Ein Plan

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Stumm stand ich hinter Thor und sah dabei zu, wie das Boot, indem Friggas Leichnam lag, über das Wasser glitt. Ich war im Laufe meines Lebens schon auf vielen Beerdigungen gewesen, doch bisher waren es immer Beerdigungen von Menschen gewesen. Von Menschen die ich im Laufe meines langen Lebens auf Midgard kennen gelernt hatte. Bei ihnen wusste ich von Anfang an, dass ich sie überleben würde. Es war der Preis, der unser eins bezahlte, wenn er sich mich Menschen umgab. Die letzte Beerdigung, an der ich teilgenommen hatte, war die von Howard Stark und seiner Frau 1991 gewesen.

Doch dieses Mal war es etwas völlig anderes. Frigga war vielleicht nicht meine Mutter gewesen, und doch habe ich mich immer als eines ihrer Kinder gesehen. Und auch für sie war ich stets eine Tochter, schon lange bevor sich zwischen Loki und mir mehr als Freundschaft entwickelte. Sie war... sie war die Frau die ich stets sein wollte, zu der ich aufsah und noch so vieles mehr.... Immer wieder kamen mir unsere letzten Gespräche in den Sinn. Wir redeten, wie sollte es anders sein, über Loki. Sie hatte nie den Glauben in ihren Sohn verloren. Ihr größer Wunsch war es gewesen, dass ihre Kinder (egal ob leiblich oder nicht) glücklich waren. Und nun gestattete man es ihrem jüngeren Sohn nicht einmal an ihrer Beerdigung teilzunehmen. Nicht einmal diese Gnade konnte Odin ihm gewähren.

Tränen liefen mir über meine Wangen und ich drehte mich ohne ein Wort herum und lief durch die Menge. Es war mir egal, was die Anderen dachten. Es war mir völlig gleichgültig, dass mir die Blicke meiner Freunde und Familie folgten. Ich eilte so schnell mich meine Füße trugen in Friggas Gärten.

Das hatte ich schon immer getan. Wenn mir alles zu viel wurde und ich mit meinen Gefühlen nicht richtig umzugehen wusste, lief ich davon und suchte mir einen sicheren Ort um vorerst für mich allein zu sein. Früher, als ich noch ein Kind war, wusste ich das Loki mich nach einer gewissen Zeit, wenn er glaubte ich wäre genug für mich allein gewesen, aufsuchte. Es hatte immer gut getan mit ihm zu reden, wenn ich meine Gefühle wieder halbwegs im Griff hatte. Ich war vielleicht nicht ganz so ein Einzelgänger wie Loki, doch ich mochte es nicht wenn andere meine Gefühle allzu deutlich bemerkten, wenn selbst ich ihnen nicht recht Herr werden konnte. Ich fühlte mich dann immer so ... verwundbar. Flucht erschien mir in solchen Situationen als die beste Option. So konnte ich mich in Ruhe meinen Gefühlen stellen, ohne dass Andere mein Verhalten bewerten.

Stumm setzte ich mich an Friggas und meinen Lieblingsort und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Auch nachts waren ihre Gärten wunderschön. Fackeln tauchten den Garten in ein angenehmes Licht und überall wo man hinsah, konnte man Glühwürmchen herumschweben sehen. Es war vollkommen ruhig, so als ob auch die Natur von Frigga abschied nehmen wollte. Schwer atmend sah ich in den Himmel.

„Frigga... ich verspreche dir, ich werde nicht aufgeben alles mir mögliche zu tun, bis dein Sohn wieder glücklich ist. Ich schwöre dir, ich werde deinen letzten Wunsch erfüllen. Ich werde... ich werde deinen Glauben in das Gute nicht enttäuschen.", sprach ich leise.

„Ich weiß mein Kind. Und ich glaube fest daran, dass alle meine Kinder eines Tages glücklich sein werden."

Ich weiß nicht ob es die Trauer war, doch ich glaubte ihre Stimme gehört zu haben. Unwillkürlich musste ich lächeln und an die vielen schönen Momente mit Frigga denken. Und so saß ich in ihren Gärten, ganz allein, und gedachte still meiner zweiten Mutter, während das Universum über mir funkelte.

Ein friedlicher Moment, im Auge des Sturms.

~ Am nächsten Tag ~

Ich saß in Lokis und meinen Gemächern und grübelte über ein paar Bücher die ich gerade studierte, als es laut an der Tür klopfe. Verwundert über den plötzlichen besuch stand ich auf und öffnete die Tür. Vor mir stand ein aufgebrachter Thor, der sich ohne umschweife an mir vorbei schob und durch den Raum schritt. Vor Lokis Schreibtisch, der durch meine Nachforschungen über und über mit Büchern, Notizen und Skizzen bedeckt war, blieb er stehen und sah stirnrunzelnd auf mein Chaos.

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