Der Wettkampf

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Harumis Vorsatz vom Freitag kam in den darauffolgenden Tagen kaum zum Tragen. Sie begegnete Yuma bis zum Mittwoch der nächsten Woche nicht mehr, nicht auf den Gängen ihrer Schule und auch nicht nach Unterrichtsschluss auf dem Pausenhof. Da sie seine Nähe nicht unbedingt suchte, kam ihr das gerade recht. 
Als sie jedoch an diesem Mittwochnachmittag wieder Badminton spielte, dieses Mal mit ihrer Kindheitsfreundin Naomi, bemerkte sie, während sie gerade den Ball aufhob, wieder eine Gestalt hinter dem Stahlzaun des Sportgeländes und natürlich war ihr gleich klar, um wen es sich handeln musste, auch wenn sie durch das Gitter nicht besonders viel erkennen konnte. 
Was zum Teufel soll das?, fragte sie sich irritiert.
„Was ist denn los?“, wollte Naomi da wissen und drehte sich ebenfalls zu Yuma um, als sie Harumis Blick bemerkte. „Kennst du den da?“, fragte sie dann, nachdem sie an das Netz herangetreten war und sich von Harumi den Federball geben ließ. 
„Wie lange steht der da schon?“, fragte Harumi zurück. 
Naomi zuckte mit den Schultern. „Seit fünfzehn Minuten oder so.“ 
Harumi seufzte. Wo bin ich da nur reingeraten?
„Wer ist das?“, wollte Harumis Freundin neugierig wissen. 
„Ein Freund … aus meiner Schule“, erwiderte Harumi und versuchte, dabei nicht zu gequält zu klingen. Ich werde doch nicht noch was vergessen haben, das er mir jetzt ganz selbstlos hinterhertragen kann, oder?, dachte sie unterdessen genervt. 
„Nur ein Freund?“, hakte Naomi interessiert nach. 
Harumi nahm wieder einige Schritte Abstand vom Netz, Naomis Nachfrage verwunderte sie nicht im geringsten. „Ja, nur ein Freund“, bestätigte das Mädchen gelassen. Und eigentlich nicht mal das, versetzte sie gedanklich düster und bedeutete ihrer Freundin, dass diese das Spiel wieder aufnehmen sollte. 
Nach einem kurzen Schlagabtausch war Harumi diejenige, die den Aufschlag hatte, schon nach wenigen Sekunden des Spielens hatte sie einen blitzschnellen Smash hingelegt, den Naomi nicht mehr hatte verhindern können. 
„Willst du nicht mal zu ihm hingehen?“, fragte Naomi schließlich verwundert, als nun sie Harumi den Ball reichte. 
Harumi schüttelte nur den Kopf. „Wenn’s was Wichtiges wäre, wüssten wir’s schon“, meinte sie und schmunzelte. „Jetzt muss er sich gedulden, bis wir beide fertig sind.“
Naomi erwiderte ihr Lächeln verschmitzt und sie nahmen das Spiel wieder auf. Letztendlich entschied Harumi das Match nach weiteren zwanzig Minuten für sich. 
„Das war super“, meinte Naomi und gab Harumi sowohl Schläger als auch Ball. Dann nahm sie ihre Wasserflasche und ging zum Tor, Harumi folgte ihr. 
Kurz bevor die andere Sportlerin das Tor erreichte, hielt Harumi sie an der Schulter zurück. „Geh’ schon mal vor, ich denke, wir beide haben hier noch etwas zu bereden.“ Sie sah zu Yuma, der ihren Blick eindringlich erwiderte, jedoch war seine Mimik nicht zu entschlüsseln. 
„Okay“, sagte Naomi und winkte, und als sie nach draußen trat, grüßte sie Yuma kurz und lief dann zügig in die Sporthalle, zu der der Sportplatz gehörte. 
Harumi unterdessen blieb vor Yuma stehen und sah zu ihm auf. „Hey“, meinte sie ganz unverfänglich, fast als wären sie wirklich Freunde. „Was gibt’s?“
„Machst du viel Sport?“, wollte er statt einer Begrüßung wissen. 
„Ich freu’ mich auch, dich zu sehen“, erwiderte Harumi sarkastisch, doch dann nickte sie, trotz ihrer toughen Persönlichkeit fürchtete sie insgeheim doch, dass er sauer werden könnte, wenn sie den Mund zu voll nahm. Und sie wollte ihn nicht wirklich sauer erleben. „Ich bin gern auf Achse und sitz’ nicht gern irgendwo rum. Ich mag Partys, Ausflüge, Sport, die ganze Palette eben“, sagte sie darum fast ein wenig zu schnell. „Und du?“, wollte sie dann wissen. 
„Ich arbeite viel draußen im Garten“, antwortete Yuma ihr knapp. 
„Im Ernst?“, fragte Harumi ehrlich überrascht und sah dann an ihm vorbei auf die sattgrüne Wiese, nicht nur um seinem bohrenden Blick zu entgehen, sondern auch um keine Nackenstarre zu riskieren. „Du wirkst eigentlich auch eher wie der sportliche Typ.“ 
Er lachte kurz. „Das eine schließt das andere ja nicht aus.“ 
Da sah Harumi wieder zu ihm und sie rang einen Augenblick mit sich, dann gab sie sich einen Ruck und lächelte ihn einfach an. „Hast du dann vielleicht Lust, eine Runde mit mir zu spielen?“, fragte sie und hielt ihm einen der beiden Badmintonschläger hin. 
Sie wusste selbst nicht so recht, was sie damit bezweckte, aber … er faszinierte sie noch immer, genau wie vor zwei Wochen. Seine schroffe, abgeklärte Art, sein selbstsicheres Auftreten, sein manchmal ein wenig spöttisches, aber ehrliches Grinsen. 
Insgeheim hoffe ich vielleicht, mich ihm wieder annähern zu können … Doch da waren natürlich eine Menge Zweifel, die sie davon abhalten wollten, am lautesten schrie sie die Stimme des Verstands an, dass sie absolut wahnsinnig sein musste. Ich sollte eigentlich möglichst viel Abstand zu ihm nehmen. Aber wie war das? Zeit heilt doch alle Wunden … Sie wollte, dass ihre Wunden heilten und zugleich wollte sie sich nicht verändern. Sie war immer ein sehr offener, lebensbejahender Mensch gewesen … Und sie hatte das Gefühl, dass sie sich ihrer größten Angst, Yuma Mukami selbst, stellen musste, um sich nicht zu verändern und zu einer Person zu werden, die sie nicht sein wollte, ein verschrecktes, ängstliches Abbild ihres früheren Ichs. Nein. Alles, nur das nicht. 
Und vielleicht war er ja sogar gewillt, ihr nach alldem doch noch entgegenzukommen … 
Doch als sein Gesicht sich verfinsterte und er die Arme vor seiner Brust verschränkte, ahnte Harumi bereits, dass es nicht so einfach werden würde. 
„Ist das nicht nur für Mädchen?“, fragte er missmutig. 
Harumi seufzte. „Nein, eigentlich nicht“, meinte sie dann ein wenig resigniert und sagte sich, dass sie eine Reaktion dieser Art hätte erwarten müssen. Aber zumindest habe ich es versucht. „Okay, dann eben nicht“, sagte sie nun und wandte sich um. 
Sie hörte, wie er hinter ihr schwer seufzte. 
„Bleib’ hier“, brummte er dann genervt und es klang wie ein Befehl. 
Und Harumi gehorchte fast unwillkürlich, wandte sich überrascht wieder zu ihm um. 
Da grinste Yuma plötzlich wieder raubtierhaft. „Wenn ich gewinne, lässt du mich dein Blut trinken. Was sagst du?“ Mit zwei großen Schritten stand er vor ihr. 
Harumi schluckte, doch dann nickte sie aus einer Eingebung heraus. Wenn er den Reiz eines Wettkampfes will … „Einverstanden“, willigte sie ein. „Aber nicht alles“, präzisierte sie dann vorsichtshalber, was Yuma wiederum grinsend abnickte. „Und was ist, wenn ich gewinne?“, wollte Harumi dann neugierig wissen und verschränkte die Arme vor der Brust, während sie ihn kampfeslustig anfunkelte. 
Yuma lachte erneut. „Schaff’ das erstmal“, erwiderte er amüsiert. 
Harumi biss die Zähne aufeinander. „Das werde ich!“, erklärte sie mit fester Stimme, doch dann fiel ihr noch etwas anderes ein. Ob er als Vampir auch übernatürliche Kräfte hat? Unmenschliche Schnelligkeit oder so? Sie traute sich nicht, nachzufragen, denn eigentlich glaubte sie immer noch nicht so wirklich an diesen Humbug … Und sie wollte sich nicht zum Affen machen, sollte er sie doch nur auf den Arm nehmen. 
Da muss ich jetzt eben durch, sagte sie sich und betrat zusammen mit Yuma den Sportplatz, ging wieder auf „ihre“ Seite des Netzes und deutete dann kurz mit dem Schläger die Grenzen des Spielfeldes an. „Die Regeln kennst du, oder?“
„Klar“, erwiderte er und drehte den Schläger in der Hand hin und her. 
„Wir spielen dreißig Minuten“, bestimmte Harumi und stellte besagte Zeit mithilfe ihrer digitalen Armbanduhr ein, dann machte sie sich nun zum Aufschlag bereit, atmete noch einmal tief durch. Na, da hab’ ich mir ja was eingebrockt.
Die ersten Sekunden, nachdem Harumi das Spiel begonnen hatte, genügten bereits, um ihr klarzumachen, was für eine unheimliche Kraft Yuma innewohnte. Die Wucht seiner Schläge war so gewaltig, dass Harumi tatsächlich Probleme damit hatte, den Ball ordentlich wieder zurückzuspielen, ganz zu schweigen davon, dass selbst seine ganz normal gespielten Bälle durchaus die Kraft und die Beschleunigung eines Smashs hatten. 
„Hey, ist dir eigentlich klar, dass wir hier Badminton spielen und nicht Golf oder sowas?“, wollte sie schließlich amüsiert wissen und hob den Ball auf. 
„Etwas in der Art habe ich mir schon gedacht“, scherzte Yuma, als er den Ball entgegennahm. 
„Und es ist windstill“, erinnerte Harumi ihn spaßeshalber. „Du spielst, als müsstest du einem Orkan trotzen.“ Sie lachte und ging dann auf ihren Platz zurück. 
Yuma erwiderte ihr Lachen lediglich mit einem amüsierten Grinsen. 
Der einzige Vorteil, der sich für Harumi aus Yumas sehr eigener Spielweise ergab, war dass Yuma den Ball schnell und mit besonders viel Nachdruck auch über die Linie des Spielfeldes hinausspielte und somit einen Haufen Punkte verschenkte. Obwohl er die Regeln offenbar kannte war er doch ein ziemlicher Grobmotoriker, und das war irgendwie unterhaltsam. 
Und er fluchte eine Menge, wann immer etwas nicht so lief, wie er es plante. 
„Wenn du dir deinen Atem für das Spiel sparst, hast du den Sieg schon so gut wie in der Tasche“, neckte Harumi ihn, als er sich gerade wieder über einen ungünstigen Spielzug seinerseits aufregte. „Wenn du meckerst, lenkst du dich nur selbst ab.“ 
Wahrscheinlich machte sie es mit ihren Belehrungen keineswegs besser, aber Harumi hatte ja eigentlich auch nicht vor, Yuma zu unterrichten, sondern am besten über ihn zu triumphieren. Nicht, dass sie wirklich psychologische Kriegsführung betreiben wollte, aber bei einem Hitzkopf wie ihm war die Verlockung wirklich fast schon zu groß. 
Doch auch wenn Yuma oft über das Ziel hinausschoss, auf der anderen Seite kam Harumi oftmals nicht hinterher und erwischte den Ball nicht rechtzeitig. Aber das frustrierte sie eigentlich kein bisschen. Das ist eben Sport, sagte sie sich und freute sich über den Moment, in dem sie und Yuma Mukami so etwas wie ein Team waren – auch wenn sie gegeneinander antraten und einander ganz schön auf Trab brachten. 
Und er will mein Blut, rief sie sich ein wenig beklommen ins Gedächtnis. Ein Grund, aus dem sie lieber nicht verlieren wollte … Natürlich wollte sie sich nicht anzapfen lassen. Allein der Gedanke daran war unangenehm – immerhin ging es um einen Teil von ihr, ohne den sie nicht leben konnte. 
Zum Glück machte sie selbst auch nicht die schlechteste Figur. Wäre ja auch noch schöner, nach zehn Jahren regelmäßigem Spielen, dachte Harumi angespannt und holte im nächsten Augenblick ihren siebten Punkt. 
Gleichstand. 
„Du spielst gut“, meinte Harumi anerkennend, als sie ans Netz trat, um sich den Federball geben zu lassen. „Machst du denn regelmäßig Sport?“, wollte sie dann wissen. 
„Eigentlich nicht“, erwiderte er und trat wieder drei Schritte zurück. 
Sie tat es ihm gleich und machte den nächsten Aufschlag. Es dauerte nicht einmal einen Herzschlag lang, bis der Ball mit Höchstgeschwindigkeit zurückgeschossen kam, sie ihn kraftvoll abfing und zurückspielte. Die Schläge der beiden Konkurrenten erfolgten stets so schnell, Harumi hatte das Gefühl, dass ihre Reflexe noch nie so sehr gefordert worden waren, zum Denken blieb hier nun wirklich keine Zeit mehr. 
Auch hätte sie nie gedacht, dass Yuma eine so gute Agilität besaß. Natürlich, er war bei weitem nicht so flink und wendig wie Harumi, aber gerade durch seinen grundsätzlich massigeren Körperbau waren seine Bewegungen doch beeindruckend. 
Und gottverdammt, er hatte eine beneidenswerte Ausdauer. Irgendwann kam Harumi nicht mehr darum herum, zu keuchen wie ein Rennpferd, und auch wenn sie es nicht ganz genau erkennen konnte, schien Yuma kaum Anzeichen von Anstrengung zu zeigen. 
Der will mich doch veräppeln, wenn er meint er würde nicht regelmäßig Sport treiben, dachte sie erschöpft und ließ ihre schmerzenden Schultern kreisen. Der ist doch bestimmt heimlich Hochleistungssportler … Es hatte schon lange niemanden mehr gegeben, der sie so sehr an ihre Grenzen gebracht hatte. Nicht beim Badminton. Das war normalerweise eine der einfachsten Sportarten. 
„Zwei Minuten noch!“, verkündete Harumi nun und wartete, dass Yuma erneut anspielte, rang dabei noch immer nach Atem. Sie lag um zwei Punkte zurück und verdammt, das beste wäre wohl ein Unentschieden gewesen, dann musste niemand zurückstecken. Aber irgendwie bezweifelte sie, dass sie das jetzt noch schaffen würde …
Sie spürte, dass sie am Ende ihrer Kräfte war, das war ihr absolut bewusst. Und erschöpft wie sie war, schaffte sie es nur drei Mal, den Ball an Yuma zurückzuspielen, dann schaffte sie es nicht mehr rechtzeitig und war somit schon um drei Punkte im Rückstand. 
„Na, machst du etwa schlapp?“, wollte Yuma von der anderen Seite des Netzes spöttisch wissen und wartete darauf, dass Harumi ihm den Ball zurückspielte-oder gab, damit er einen neuen Aufschlag machen konnte – um den nächsten Punkt zu holen. 
„Ich gebe zu, du machst mich fertig“, meinte Harumi außer Atem. 
Yuma lachte daraufhin dunkel und spielte erneut an. 
Harumi riss sich zusammen und gab sich alle Mühe, spielte den Ball vier Mal zurück und schmetterte ihn dann so über das Netz, dass Yuma ihn nicht mehr aufhalten konnte. 
„Du schlägst dich gut“, gab Yuma daraufhin neidlos zu. 
Da lächelte Harumi. „Danke“, meinte sie mit einem leicht genervten Unterton. Dass sie sich hier von ihm Komplimente machen lassen musste, obwohl doch sie hier diejenige war, die Badminton spielte … ja, das kratzte zugegebenermaßen schon an ihrem Stolz. 
Sie begann den Schlagabtausch von Neuem, er wurde zu einem schnellen Hin und Her, und Harumis nächsten Smash konnte Yuma verhindern, sodass der Kampf weiterging. 
Dann, irgendwann, verließ Harumi nur einen Augenblick lang die Konzentration, und sie verfehlte den Federball, stattdessen traf dieser sie hart an der Schulter, Yumas Schlag war wie immer kräftig gewesen, der Aufprall so heftig, dass er sie einfach von den Füßen riss. Nichts übertrieben Dramatisches, aber dennoch war sie sehr gelinde gesagt verblüfft, als sie sich plötzlich auf dem Boden wiederfand. 
„Ach, Scheiße!“, hörte sie Yuma von der anderen Seite des Sportfeldes fluchen und er hob das Netz an, kam zu ihr herüber. „Hey, alles klar bei dir?“, wollte er nun knapp wissen. 
Als er bei ihr ankam, begann Harumi, vollkommen unerwartet, einfach zu lachen, während sie sich eine Hand auf die leicht schmerzende Schulter legte. „Oh Mann, ich glaube du bist der einzige, der jemanden mit einem Federball ausknocken kann“, brachte sie schließlich nach Luft japsend hervor und blieb einfach am Boden sitzen, weiterhin kichernd. 
Gerade als Yuma sich neben sie hockte, begann Harumis Armbanduhr zu piepen. 
„Die Zeit ist um“, verkündete Yuma selbstgefällig. 
„Ach was.“ Das Mädchen seufzte und stellte den Alarm aus, dann sah sie Yuma an und wischte sich kurz mit dem Arm den Schweiß von der Stirn. „Und jetzt?“
„Ich habe gewonnen.“ 
„Das weiß ich. Und weiter?“, fragte Harumi ihn müde. Was will er denn von mir hören? „Bedien’ dich“, oder was? Sie schluckte, als ihr in vollem Ausmaß bewusst wurde, was sie ihm nun wohl oder übel schuldig war. 
Als er sich auf die Knie niederließ und nach ihrer Schulter griff, sich zu ihr lehnen wollte, zuckte Harumi beinahe reflexartig zurück und zugleich stemmte sie sich mit einer Hand gegen seinen Oberkörper, um ihn auf Abstand zu halten, es war schon fast unwillkürlich. 
Für einen Moment hielt Yuma inne. „Was ist?“, fragte er dann verärgert. „Hältst du dich etwa nicht an deine Abmachungen?“ Er schnalzte missbilligend mit der Zunge. Er machte nicht den Eindruck, als würde er sich von einem Mädchen wie ihr aufhalten lassen. 
Darum beeilte Harumi sich, etwas zu sagen. „W-warte nur kurz“, sagte sie leise und atmete tief durch, versuchte, die plötzliche Panik, die in ihr aufgekommen war, zu zügeln. Schließlich glaubte sie, wieder zu rationalen Gedankengängen fähig zu sein, und das obwohl Yuma ihr noch immer so nahe war und sich über eines ihrer Beine gekniet hatte. Als sie nun den Blick hob, traute sie sich jedoch kaum, Yumas Blick zu begegnen, doch sie riss sich zusammen. „Ähm … ist das … gefährlich? Wird es wehtun?“, wollte sie verzagt wissen. 
Für einen Moment stand so etwas wie Verwunderung in sein Gesicht geschrieben, dann grinste er wieder und dieses Mal konnte Harumi die beiden spitzen Eckzähne deutlich sehen. „Vielleicht mache ich für dich eine Ausnahme“, knurrte er dann und ehe Harumi reagieren konnte, hatte er sich zu ihr nach vorne gelehnt und seine Zähne in das Fleisch nahe ihres Halses geschlagen, dort wo eine ihrer größten Adern verlief. 
Ehe Harumi den Schmerz wahrnahm, war es der Schreck, der sie lähmte. Er hat also wirklich … echte Vampirzähne. Er ist … ein Vampir. Der Gedanke war so unwirklich und zugleich nicht mehr abzustreiten, vollkommen absurd und auf der anderen Seite hatte sie es doch die ganze Zeit über gewusst. 
Im nächsten Moment spürte sie, wie Yuma seine Fangzähne wieder aus der frisch geschlagenen Wunde zog, wie etwas Warmes über ihre Haut lief, in den Stoff ihres Tops sickerte. Als sie ein wenig den Kopf zur Seite wandte, sah sie rotes Blut über ihren Oberkörper, ihr Dekolleté fließen als wäre es frische Farbe. 
Und vollkommen entrückt wurde ihr klar, woran das lag, dass ihr Blut floss wie Wasser aus einem kaputten Gartenschlauch. Ihr Puls ging noch immer so schnell durch all die Anstrengung, dass ihr Herz die lebenswichtige Flüssigkeit mit kräftigen Pumpstößen aus der Wunde beförderte, so schnell, dass Yuma mit dem Trinken gar nicht hinterherkam. 
Als ein neuerlicher Schwall Blut aus der Wunde schwappte, verspürte Harumi nach dem ersten Schock nun echte Panik, der ungewöhnlich große, schnell vonstatten gehende Blutverlust versetzte ihren Körper in Alarmbereitschaft, doch ihr blieb nichts anderes übrig, als ihre Hände in Yumas Kleidung zu krallen, denn auch wenn ihr Instinkt ihr befahl, zurückzuweichen und der Gefahr irgendwie zu entkommen, konnte sie sich nicht aus Yumas Griff winden. Seine Hände lagen auf ihrem Rücken und er war viel zu stark für sie. 
„Yuma“, wisperte sie angstvoll und wollte sich ihm entziehen, doch es war nutzlos. 
„Ach, verdammt“, raunte Yuma in diesem Moment wenig begeistert, ehe er seine Lippen auf die Wunde legte und sie auf diese Weise vorerst verschloss, dann fuhr auch seine Zunge über die Bisslöcher, Yuma verzichtete darauf, an der viel zu stark blutenden Wunde zu saugen, stattdessen stoppte er die Blutung sogleich wieder. Dann sah er Harumi an, deren Oberkörper vor Blut regelrecht triefte. „Das war jetzt vielleicht nicht so schlau“, stellte er amüsiert fest und wischte sich das Blut aus dem Gesicht, leckte es dann genüsslich von seiner Hand. 
Harumi unterdessen versuchte, nicht den Verstand zu verlieren, doch es fiel ihr schwer. Immer wieder schnappte sie nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen, und sie spürte, wie sich eine Gänsehaut auf ihrem Körper ausbreitete, und das, obwohl sie von der Bewegung noch sehr aufgeheizt war, doch zugleich war ihr auch eiskalt vor Schreck. 
„Haru“, sagte Yuma da und griff nach ihrer Schulter. „Krieg’ dich ein, es ist alles gut.“ 
Da legte Harumi sich ihre Hände vor den Mund und rang einige weitere Augenblicke nach Atem und sie war nahe daran, zu hyperventilieren. In ihren Augen standen Tränen der Angst, doch sie flossen nicht. Es dauerte eine Weile, doch dann bekam sie sich wieder in den Griff. Schließlich gelang es ihr, wieder ruhig durchzuatmen. 
Yuma wartete unterdessen einfach nur, kniete vor ihr und beobachtete sie. Gerne hätte Harumi gewusst, was in seinem Kopf vorging, doch zugleich gab es auch Wichtigeres … 
Als sie dann wieder sprechen konnte, sah sie ihn einen Moment lang einfach nur strafend an, hoffte, dass er diesen Blick richtig deutete. „Und das hast du nicht kommen sehen?“, wollte sie gefährlich langsam wissen. „Das nächste Mal könntest du vorher wenigstens nachdenken.“ Sie zitterte. „Mensch, ich hätte krepieren können!“
„Das nächste Mal?“, hakte Yuma interessiert nach. 
Harumi schnaubte. War ja klar, dass ihn an der Sache nur eins interessiert. „Falls wir nochmal spielen, ja … vielleicht“, bestätigte sie nach kurzem Zögern. „Aber wenn du weiter so rücksichtslos bist …“ Sie ließ den Satz offen, er verstand sie sicherlich. 
Yuma lachte rau. „Frech bist du.“ 
„Entschuldige, ich bin ja gerade nur fast verblutet“, gab Harumi trocken zurück. 
„Ich hatte alles unter Kontrolle“, erklärte Yuma ruhig. 
„Sieht man“, murmelte Harumi und blickte an sich herab. Ihr Top war vollkommen durchweicht von ihrem Blut, und es klebte an ihrer Schulter, überall. Tiefrot und glänzend, doch auf ihrer Haut begann es bereits zu gerinnen und es fühlte sich unangenehm an. Sie sah zu Yuma. „Hast du denn überhaupt was abgekriegt?“, fragte sie dann und musste sogar lachen. 
„Zwei, drei Schlucke“, erwiderte der Vampir grinsend. „Es schmeckt gut, wenn du so aufgeheizt bist.“ Er lachte. „Daran könnte ich mich gewöhnen.“ 
Harumi konnte nicht anders, als zu grinsen. Seine sozialen Kompetenzen sind echt im Keller, aber wenn man ihn erstmal etwas besser kennengelernt hat … seine trottelige Art ist fast schon wieder liebenswert.
Nun stemmte sie sich in die Höhe und seufzte, für einen Moment hatte sie das Gefühl, das Gleichgewicht zu verlieren, doch dann fing sie sich wieder. „Hoffen wir mal, dass mich so keiner sieht“, meinte sie und nahm ihren Schläger und den Federball auf, ging damit zum Tor und dann zum Schuppen, wo sie die beiden Schläger sowie den Ball verstaute. 
Dann holte sie noch ihre Trinkflasche und vor dem der Turnhalle blieb sie dann stehen, suchte einen Moment lang nach den richtigen Worten. „Tja … hat Spaß gemacht“, meinte sie dann verschmitzt lächelnd. „Nur an dem letzten Part könnten wir noch ein bisschen feilen.“ 
Yuma grinste daraufhin nur. 
„Gut … also … ich geh’ mich dann jetzt umziehen“, meinte Harumi dann. „Mach’s gut.“ 
Yuma verschränkte die Arme vor der Brust. „Gehst du heute nicht zur Schule?“
„Doch, wieso?“, fragte Harumi verwundert. „Jetzt gleich.“ 
„Dann können wir doch gemeinsam gehen, oder nicht?“
Harumi zögerte einen Augenblick. Ich darf niemals vergessen, wer Yuma Mukami ist, schärfte sie sich selbst ein, doch dann lächelte sie ihren eigenen Gedanken zum Trotz erfreut und nickte. „Okay, klar“, meinte sie. „Aber du musst dich ein bisschen gedulden … ich dusch’ mich auch noch schnell.“ 
Yumas Grinsen wurde kaum merklich noch breiter. 
„Woran denkst du bitte?“, wollte Harumi amüsiert wissen, doch sie erwartete keine Antwort mehr, stattdessen betrat sie den Vorraum und ging dann in die Umkleidekabine, wo sie sich ihr blutiges Oberteil über den Kopf streifte. Der Rest ihrer Klamotten folgte, dann verschwand sie schnell in der Gemeinschaftsdusche, die jetzt allerdings gähnend leer war. 
Sie seufzte, als sie schließlich kaltes Wasser auf ihre von Sonne und Bewegung erhitzte Haut prasseln ließ und dann beobachtete sie die roten Blutschlieren, die das Nass einfärbten. Er hat mein Blut getrunken, dachte sie nun fast wie betäubt und berührte die beiden neu dazugekommenen Bisswunden nahe ihres Halses. Aber was hat das nun zu bedeuten?

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Puh, wow. Hat länger gedauert als erwartet, darum kommt das Kapitel so spät. Aber es kommt noch. Aber die Arbeit hat sich gelohnt, ich bin ehrlich gesagt ziemlich zufrieden ^.^ Ich hoffe, euch geht es genauso. 
Im Bezug auf Badminton xD Aber es hat hoffentlich genügt, oder? ^^

Fervent LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt