Ein kleines Zeitfenster

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~Wochen nach Lokis Verurteilung~

Ich starrte auf meinen Block und hielt meinen Bleistift so fest in der Hand, dass es schon weh tat. Seit zwei geschlagenen Stunden sitze ich schon hier und versuche krampfhaft etwas zu zeichnen, doch es gelang mir einfach nicht.

Nach Wochen hatte ich meine Gemächer verlassen. Ausgerüstet mit Zeichenblock und Bleistift habe ich mich auf den Weg in Friggas geliebte Gärten gemacht und mir ein schattiges Plätzchen gesucht. Da es ziemlich warm war trug ich ein luftiges rosa Kleid und hatte meine braunen Haare zu einem unordentlichen Dutt zusammengebunden.

Meine Arme und Hände waren voller Farbflecken, die ich noch nicht entfernt hatte.

Ich habe die vergangenen Wochen nur mit malen verbracht. Zuallererst waren es immer nur Portraits von Loki gewesen. In fast jeder Ecke unserer Gemächer ragte nun eines seiner Portraits. Ich hatte ihn aus jeder erdenklichen Perspektive und jeden Gemütszustand porträtiert. Mal war er im Profil mit einem lächeln auf den Lippen abgebildet. Mal sah man ihn von vorn, während er seine Augen geschlossen und den Mund leicht geöffnet hatte.

Doch irgendwann wurden meine Bilder düsterer. Die Portraits von Loki verschwanden und ich malte grausige Dinge. Ich wusste nicht woher die Bilder kamen, doch es fühlte sich so an als ob sie in meinem inneren schlummerten und auf irgendeine Art und Weiße hinaus wollten. Und da ich nun einmal Künstlerin war verlieh in diesem Schrecken somit ein Gesicht.

Meine Bilder waren von Gewalt und Tod gekennzeichnet. Ich wusste nicht woher die Bilder kamen, doch ich erschreckte mich immer wieder selbst aufs Neue. Aus diesem Grund sitze ich nun hier, in der Hoffnung die düsteren Gedanken zu vertreiben und endlich wieder etwas fröhlicheres zeichnen zu könne. Doch ich scheitere immer wieder. Egal wie oft ich schon die ersten Striche gesetzt habe, so kam mir gleich wieder eine Schreckensszene in den Sinn.

„Es freut mich dich hier draußen zu sehen.", riss mich die Stimme Friggas aus meinen dunklen Gedanken.

Erschrocken sah ich zu ihr auf. Sie stand nicht weit von mir entfernt. Sie trug ebenfalls ein luftiges Kleid und dennoch sah sie elegant und königlich aus. Ich bewundere diese Frau schon seit meiner Kindheit. Sie war nicht nur wunderschön sondern auch hoch intelligent und besaß eine Sanftheit, die sie zur perfekten Königin und Mutter machten.

„Ich habe etwas für dich.", beantwortete sie meine unausgesprochene Frage und schenkte mir dabei ihr liebliches Lächeln.

Sie reichte mir einen kleinen zusammengefalteten Zettel und nickte mir aufmunternd zu. Sofort entfaltete ich den Zettel und las mir die Botschaft darauf durch, die in fein säuberlicher Schrift geschrieben war.

Der Schichtwechsel findet heute wie üblich kurz nach Sonnenuntergang statt. Doch Aufgrund einer kurzen Besprechung über neue Sicherheitsmaßnahmen verzögert sich der Wechsel um 10 Minuten. Ausreichend Zeit um etwas Wichtiges zu erledigen nicht war?

PS: Vermassle die Chance nicht! Du hast nur ein kurzes Zeitfenster.

Ein Freund

Verwundert sah ich von der Nachricht auf und wollte Frigga fragen von wem sie stammt, doch sie war bereits gegangen. Hektisch sah ich zum Horizont und musste feststellen, dass nicht mehr viel Zeit bis Sonnenuntergang war. Mit zittrigen Beinen stand ich auf und lief Richtung Palast. Meine Zeichensachen ließ ich einfach liegen und den kleinen Zettel warf ich in die nächste Feuerstelle.

Ohne Rücksicht auf andere Asen rannte ich durch die Gänge und stieß den ein oder Anderen beinahe um. Empörte Blicke von einer Gruppe Frauen verfolgten mich, ehe ich in den nächsten Gang bog und nun nicht mehr weit von den Verließen entfernt war. Ich kam schlitternd zum stehen am Ende des Ganges und spähte mit klopfenden Herzen um die Ecke. Am Eingang des Verlieses standen noch immer Soldaten und bewachten die Gänge. Ruckartig zog ich meinen Kopf zurück, als einer der Wachen in meine Richtung sah.

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