"Denn das Leben wird zwar vorwärts gelebt, aber nur rückwärts verstanden."
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"Nichts anfassen. Keine dummen Fragen stellen, okay?", sagte Harry mit finsterer Miene. "Okay", antwortete ich leise. Die Tür fiel ähnlich wie bei meiner kleinen Zelle mit einem lauten krachen zu. Wie immer standen wir still da und ich ich atmete so laut wie ein schnarchender Asthma Patient. Hustend drehte ich mich um die eigene Achse, um meine Umgebung genauer zu erkunden. Graue Wände, Matratze - Standartzimmer - aber warum sollte ich mir dann sein Zimmer ansehen, wenn es genauso aussieht wie meins? Grübelnd suchte ich nach außergewöhnlichen Dingen. "Ist alles in Ordnung bei dir?", er zog die Augenbrauen hoch.
"Ähm ja, ja natürlich.. Willst du mir dein Reich nicht vorstellen?", fragte ich zimperlich und spielte an meinen Fingern herum. "Okay. Also das da ist eine Matratze, darauf schläft man und das da ist eine Wand, die ist grau. Punkt.", sagte er mit einer leicht ironischen Stimme. "Wow, du weißt schon, dass ich Augen habe oder? Ich sehe wohl , dass die Wände nicht grad rosa sind?"
Schnaufend setze er sich auf seine Matratze und sah zu mir hoch, "Was hast du denn erwartet Rose?", er fuhr sich durch die Haare, "Dachtest du ich wäre besonders? Hätte hier Privilegien? Dachtest du, mein Zimmer wäre im Kontrast zu den anderen ein Schloss? Nein, ich bin so wie jeder andere. Mein Zimmer sagt dir gar nichts und im Prinzip muss ich mir nicht einmal die Mühe machen in dein Zimmer zu gehen, denn - oh Wunder - es wird genauso aussehen wie meins."
Ich setze mich neben ihn, "Ja, aber ich dachte wenn ich schnell auf diesen Theraphie Kram eingehe, dann .. -". Er unterbrach mich, "- dann was? Du kommst hier nicht so schnell weg. Manchmal habe ich das Gefühl, dass sie einem gar nicht helfen wollen. Sie wollen dass du dich hier umbringst. Teil der Trophäe auf dem Friedhof da wirst. So wie er."
"Er?", fragte ich vorsichtig. Seine Gesichtszüge verrieten mir bereits, dass ich jetzt lieber die Klappe halten sollte, "Tut mir leid, das ist etwas privates." Harry nickte nur, stand langsam auf und ging zu dem kleinen Fenster. Hinter seiner Matratze erkannte ich ein kleines braunes Buch. Langsam zog ich es hervor, Harry bemerkte es zum Glück nicht. >> Diary<< stand auf dem aus Leder gefertigtem Buch. Als er sich umdrehte, steckte ich es schnell in meine Tasche und stand ruckartig auf. "Gut. ähm, ich gehe dann mal.", lächelnd näherte ich mich der Tür. Harry winkte mir nur kurz.
Scheiße, Scheiße, Rose verdammt, warum krallst du dir auch sein Tagebuch - Jetzt muss ich zusehen wie ich es unauffällig wieder zurück bringe. "Scheiße!", flüsterte ich durchgehend auf dem Weg in meine Zelle.
Dort angekommen, kauerte ich mich in die Ecke, zog mir die Decke bis zum Kinn hoch und öffnete das Buch von Harry...
***
Stundenlang saß ich da, alleine in der Ecke und las. Das hier war kein gewöhnliches Tagebuch, es war ein Kunstwerk - so wertvoll wie die Existenz des Menschen an sich. Harry war nicht normal, es hat mich angelogen, auch wenn diese Lüge vielleicht berechtigt war und er gar nicht merkt wie anders er ist. Seine Tattoos, sein Blick, seine Haare, sein Gang, sein Geruch - alles findet sich in seinen Worten wieder und ich glaube fest daran, dass jeder, wirklich jeder Harry vor sich sehen würde, sobald er oder sie es lesen würde. Fassungslos starrte ich diese Wörter an. Und nachdem ich die Hälfte des Buches durchhatte begann ich zu weinen. Ich wusste nun wer 'Er' war. Harry hat alles aufgeschrieben.
"Blake sagte immer, die Emotionen manifestieren sich in dem Gehirn eines Menschen und werden so zu einem Gedanken und diesen Gedanken müssen wir mit Worten erklären. Diese Wortwahl kommt einem lyrischen Text gleich. "Wir müssen aufpassen, sagte er, wir könnten uns in diesen Gedanken verlieren - die Obsessionen würden unseren Tod bringen. Er brachte mich dadurch zum lachen, ich glaubte ihm schlichtweg nicht. Doch als ich dann an seiner Tür klopfte und nur eine tote Hülle vor mir sah, in einer Blutlache, da wusste ich das er recht hatte. An seinem Grab war ich der einzige der weinte, der einzige der dort war. Keiner kannte ihn und ich wollte nicht dass sein Leben so einfach in Vergessenheit geriet."
Tränen, ach quatsch ein Wasserfall floss über meine Wangen - Ich legte das Buch zur Seite und rollte mich zu einer kleinen Schnecke zusammen, hoffte auf das Ende dieses Albtraumes.
***
"ROSE! VERDAMMT ROSE ÖFFNE DIESE VERDAMMTE TÜR ODER ICH TRETE SIE EIN!", Harry hämmerte aufgeregt mit seinen Fäusten gegen die Tür. "Scheiße! Das Buch"
Schnell sprang ich auf, legte es unter mein Kissen und rannte zu der Tür. "ROSE!", schrie er erneut. "Die Tür ist offen, bitte schrei nicht", ich sah auf meine nackten Füße herunter und hoffte dass er mein verschmiertes Make up von gestern nicht sah. "Wo ist es?", er sah sich suchend um. "Was denn? Ich bin hier.", schief grinste ich ihn an. "Du weißt ganz genau was ich meine.", erschöpft sah er mir in die Augen. "Es tut mir so leid Harry! Ich wollte es nicht nehmen,", weinend lief ich zu der Matratze, nahm das Buch und gab es ihm. Kopfschüttelnd sah er mich an und biss sich auf die Lippe. Er war wütend, spannte seinen ganzen Körper an, brachte aber kein einziges Wort heraus. "Blake hätte dich jetzt fertig gemacht, aber ich bin nicht Blake. Halt dich von mir fern Rose", mit diesen Worten verabschiedete er sich.
Ich atmete tief durch, zog meine Jacke über, schlüpfte in meine Stiefel und ging raus. Den Weg zum Friedhof wusste ich noch genau. Durch den Schnee stampfend reflektierte ich die letzten Tage. Alleine stand ich in den Schneemassen und meine Gedanken tanzten um mich herum - das schlimmste daran ist ja, dass sich praktisch alles in meinem Kopf um Harry dreht. Ich lief los und blieb erst wieder stehen, als ich vor Blakes Grab stand...
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Halloooo, das hier ist meine 2. Fanfiction und ich hoffe das sie euch gefällt :)
Feedback ist immer sehr gut ♥
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FRAGMENT [h.s.]
FanfictionRose wird von ihren Eltern in eine Anstalt geschickt, in der sie lernen soll das Leben zu schätzen. Dort trifft sie auf den geheimnisvollen Harry, dessen Gedanken sie in den Abgrund des Todes ziehen.