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Ich spürte Übelkeit in mir aufsteigen. Ich hatte das Gefühl, in der nächsten Sekunde erbrechen zu müssen. Ich wollte etwas sagen, doch brachte kein Wort heraus. 

Er hatte mir einen Heiratsantrag gemacht. 

Ich fühlte, dass ich dem Boden immer näher kam und plötzlich nahm ich nur noch Schwärze um mich wahr.

Willst du es wirklich?

Ist er der, mit dem du es willst?

Ist er der, den du liebst?

Ich wachte auf dem Bett in unserem Hotelzimmer wieder auf. Langsam schaute ich mich um. Stückweise kamen die Erinnerungen zurück. Auch die Erinnerung an Kikis Stimme, die zu mir gesprochen hatte, bevor ich endgültig weggekippt war. Gruselig. Aber ein Traum, eine Halluzionation. 

Plötzlich schreckte ich auf. Der Flug. 

Ich schaute in strahlend blaue, mir unbekannte, Augen. 

"Hi, I'm Mr Wilson, your Doctor. It was just a circulatory collapse. Everything's okay. Mr Seipl called the airline. Your flight was postponed to tomorrow."

Ich nickte langsam. 

Ich war nicht etwa wegen meiner Gesundheit, schließlich war ein Kreislaufkollaps doch wirklich nichts Schlimmes. Mehr Sorgen machte ich mir stattdessen, über die Antwort, die ich Martin geben würde müssen.

Wollte ich ihn heiraten?

Eigentlich sollte die Antwort auf diese Frage klar sein, jedoch zögerte ich, aus welchem Grund auch immer. Ich liebte ihn doch!

"Yea, yea, thank you", bedankte ich mich halbherzig bei dem Arzt, der immer noch auf meinem Bett saß, "you can go."

Er nickte, packte seine Sachen zusammen und verließ das Hotelzimmer. 

Ich wusste, dass ich nicht sehr nett zu ihm gewesen war, doch ich brachte Zeit zum Nachdenken. 

Da unser Flug verschoben worden war, würde Martin und ich noch einen Tag hier, auf den Malediven verbringen. Und ich wusste, dass die erste Frage, wenn der das Zimmer betreten würde, lauten würde, was meine Antwort sei.

Doch was war meine Antwort?!

Kiki hatte mich verunsichert. Obwohl sie nicht einmal da gewesen war. Doch im Inneren wusste ich, dass sie genau das gesagt hätte. 

Ich stürzte meinen Kopf in meine Hand. Was sollte ich sagen? Was sollte ich sagen? Was sollte ich verdammt nochmal sagen?!

In diesem Moment betrat Martin auch schon das Zimmer.

"Wie geht es dir mein Schatz?" Er drückte mir einen Kuss auf die Wange.

"Besser", antwortete ich kanpp.

"Kippst mir einfach während meinem Heiratsantrag weg." Er schüttelte lächelnd den Kopf.

Ich versuchte auch zu lächeln, doch das gelang mir nicht wirklich gut. 

"Bekomme ich jetzt eine Antwort?"

Was sollte ich tun?! Ich hatte einfach kein gutes Gefühl dabei. 

"Mir ist schwindelig. Bitte hol mir doch ein Gals Wasser", sagte ich schnell.

Martin stand sofort auf, ging ins Badezimmer und befüllte mir ein Gals.

"Danke", murmelte ich, als ich es nahm und in einem Zug austrank. 

"Also?"

"Also was?"

"Willst du mich heiraten?"

Scheiße.

"Ich... Martin... ich..."

"Liebst du mich nicht?", fragte er mit einer Stimme, aus einer Mischung aus Enttäuschung, Angst, Wut und Nervosität.

"Nein, nein, das ist es nicht."

"Was ist es dann?"

"Es ist... naja, wir sind erst seit einem halben Jahr zusammen."

"Sieben Monate", korrigierte er mich.

"Gut, sieben Monate. Ich will wirklich einmal heiraten, Kinder kriegen, das alles. Aber ich habe mir vorgenommen, dass eine Beziehung davor mindestens ein bis zwei Jahre laufen muss."

"Auch, wenn es der Richtige ist?", fragte Martin schmunzlend. Trotzdem konnte ich das Misstrauen hören.

"Du wirst dich wohl noch ein wenig gedulden müssen", sagte ich, endlich gelang mir ein Lächeln. 

Mein Freund küsste mich zärtlich. "Alles klar", seufzte er. 


Daheim nahm ich sofort mein Handy, um meine beste Freundin anzurufen. Ich erzählte ihr die ganze Geschichte, auch dem Teil, als sie mir erschienen war. Gruselig.

"Er hat dir einen Heiratsantrag gemacht?", fragte sie zum minstestens fünften Mal ungläubig.

"Mhm..."

"Hast du Ja gesagt?"

"Vorerst nicht."

"Du hast Nein gesagt?"

"Vorerst nicht."

"Was hast du denn dann vorerst gesagt?"

"Dass mir unsere Beziehung noch zu kurz dauert."

Ich konnte Kiki förlich vor mir sehen, wie sie den Kopf schüttelte. 

"Weißt du was, ich erzähle dir ein anderes Mal alle Einzelheiten", verabschiedete ich mich.

Jetzt brauchte ich einen Plan. Obwohl Martin eingewilligt hatte zu warten, spürte ich, dass unser Vertrauen geschädigt war, zumindest seinerseits. Er schaute mich ständig mit einem seltsamen Blick an oder fragte mich komische Sachen, wie, mit wem ich telefoniert hatte. Wie sollte ich dieses Vertrauen wiederherstellen?

Ich war so und so eine schreckliche Freundin. Ich hätte Ja sagen sollen. Mir wurde von Minute zu Minute bewusster, dass er der Richtige für mich war. Er war der Mann, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen wollte. 

"Martin?"

"Ja?"

"Ich... Es tut mir leid?"

"Du... du machst Schluss mit mir?!"

"Nein! Es tut mir leid, dass ich so gemein war, ich will dich wirklich heiraten..."

"Nur du willst warten. Schon okay."

"Wirklich?"

"Ja, klar."

Ich umarmte ihn. "Danke."



Heute fing die Schule wieder an. Das zweite Halbjahr. Die Zeit verging so schnell. 

Ich betrat das Lehrerzimmer. Es waren noch nicht viel da. Doch einer war da. Simon.

"Guten Morgen", grüßte ich ihn. Ich hatte ganz vergessen, dass wir zerstritten waren. Doch es fiel mir wieder ein, als er es nur mit einem halbherzigen Nicken erwiderte.

Simon schrieb wie immer irgendetwas. Er fand immer irgendwas zum Schreiben. Ich hatte keine Ahnung, was er immer schrieb, doch es dürfte interessant sein, er tat es nämlich immer, wenn er gerade keine Arbeit hatte. 

Ich setzte mich auf meine Platz und räumte meine Sache aus. Dabei schaute ich Simon, der mir gegenüber saß, die ganze Zeit an, doch er schaute kein einziges Mal zurück. 

Ich hatte ihn wirklich verletzt. 

Jetzt gab es schon zwei Dinge, die ich geradebiegen musste. Martins Vertrauen und die Freundschaft mit Simon, denn mir wurde immer bewusste, wie wichtig sie mir war. Denn Simon war für mich nicht nur ein Freund er war ein ... Seelenverwandter. 

Und Seelenverwandte leiß man nicht einfach ziehen. Um sie kämpfte man.



Ich weiß, die letzten Kapitel waren sehr trocken, aber ich werde versuchen, die Geschichte ein bisschen interessanter zu machen. 
Versprochen!





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