spitzen Zunge nicht viel falsch machen konnte, zumindest wenn ihm nicht entging, dass sie seine Späße nur erwiderte und ihn nicht angriff. Aber das war nicht weiter hinderlich. Sie durfte sich eben nur nicht im Tonfall vergreifen. 
Yuma unterdessen schien hellhörig geworden zu sein. „Was immer ich möchte?“, wiederholte er und sein Tonfall war wie das Knurren eines hungrigen Löwen. 
„Spielen wir“, versetzte Harumi trocken und ging zum Gatter. 
Yuma lachte rau. Das war eine dieser Plänkeleien gewesen, auf die er sich mit ihr einließ. „Einverstanden“, meinte er nun und folgte ihr durch das Tor auf den Sportplatz. 
„Okay“, sagte Harumi und prellte den Ball erneut auf den Boden. „Wie lange spielen wir?“
„Bis du schlappmachst“, erwiderte Yuma grinsend. 
„Pff“, machte Harumi wenig begeistert. „Damit wirst du mich wohl ewig aufziehen, was?“ Sie erwartete keine Antwort. „Ich bin nicht einverstanden. Ich habe nämlich das Gefühl, dass Vampire eine bessere Ausdauer haben als Menschen.“ 
„Da hast du dich ja fein rausgeredet“, frotzelte Yuma sofort grinsend. 
Harumi lächelte ihn nur offen an. „Danke, ich hab’ lang daran gefeilt“, erwiderte sie ein wenig sarkastisch, dann sah sie auf ihre Uhr. „Sagen wir … eine Dreiviertelstunde.“ Sie stellte besagte Zeit ein. Oh je, das wird hart, dachte sie dabei. Und dabei hatte sie doch vorher schon ein ziemlich bewegungsintensives Spiel hinter sich gebracht …
Yuma nickte. „Alles klar.“ 
„Okay. Das da ist mein Korb, der da hinten deiner.“ Sie trat mit dem Ball in die Mitte des Spielfeldes. „Dann los.“ Mit diesen Worten lief Harumi sofort los, zum hinteren Zaun, und einen Moment später wurde Harumi klar, dass dieser Spielzug nicht der Schlaueste gewesen war. Es lief ab, wie es zu erwarten war, Yuma war beinahe sofort bei ihr und da Harumi in keine weitere Richtung ausweichen konnte, nahm er ihr den Ball sogleich ab, machte beeindruckend schnell kehrt und sprintete in die andere Richtung davon. Und verdammt, er war wirklich verflucht schnell. 
Ich hab’ es geahnt, dachte Harumi, während sie ihm hinterherjagte. Gegen Yuma hab’ ich im Grunde keine Chance … Nichtsdestotrotz war ja bekanntlich der Weg das Ziel und so strengte Harumi sich trotzdem an. 
Natürlich erreichte sie Yuma nicht mehr rechtzeitig. Als sie am Korb ankam, fand der Ball gerade seinen Weg durch das Netz. Bevor er jedoch auf dem Boden aufkommen konnte, lief Harumi unter dem Netz hindurch und dribbelte den Ball so schnell sie konnte an Yuma vorbei, hechtete dieses Mal über das offene Gelände des Spielfeldes. 
Die genauen Spielregeln ließen sie offenbar gerade unter den Tisch fallen, Yuma schien es nicht zu stören, er lachte nur erheitert und nahm dann die Verfolgung auf. Als er sie einholte, konnte Harumi dieses Mal jedoch den Ball von einer Hand in die andere wechseln und somit gelang es dem Vampir nicht, sich ebendiesen wieder zurückzuholen. 
Als Harumi jedoch beim Korb angekommen war, baute Yuma sich einfach vor ihr auf und ihr blieb nichts anderes übrig, als innezuhalten und mit den Zähnen zu knirschen. Als sie sein spöttisches Grinsen sah, fegte sie allerdings alle Zurückhaltung beiseite und warf den Ball so hoch, dass selbst er ihn nicht mehr fangen konnte – allerdings traf sie auch nicht den Korb. 
„Tja, Pech gehabt, Kleine“, spottete Yuma, fing den Ball wieder auf und prellte ihn über den Boden von einer Hand in die andere. 
Als er dann wieder zurück auf seine Seite des Spielfeldes stürmen wollte, kreuzte Harumi jedoch seinen Weg und wollte ihm den Ball eigentlich auf diese Weise abnehmen, aber sie hatte sich schlicht und ergreifend in Yuma getäuscht. 
Anstatt überrascht innezuhalten, wie Harumi es eigentlich geplant hatte, prallte er einfach mit ihr zusammen und sie beide stürzten zu Boden. Harumis Verwunderung hielt allerdings weniger lang an und auch ihre aufgeschürften Knie ignorierte sie. Stattdessen rappelte sie sich schnell wieder auf, obwohl sie aufgrund dieses „Unfalls“ vor Lachen eigentlich glatt platzen wollte. Aber ihr Ehrgeiz war geweckt und so schnappte sie sich den Ball und lief weiter. 
„Hey!“, hörte sie Yuma noch empört rufen. „War das dein Plan?!“ 
„Nein!“, antwortete Harumi ihm amüsiert, ohne stehenzubleiben. Am Ende des Spielfelds angekommen verschwendete sie keine weitere Zeit mehr und versenkte den Ball treffsicher im Korb. Dann wandte sie sich breit grinsend zu ihrem Gegenspieler um. 
Yuma war ihr nur gemächlich gefolgt, wahrscheinlich hatte er ebenfalls einsehen müssen, dass er diesen Korb nicht mehr würde verhindern können. „Was zum Teufel sollte das?“, fragte er nun. Es war schwer zu sagen ob er verblüfft war oder verärgert. 
„Ich dachte eigentlich, du wärst so freundlich, mich nicht über den Haufen zu rennen, aber na ja …“ Harumi zuckte mit den Schultern und lachte einfach, trotz seiner ernsten Miene konnte sie nicht anders. „Entweder sind deine Reflexe doch nicht so gut, oder du bist einfach ein wenig rücksichtslos.“ Nun war sie es, die den Basketball provozierend von einer Hand in die andere spielte. Als sich seine Miene jedoch nicht aufhellte, stoppte sie. „Was, bist du jetzt beleidigt?“, fragte sie ihn verwundert. 
Da grinste er mit einem Mal wieder, und irgendwie erleichterte sie das. „Ha. Von wegen“, knurrte er dann plötzlich und schnellte erneut nach vorne, und wieder gelang es ihm, Harumi den Ball zu klauen, da sie für einen winzigen Moment nicht aufgepasst hatte. „Du bist so einfach aus dem Konzept zu bringen, Kleine“, feixte er noch kurz amüsiert, ehe er sich schnell aus dem Staub machte, um sich den nächsten Punkt zu sichern. 
Harumi konnte es kaum glauben, doch dann setzte sie ihm sofort nach. Da will aber jemand unbedingt Krieg mit mir, dachte sie und als sie beim Korb ankam, wurde sie gerade noch Zeuge, wie der Ball darin versank. Sie seufzte. 
„Was? Wer ist jetzt eingeschnappt, hah?“, fragte Yuma provozierend und fing den Ball auf. 
„Ich bestimmt nicht!“, rief Harumi amüsiert aus und dieses Mal schlug sie Yuma den Ball aus der Hand, kaum dass dieser wieder anfangen wollte, ebendiesen zu dribbeln. 
„H-hey!“, rief Yuma noch, dann hörte sie schon seine Schritte direkt hinter sich. 
Er überholte sie und baute sich vor ihr auf, genau wie Harumi es zuvor bei ihm gemacht hatte, doch Harumi hatte das kommen sehen und reagierte schnell genug, wich zur Seite aus, wechselte dabei die Hand, um den Ball vor Yuma in Sicherheit zu bringen. 
Dann flitzte sie weiter über das Spielfeld, doch natürlich ließ ihr Widersacher nicht lange auf sich warten, wieder blieb er vor dem Korb stehen und versperrte Harumi somit die Sicht. 
„Sag’ mal, findest du das nicht ganz schön fies?“, fragte das deutlich kleinere Mädchen ihn, während sie in sicherer Entfernung den Ball von einer Hand auf den Boden und dann in die andere prellte. Dieses Mal wollte sie sich nicht austricksen lassen. 
„Was soll ich machen? Du zielst einfach zu gut“, witzelte Yuma. 
„Danke“, grinste Harumi, dann richtete sie sich auf und wiederholte das waghalsige Manöver von vorher, und dieses Mal hatte sie sogar Erfolg – der Ball landete im Korb. „Ha!“
„Nicht schlecht“, meinte Yuma anerkennend, und er nutzte Harumis Triumph kurzerhand aus, um an ihr vorbei zu spielen und wieder auf die andere Seite zuzuhalten. 
Harumi seufzte und folgte ihm, allerdings spürte sie deutlich, dass ihre Ausdauer nachließ. Und Yuma wurde einfach nicht müde … Aber sie hatte ihren Spaß, das war Grund genug, das hier zu genießen. Und außerdem stand es im Augenblick noch unentschieden. 
Allerdings verfehlte Yuma den Korb auch dieses Mal nicht und somit hatte sich der hart erarbeitete Gleichstand vorerst erledigt. Harumi war jedoch nicht gewillt, aufzugeben, und so schnappte sie sich den Ball wieder und versuchte, vor Yuma bei ihrem Korb anzukommen – vergebens natürlich, der Vampir war einfach zu schnell für sie. 
Auf halbem Weg etwa luchste er ihr den Ball mit einem geschickten Manöver wieder ab und lief zurück zu seinem Korb, woraufhin Harumi ihm wohl oder übel erneut folgen musste. 
Sie kam sich beinahe ein wenig schäbig vor, als ihr nächster Triumph darin bestand, dass Yuma den Korb nicht traf, und sein Fluchen kostete ihn genug Zeit, sodass Harumi sich einen Vorsprung verschaffen konnte. Beim Korb angekommen fing er den Ball jedoch einfach auf und für einen Moment starrten sie sich einfach nur an, versuchten die Bewegungen des anderen vorauszuahnen, dann wollte Yuma an ihr vorbeihechten, doch Harumi wiederholte ihre Taktik von vorher und stellte sich ihm in den Weg, sodass er für einen Moment innehalten musste, und ebendiesen Moment nutzte sie, um ihm den Ball zu klauen. 
Der nächste Punkt ging an Harumi. 
Yuma jedoch zögerte keinen Augenblick und schnappte sich den Ball wieder, dribbelte ihn über das ganze Spielfeld, doch auch dieses Mal hatte er kein Glück, der Ball verfehlte knapp den Korb und Harumi fing ihn auf, wandte sich zu Yuma um und hielt inne. 
Wieder beobachteten sie einander eine Weile, dann deutete Harumi mit einer ruckartigen Bewegung an, dass sie links an ihm vorbeiziehen würde, doch dann sprintete sie nach rechts, und das Täuschungsmanöver funktionierte, einen Moment lang war Yuma wirklich irritiert. 
Doch ehe Harumi ihren Triumph ausspielen konnte, piepte ihre Armbanduhr und teilte ihr auf diesem Wege mit, dass das Spiel beendet war. Sie seufzte und blieb stehen. „Unentschieden“, verkündete Harumi schwer atmend und stützte sich auf ihren Knien auf. 
„Na, bist du jetzt erledigt?“, wollte Yuma neckend wissen und kam zu ihr geschlendert. Von Anstrengung keine Spur. Einzig und allein seine hochgesteckten Haare waren etwas wirrer als sonst, aber es wirkte eher, als sei er gerade erst aufgestanden, und nicht, als hätte er gerade ein durchaus schweißtreibendes Basketballspiel hinter sich gebracht. 
„Und wie“, gab Harumi ohne Umschweife zu. Es war nicht zu übersehen, darum war es auch sinnlos, es zu leugnen. Nach einer Weile richtete sie sich wieder auf und lächelte Yuma ehrlich an. „Das war großartig“, meinte sie. „Ich hab’ selten so viel Spaß gehabt.“ Sie lachte, als sie an ihr erstes, etwas missglücktes Manöver dachte. Schließlich blieb sie vor dem Vampir stehen und hob die Hand, damit er einschlagen konnte. 
Yuma hob nur eine Augenbraue. „Bist du sicher, Kleine? Ich könnte dir den Arm brechen.“ Er grinste breit, er konnte sie offensichtlich gar nicht oft genug aufziehen. 
Kaum merklich zog Harumi ihre Hand ein Stück zurück. „Du musst ja nicht ganz so stark zuschlagen“, meinte sie, tatsächlich ein wenig verunsichert. Als er ihr dann einen Highfive gab, lächelte sie zufrieden. „Siehst du, geht doch“, grinste sie und verließ den Sportplatz, nahm einen Schluck aus ihrer Wasserflasche. „Willst du auch?“
Yuma nahm das Wasser an und trank zwei große Schlucke. 
„Oh Mist“, murmelte Harumi in diesem Augenblick und blickte an Yuma vorbei zur Sporthalle, aus der gerade eine Handvoll Oberstufenschüler kamen. 
Verwundert hob Yuma den Blick. „Was ist?“, wollte er wissen. 
Harumi seufzte, dann wandte sie ihren Blick ab. „Mein Exfreund und seine Kumpels“, murmelte sie unzufrieden und hoffte, dass sie sie nicht gesehen hatten. Sie wollte ihn nicht sehen. Wehe dir, Kamui … ich bring’ dich um, wenn ich auch nur einen Mucks von dir höre, dachte sie dabei, kochend vor Wut und zugleich zutiefst verunsichert. Diese Schmach würde ihr wohl auf ewig nachhängen. Allein an dieses letzte, selbstgefällige Grinsen zu denken, das sie von ihm geerntet hatte, weckte in ihr das Bedürfnis, sich zu übergeben. 
Yuma musterte die Jungen, die gerade noch ein paar Worte miteinander wechselten, mit unverhohlenem Argwohn. „Welcher?“, wollte er dann knapp wissen. 
„Der in dem roten Tanktop“, antwortete Harumi und fasste dann nach Yumas Handgelenk. „Bitte, starr’ nicht so auffällig“, meinte sie dann leise. „Lass’ uns lieber …“
„Was? Gehen?“, fragte Yuma, in Harumis Ohren viel zu laut, und er sagte es so ungläubig, als wäre es für ihn ein absolutes Unding. „Du haust ab wegen denen?“, hakte er dann spöttisch nach und dann wanderte sein Blick kurz zu ihrer Hand. 
Wenn er es so sagt, klingt es wirklich erbärmlich, dachte Harumi niedergeschlagen und ließ Yuma wieder los. „Ich will ihm einfach nicht über den Weg laufen“, murmelte sie bedrückt und wusste nicht, was sie jetzt tun sollte. Sie wollte Kamui nicht über den Weg laufen … Aber es war eigentlich unvermeidbar, das wusste sie. 
„Tch“, machte Yuma nur und blickte weiterhin mit verschränkten Armen zu den Jungen, deren Gespräch zunehmend lauter wurde, für Yuma und Harumi war es allerdings nur ein lautes, unverständliches Grölen. „Wegen so einem halben Hemd ziehst du solche Sachen ab wie vor zwei Wochen? Mann, musst du verzweifelt sein.“
Harumi schluckte und wusste nicht so richtig, wie sie sich nun verhalten sollte. Schließlich entschied sie sich, zuerst auf Yumas Bemerkung zu Kamui einzugehen. „Na ja … Kamui ist ziemlich beliebt an der Schule, und er hat viel Geld, die besten Noten … er könnte einfach jede haben, weil er auch noch gut aussieht.“ Sie seufzte und schwenkte ihre Arme vor und zurück, um sich nicht zu sehr zu verkrampfen, doch eigentlich wollte sie sich am liebsten irgendwo verkriechen. Und eines von seinen Spielzeugen war ich … 
„Besser als ich?“, fragte Yuma da plötzlich. 
Harumi hielt inne und spürte, dass sie rot wurde – und das war ihr schon lange nicht mehr passiert. „Hm … nein“, gab sie dann ehrlich zu und wandte ihren Blick ab. 
Dann zuckte sie heftig zusammen, als Kamui mit seinem Gefolge an ihr und Yuma vorbeizog, und ehe sie sich abwenden konnte, hatte sie schon seinen Blick aufgefangen – was genau ihr dieser sagen sollte, wusste sie jedoch nicht. Es war ein gleichgültiger Blick, gepaart mit ein wenig Spott. Unbehaglich sah sie in die andere Richtung. 
„Das ist aber nicht die Haru, die ich kennengelernt habe“, kommentierte Yuma da plötzlich, nachdem das Stahlgatter hinter den Jungs ins Schloss gefallen war. 
Harumi sah ihn einfach nur an und wusste gar nicht mehr, was sie eigentlich fühlen sollte. Sie war … verwirrt. Und ja, auch sie war genervt davon, dass sie sich wegen Kamui so sehr verändert hatte … Oder nein, anders – dass Kamuis Anwesenheit sie jetzt, nachdem er sie durch eine andere ersetzt hatte, sie in ein unsicheres Nervenbündel ohne jedes Selbstvertrauen verwandelte. „Die Haru, die du kennengelernt hast, macht gerade eine sehr merkwürdige Phase durch“, erwiderte sie schließlich geknickt und ließ die Schultern hängen. 
„Hey“, sagte Yuma da und plötzlich war er vor ihr in die Hocke gegangen, genau wie vor einer Woche. „Vermisst du diesen Mistkerl, der dich einfach weggeworfen hat, wirklich?“
Harumi schluckte. „Nein“, sagte sie dann ohne Zögern, zu diesem Schluss war sie ja schon unmittelbar nach ihrer „Trennung“ gekommen, aber … „Es ist einfach …“ 
Da grinste Yuma mit einem Mal wieder. „Bist du wütend?“, wollte er lauernd wissen. 
Was will er denn jetzt von mir? Harumi versuchte vergebens, seine Absichten zu durchschauen. Also nickte sie einfach als Antwort auf seine Frage, deren Zweck sie nicht ganz erfasste. „Ja, ich bin stinksauer“, bestätigte sie leise.
„Willst du es ihm heimzahlen?“, fragte Yuma weiter. 
„Wie denn?“, wollte Harumi ein wenig ratlos wissen, und so merkwürdig ihr diese Situation erschien, musste sie doch zugeben, dass er ihr Interesse geweckt hatte.
Yumas Grinsen war wieder das eines auf der Lauer liegenden Raubtiers, dann legte er eine Hand um ihre Taille und zog Harumi etwas näher zu sich heran, was diese mehr überrumpelt als bereitwillig zuließ. „Zeig’ ihm, dass du nicht auf ihn angewiesen bist“, raunte Yuma dann. 
Harumi schluckte, die Situation war mehr als eindeutig und ihr war auch klar, dass sie seinem unterschwelligen Vorschlag keinesfalls abgeneigt war … ihr Körper zumindest nicht, und auch ein Teil ihres Verstandes war gerne bereit, sich darauf einzulassen, und dennoch gab es noch immer dieses große Aber … 
Wenn ich mich auf diese Weise von Kamui löse … worin werde ich mich dann als nächstes verstricken?, fragte sie sich mit einem unguten Gefühl in ihrer Magengegend, das sich mit ihrer Aufregung zu einer eher übelkeitserregenden Mischung vermengte. Doch dann schüttelte sie gedanklich über sich selbst den Kopf. 
Ich werde nicht mehr weglaufen, erklärte sie sich selbst fest. Ich werde mich nicht mehr unterordnen und ich werde mein Leben nicht mehr von anderen bestimmen lassen. Ich tue nur noch, was ich will. 
Noch immer erwiderte sie Yumas Blick ein wenig unsicher, doch er ließ ihr den Moment Zeit, den sie brauchte, während es in ihrem Kopf wie verrückt arbeitete, ohne Unterlass wägte sie ein Für und Wider nach dem anderen ab. Schließlich kam sie zu einem ganz neuen Schluss. Vielleicht sind wir schon so etwas wie Freunde, dachte sie merkwürdig ruhig, während sie ihm die Augen sah, braune Augen, in die sich auch ein goldener und ein grüner Schimmer mischte, beeindruckende Seelenspiegel. 
Nachdenklich wanderte ihr Blick zu seinen Lippen, die noch immer zu diesem unwiderstehlichen Grinsen verzogen waren. Ach, was soll’s. Der Plan an sich ist zwar kindisch, aber ich will das … „Ich muss verrückt sein“, murmelte sie schließlich, während sie sich ein wenig nach vorne sinken ließ, gegen Yumas Oberkörper, ihr Gewicht genügte keineswegs, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Vorsichtig legte sie beide Hände auf seine Schultern und ihre Stirn berührte kurz seine, dann lächelte sie knapp und sie spürte, wie ihr Herz vor Aufregung schneller schlug. 
Yuma erwiderte nichts auf ihre Worte, stattdessen hob er den Kopf und griff in Harumis Nacken, zog sie mit einem Ruck zu sich heran, kurz noch spürte sie seinen Atem auf ihrem Gesicht, dann versiegelte er ohne weiteres Zögern ihre Lippen mit seinen. 
Was auch immer Harumi sich zuvor gedacht hatte – falls sie überhaupt noch richtig nachgedacht hatte – wirklich auf den Kuss vorbereitet gewesen war sie nicht. Es war fast, als hätte Yuma sie überfallen, und das, obwohl es sogar mehr oder weniger abgesprochen gewesen war. Verrückterweise empfand Harumi das jedoch nicht als schlimm – es war vielmehr aufregend. Aufregender jedenfalls als … Halt, stopp!, ermahnte sie sich. Ich will nicht mehr an ihn denken.
Intuitiv schloss sie die Augen und vertiefte den Kuss schließlich kaum merklich, damit er an Echtheit gewann. Allerdings hatte sie sich auch jetzt verrechnet, Yuma schien es keinesfalls bei einem einfachen, unschuldigen Aufeinanderlegen ihrer Lippen belassen zu wollen, stattdessen öffnete er seinen Mund und umfasste ihre Lippen mit seinen, woraufhin Harumi ein überraschtes Keuchen entrann, was er wiederum mit einem rauen Lachen quittierte. Gleich darauf verschaffte er sich etwas grob Einlass in ihren Mund und griff währenddessen fester mit dem Arm um Harumis Taille, dann stand er auf und zog sie einfach mit sich, für ihn musste sie wirklich ein wahres Fliegengewicht sein. 
Harumi blieb letzten Endes gar nichts anderes übrig, als sich mit ihren Beinen an seiner Hüfte festzuklammern, aber auch wenn der Plan in ihrem Kopf ein bisschen anders ausgesehen hatte, konnte sie nicht behaupten, dass sie ihre Entscheidung bereute. Sie ließ zu, dass Yuma ihren Mund erkundete, und es fühlte sich merkwürdigerweise gut an. 
Ein neuerliches Keuchen verließ ihre Kehle, dieses Mal erschrocken, als es plötzlich schepperte. Yuma hatte sich mit ihr zusammen umgewandt und sie ein wenig ungestüm mit dem Rücken gegen den Stahlzaun gedrückt, und als Harumi das klarwurde, musste sie in den Kuss hinein leise lachen, sie war zu der Erkenntnis gekommen, dass sie spätestens jetzt auf die eine oder andere Weise Kamuis Aufmerksamkeit erlangt haben mussten. 
Aber … um genau zu sein … was Harumis Exfreund dachte, war mittlerweile nebensächlich geworden. Es gab nur noch sie beide und Harumi genoss dieses Gefühl in vollen Zügen. Selten hatte sie etwas Aufregenderes erlebt. Warum nur fühlte sich dieser Kuss, der ursprünglich nur Mittel zum Zweck gewesen war, so gut an? Dass Yuma ihr ungebeten so nahe gekommen war, störte sie im Augenblick kein bisschen, er beanspruchte mit seinen fordernden, stürmischen Liebkosungen all ihr Denken nur für sich und für Zweifel blieb in Harumis Kopf schlicht und ergreifend kein Platz mehr. 
Nur am Rande bemerkte Harumi, dass sie seinen Duft, den sie auch vor ein paar Tagen bemerkt hatte, nun noch viel deutlicher wahrnahm … Es war eine angenehme Mischung aus Erde … Wald … Natur … und eine kaum wahrnehmbare Note von unaufdringlichem Deodorant, gepaart mit seinem ganz eigenen Geruch. 
Schließlich unterbrachen sie den Kuss kurz und Harumi sah Yuma ein wenig außer Atem ins Gesicht. „Hey, du küsst gut“, stellte sie dann amüsiert fest und am liebsten hätte sie laut aufgelacht. Sie fühlte sich seltsam losgelöst von ihren Sorgen, von dieser ganzen schwermütigen Traurigkeit. Vermutlich hatten sich die Glückshormone in ihren Blutbahnen gerade um ein Vielfaches vermehrt. Es fühlte sich unbeschreiblich gut an. 
Auch Yuma lachte leise, dann zog er noch einmal an ihrer Unterlippe, nahm den Kuss wieder auf, er war alles andere als sanft dabei, wie bei fast allem, was er tat, aber er verletzte sie auch nicht, und das war bei diesen Reißzähnen schon fast eine Leistung für sich. Dazu kam, dass er auch sonst alles andere als ungeschickt war, er schien zu wissen was er tat – die klassischen Schmetterlinge im Bauch hatten jedenfalls ausgedient, stattdessen setzte Yuma einen ganzen Hornissenschwarm in Harumis Magengegend frei. 
Als sie sich nun voneinander lösten, ließ der Vampir sie langsam wieder auf den Boden, und als Harumis Füße wieder Bodenkontakt hatten, musste sie sich mit einer Hand an dem Gitter hinter sich festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Sie war vollkommen überwältigt. So etwas hatte sie noch nie gefühlt. 
Yuma entging das nicht, er lachte erneut leise und trat dann einen Schritt zurück. „Geht’s dir jetzt besser?“, wollte er dann wissen und Harumi musste allein über seinen Tonfall erneut lachen. Er fragte nicht einfühlsam und vorsichtig, sondern laut und harsch, wie es eben seine Art war. Und es war nicht schlimm. Es war einfach … Yuma. 
Schließlich nickte Harumi und lächelte glücklich, wandte sich jedoch rasch ab. „Danke“, sagte sie trotzdem ehrlich. Sie haderte damit, ihm zu zeigen, wie sehr ihr die letzten Minuten gefallen hatten, denn sie wollte einen gewissen Abstand zu ihm wahren … nun, ihre vernünftige Seite wollte das. Die andere wollte am liebsten auf alles pfeifen, aber … Nun ja. 
„Haru, du hast da was vergessen“, meinte Yuma da mit einem Mal ein paar Schritte hinter ihr. 
Verwundert wandte Harumi sich zu ihm um, konnte jedoch nicht mehr rechtzeitig reagieren, um den Ball, den Yuma ihr hinterhergeworfen hatte, noch zu fangen, dafür war sie einfach noch viel zu sehr neben der Spur. Hart traf er sie am Kopf und riss sie mit sich zu Boden. 
Einen Moment lang war Yuma perplex, dann runzelte er die Stirn. Als Harumi sich nicht weiter regte, trat er ungläubig an sie heran. Das darf doch jetzt nicht wahr sein!, dachte er sich im Stillen und musste feststellen, dass er das Mädchen tatsächlich mit einem einfachen Ballwurf ausgeknockt hatte. „Ach, Scheiße!“, fluchte der Vampir mit zusammengebissenen Zähnen und warf sich Harumi wie einen Mehlsack über die Schulter, ehe er das Sportgelände verließ. 

* ~ * ~ * ~ *

Hey xD Das längste Kapitel bisher :D 
Und, nach meinem Ermessen, auch das Spaßigste. Zumindest beim Schreiben. 
Dazu zwei Dinge. 
Erstens, wann ist aus Fervent Love eine Sport-FF geworden? xD Ich weiß es nicht xD Aber Gott, es hat so viel Spaß gemacht :D 
Zweitens - warum gibt es bei meinen DL-FFs die ungeschriebene Regel, dass jeder Kerl sein Mädel mindestens einmal auf die eine oder andere Weise aus Versehen ausknockt? xD (Okay, es ist erst das dritte Mal ... aber trotzdem.) Aber ich bin stolz auf mich, dass es dieses Mal einen anderen Grund hat :D 
Sorry, ich bin viel zu enthusiastisch. 
Ich hoffe, es hat euch gefallen. Auch, dass es jetzt schon einen wahrscheinlich recht unerwarteten nächsten Schritt gegeben hat. Aber keine Sorge ;) Fervent Love kriegt noch ein paar Ecken und Kanten, sonst wär's ja langweilig ;D

Fervent LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt