Kapitel 17 - Vage Visionen

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Chloé

Wärme.
Orange-glühende, bis in die Knochen gehende Wärme.
Das war es also? Das war der mystische Hokuspokus, der mir coole neue Telepathie-Kräfte geben sollte?
Für mich wirkte es eher wie eine abendliche Sauna-Session im Spa. Nicht gerade unwillkommen, aber irgendwie fehl am Platz.
Keine Posaunen, kein Blitzlicht? Kwamis waren wohl echte Sparbrötchen was Magie anging. Tse!
Mit einem Mal erhellte sich die warme Dunkelheit und ich blinzelte ein paar mal. Fort waren Dragon und Paris, stattdessen befand ich mich in einer Art goldenen, grenzenlosen Sphäre. Ein bisschen so wie damals, als ich mit Adri-Cheri in Pixelators Fotowelt gefangen gewesen war.
Wenigstens ist das hier einigermaßen hübsch, dachte ich achselzuckend. Hatte ich ein Glück mit meinem Miraculous gehabt! Gold schien so etwas wie Queen Bee's Markenfarbe zu sein, und da konnte ich mich definitiv nicht beschweren. Es gab doch nichts über ein bisschen Glamour.
Als hätte mich meine Umgebung gehört, erschien vor mir mir auf einmal ein funkelndes, strahlendes Lichtbündel, das verdächtig nach Pollen aussah. Ihre Gestalt war verschwommen und schien nicht wirklich körperlich zu sein, jedoch stetig an Festigkeit zu gewinnen.
Das musste Dragon's Werk sein; er weitete die Verbindung zwischen mir und Pollen aus!
Ich runzelte die Stirn. Irgendetwas schien nicht ganz in Ordnung zu sein.
»Pollen? Hey, hörst du mich?«
Ungeduldig wollte ich sie an stupsen, was sich als wenig clever herausstellte. Das Licht flackerte auf einmal, bevor es mit einem Schlag einen gewaltigen Impuls abgab. Geblendet und fluchend stolperte ich rückwärts. Was zur Hölle...?!
Etwas hinter meinen Füßen ließ mich straucheln und unsanft auf den Hintern fallen, während meine Sicht langsam zurückkehrte.
Was- Was war passiert? Die goldene Sphäre und Pollen waren verschwunden, stattdessen war ich... zu Hause? Im Foyer des Le Grand Paris?
Das, was mich zu Fall gebracht hatte, waren die Treppenstufen gewesen. Und unten, vor der Rezeption stand eine nur zu vertraute blonde Gestalt.
»M-Maman?«
Sie wandte mir langsam das Gesicht zu. Ihre Wimpern blinzelten träge, ihre pink geschminkten Lippen waren zu einem perfekten kleinen Lächeln verzogen. Sie sah genau so aus, wie ich sie in Erinnerung hatte. Wie ein Fotomodel, das aus dem Katalog entsprungen war und nun die Welt mit Smalltalk und preisgekrönten, nicht zu breiten und nicht zu schmalen Mini-Lächeln beglückte.
»Maman! Du- Du bist wieder da!«, rief ich, und gegen meinen Willen Schlich sich hoffnungsvolle Freude in meine Stimme. Mit schnellen Schritten hüpfte ich die Treppe hinunter, aber Maman verzog keine Miene.
»Chloé, mein Schätzchen, Mama hat dich ja so vermisst!«, zwitscherte sie, ohne das Foto-Lächeln zu verlieren. Mein Herz machte einen glücklichen kleinen Zusatzschlag.
»Oh... wie die Zeit rennt.«, fuhr Maman fort und sah auf die golden eingefasste Uhr an ihrem Handgelenk. Immer noch lächelnd sah sie wieder zu mir hoch.
»Es war schön, dich zu sehen, mein Schatz!«
»Was?«, kam es mir verwirrt über die Lippen und ich blieb schlitternd stehen. »W-Warte, halt!«
Aber sie schien mich nicht zu hören.
»Bis zum nächsten Mal!«, flötete sie mit heiterer Stimme und ich fing wieder an zu rennen.
»Hey!«, rief ich entsetzt, »Bleib hier, Maman, warte!«
Aber der Boden schien sich zu verzerren und zu strecken während meine Mutter davon spazierte; je schneller ich rannte, desto weniger kam ich voran.
»Maman!«
Wie ein überdehntes Gummiband flitzte der Boden plötzlich zu seiner normalen Struktur zurück und mein Schwung katapultierte mich nach vorn. Unsanft stolperte ich gegen Maman, die sich umgedreht und mich aufgefangen hatte. Nur dass es nicht mehr Maman wahr. Ihre schmalen Wangenknochen verzogen sich, wurden runder und weicher, und ihr elegantes Sonntagskleid verwandelte sich in eine dunkelblaue Schürze.
An ihrer Stelle stand nun eine brünette kleine Frau mit lavendelfarbenen Augen, die mich verwirrt anlächelte.
»Alles in Ordnung, junge Dame? Kann ich dir helfen?«
Erschrocken machte ich einen Schritt zurück. W-Was war passiert? Ich war nicht länger im Hotel, stattdessen stand ich in einem hellen, nach Blumen duftenden Raum. Überall standen flache Tische, die mit verschiedensten Blütenpflanzen bestückt waren.
»Willst du ein Herbst-Gesteck kaufen?«, fragte die Fremde weiter. »Wir haben zu dieser Jahreszeit ein paar ganz besondere Schönheiten! Sonnenblumen, Hortensien, Dahlien... Oder vielleicht eine Päonie? Pfingstrosen sind vielleicht nicht Saison-gemäß, aber in China gelten sie...«
Die Frau verfiel in einen schnatternden Monolog über Nationalgewächse und Blütenformen, den ich aber sofort ausblendete. Meine Aufmerksamkeit galt einer ganz bestimmten Pflanze. Sie hatte gelb-orangene, lange Blütenblätter und wuchs in einer recht großen Staude, die mich etwas an eine Mischung aus Bambus-Sprösslingen und Bananenblättern erinnerte.
Auf den feurig gefärbten Blüten saß ein großes, unheilvoll glühendes Insekt. Ein Schmetterling, aber in untypischen Farben: seine Flügel waren nachtschwarz und von gelb-roten Adern durchzogen, die sich wie Lawa auf Asche anmuteten. Der Falter hatte seinen Rüssel im Nektar versenkt, und seine überraschend stabilen Beine hatten Löcher in die Blüten gerissen. Er war wie ein Parasit, der seine Wirtspflanze langsam auszehrte. Unter seinem unermüdlichen Fressrausch färbten sich die Blüten in einem schalen, kraftlosen Grau. Wie... ausgebrannt.
Wie von selbst hob sich meine Hand, geradewegs auf den parasitären Schmetterling zu. Ekel stieg in mir hoch, doch bevor meine Finger das Insekt berühren konnten, senkten sie sich auf die Blume selbst. Ein warmes Gefühl machte sich in mir breit, das sich langsam aber sicher auf die Pflanze übertrug. Täuschte ich mich oder schimmerte da kurz etwas Goldenes zwischen dem verblassenden Grün und Orange auf? Fast so wie Ambrosia... Auf einmal gab der Schmetterling ein Zischen von sich, seine Flügel fingen an hektisch herum zu flattern. Die Blütenblätter heilten unter seinem spitzen Beinchen, die ausgezehrten Farben kehrten zurück. Der Unruhestifter dagegen verlor an Farbe, das Schwarz verblasste und das Gelb löste sich in feinen, vom kleinsten Hauch davongetragenen Flöckchen. Bevor ich begreifen konnte, was vor sich ging, zersprang der Schmetterling in einem Schauer aus Blütenstaub.
Mit ihm löste sich auch der Blumenladen und die seltsame Verkäuferin auf und ich fand mich in einem Dorf wieder, das dem Ziel unserer letzten Klassenfahrt nicht unähnlich war. Nur dass die Häuser im Schnee versanken, Fensterscheiben waren zersprungen und mit Frost bedeckt. Krallenspuren zogen sich über Türen und Dächer der Häuser, die noch einigermaßen intakt waren, der Rest war völlig zerstört. In der Mitte der Siedlung war ein kleiner Platz, dessen Mitte eine Art Feuerstelle zierte. Statt Holz kauerte dort eine zierliche Gestalt. Sie brannte! Schwarze Flammen züngelten an ihr hoch, fraßen das schwarz ihrer Haare und färbten sie weiß. Wer auch immer das Mädchen wirklich war, jetzt war sie Auphelia und ihre Augen wanderten wie in Trance über das zerstörte Dorf. Sie murmelte etwas, aber ich konnte sie über das Rauschen der Flammen nicht verstehen. Ihr Gesicht war schmerzverzerrt, aber sie machte keine Anstalten, das Feuer zu löschen. Stattdessen stand sie auf, zwischen dem Schmerz und der allgegenwärtigen Wut blitzte so etwas wie... Gleichgültigkeit durch. Resignation. Hoffnungslosigkeit.
»Vater«, wimmerte sie, das Gemurmel stieg zu einem Wehklagen an. »Vater!«
»Queen Bee!«, rief eine andere Stimme und ich wirbelte herum, auf einmal wieder in Paris. Dragon rief meinen Namen und rannte auf mich zu, erleichtert kam ich ihm entgegen. Ein Zischen und Knirschen war die einzige Warnung, die ich bekam, dann baute sich zwischen uns plötzlich eine eisige Wand auf.
Hinter dem Eis konnte ich Dragons Silhouette ausmachen, doch die kristalline Masse verzerrte meine Sicht. War das wirklich noch Dragon hinter dem Eis? Beinahe meinte ich, Auphelia wiederzusehen, über einer brodelnden schwarzen Masse schwebend. Ein paar hauchdünne Fäden hielten sie in der Luft, ein gezielter Schnitt und sie würde in die schnaufende Glut stürzen.
Mein Atem ging schnell und panisch als sich die Visionen immer schneller veränderten. Maman, Dragon, Auphelia, einmal erhaschte ich sogar einen kurzen Blick auf Meister Fu bevor ich wieder in den nächsten Albtraum befördert wurde. Wo war ich? Warum hörte es nicht auf?
Nach einer Ewigkeit nahm der Mahlstrom an Bildern tatsächlich ab und die goldene Sphäre kehrte zurück. Bekannt, simpel und genau so, wie vorher - bis auf Pollen, die jetzt vollständig erschienen war.
»Ah, hallo Süße! Sieht so aus, als hätte- ist alles in Ordnung? Du bist so blass.«
Meine Knie zitterten noch immer und ich schüttelte den Kopf.
»I-Ich hab nichts gemacht, wirklich! Es war nicht meine Schuld! Da waren... Orte... Leute... Sachen eben, aber nichts hat Sinn gemacht! Es war so gruselig...«
Pollen schwirrte tröstlich um mich herum und legte ein Ärmchen auf meine Stirn. Es erinnerte mich ein bisschen an Papa und wie er mir als Kind die Hand auf die Stirn gelegt hatte, wenn ich fieberte.
»Alles ist gut, Süße.«, beteuerte sie und tätschelte meine Haare. »Manchmal sind Visionen mehr sinnbildlich zu sehen. Metaphern, wenn du so willst. Keine Sorge, es war nicht real.«
Langsam normalisierte sich mein Puls wieder und mir wurde klar, was ich für ein Bild abgeben musste. Total durch den Wind wäre eine sehr wohlwollende Bezeichnung gewesen.
Sofort richtete ich mich etwas auf und hob das Kinn.
»Schon klar, natürlich! Du hättest mich nur mal darauf vorbereiten müssen, dass sich das alles hier in ein 4D-Kino ohne Ausgang verwandelt, sobald man was anfasst. Hmp!«
Pollen seufzte und verdrehte die Augen.
»Ach, Süße, deine freundliche Art ist doch wirklich deine größte Tugend.«
»Sarkastische Stubenfliege!«
»Eingebildete Egomanin!«
»Tse!« Ich schwang meinen Zopf über die Schulter. »Lass uns hier endlich verschwinden, bevor ich von deinem Herumgeflatter Heuschnupfen kriege!«
Sie schwirrte nochmal provokativ um mich herum, dann verschränkte sie die Arme.
»Wie du wünschst, Prinzesschen!«
Mit einem kurzen Aufblitzen verschwand die goldene Sphäre und ich öffnete die Augen. Über mir erstreckte sich der grau-blaue Nachtmittagshimmel und mein Kopf lag etwas erhöht. Ich blinzelte ein paar mal bevor ich mich orientieren konnte.
Ich war offenbar umgekippt, denn ich lag auf dem Rücken, meine Hände immer noch mit Dragons verflochten. Der saß im Schneidersitz hinter mir und beobachtete mich besorgt. Dass mein Kopf höher lag, lag daran, dass ich halb in seinem Schoß lag.
Ich blinzelte erneut.
Ich lag in Dragons Schoß.
Ich... lag in Dragons Schoß.
Mit einem Kieksen, das jeden Pterodactylus vor Neid erblassen ließe, schoss ich hoch und machte einen halben Purzelbaum, bevor ich kopfüber gegen den Schornstein krachte.
»Nun, das war unbestreitbar die anmutigste Zerstörung eines romantischen Moments die ich je gesehen habe.«, bemerkte Pollen trocken und ich begann bereits, die ganze Telepathie Sache zu bereuen.
»Alles okay?«, kam es von Dragon. Seine Bemühungen, Haltung zu bewahren konkurrierten heftigst mit seinem unterdrückten Gelächter, was zu einem Schluckauf-ähnlichen Hüsteln führte.
»Alles bestens«, nuschelte verlegen und verdeckte mit den Händen meine feuerroten Wangen.
Peinlich peinlich peinlich!
»Wirklich?«, fragte er, unterbrochen von einem glucksenden Hickser. »Du siehst etwas, äh, durcheinander aus.« Er prustete wieder los und ich verschränkte beleidigt die Arme.
»Hmp! Ich habe nur nicht damit gerechnet, dass der berühmte Red Dragon meine Ohnmacht ausnutzen würde, um mich in höchst kompromittierender Position über sich zu werfen.«, stichelte ich zurück und kehrte ihm den Rücken zu. Jetzt war er es, der rot wurde, stellte ich mit einem kurzen Seitenblick (und sehr viel Genugtuung) fest.
»I-Ich würde doch nicht...! Also, ich meine, ich habe nicht...! Nicht, dass... Also...« Er räusperte sich.
»Du bist auf einmal umgefallen, deswegen dachte ich, es wäre besser, wenn du bequem liegst. Was ist denn passiert? Hattest du Visionen?«
Ich wandte mich ihm wieder zu und setzte zu einer Kurzfassung an, doch ein Knacken unterbrach mich. Meine Nackenhaare stellten sich auf und knisternde Spannung füllte die lauwarme Luft
»Runter!«, schrie ich und schubste Dragon hinter den Schornstein, nur Millisekunden bevor ein Donnern über uns hinwegfegte und gleißendes, geladenes Licht neben uns einschlug. Ein Lachen ertönte, dann erhob sich ein riesiger, riesiger Adler vor uns aus den Straßen - gefolgt von einem weißhaarigen Mädchen.
»Hallo, ihr zwei!«, begrüßte Auphelia uns und legte einen Zeigefinger ans Kinn.
»Habt ihr mich vermisst?«

She's back in da hood, bitches! Und sie hat einen neuen Freund im Gepäck!

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She's back in da hood, bitches! Und sie hat einen neuen Freund im Gepäck!

Für alle, die wegen der Visionen verwirrt sind: Keine Sorge. Die sind metaphorisch zu verstehen, zumindest das meiste. Wie glaubt ihr, ist das ganze zu interpretieren? Wer ist die mysteriöse Blumen-Lady? Und warum zum Teufel ist da schwarzes Feuer?
Nun, hier habt ihr ein paar kleine Tipps.
1. Die Blumenlady lernt ihr später kennen, fürs erste müsst ihr nur wissen, dass zwischen ihr und Chloé's Mama ein paar Parallelen herrschen. Deswegen auch die Verwandlung Letzterer in Lady Blumenverkäuferin.
2. Die Szene mit dem Schmetterling ist vielleicht einfacher, wenn ihr den Namen der Blume erraten könnt.
3. NICHTS ist unwichtig. Achtet auf Blumenlady's Lieblingsblume.
4. Der echte Name der ersten Auphelia war Hēi Meiming. Hm...

Ich freue mich auf eure Meinungen und Ideen! Bis dahin,

Eure Geeeny

P.S.: Habt ihr die neue Folge „Zombizou" schon gesehen? Der Hammer! Nicht nur, dass sich Nino (und ein paar andere) einfach unglaublich süß verhalten hat, wir wissen jetzt auch, dass Chloé immer noch viel an ihre Mutter denkt (die wahrscheinlich ein herzloses Miststück ist). Ich weiß ja nicht, wie's bei euch aussieht, aber ich rieche einen Chloé-Redemption-Arc! Wendepunkt voraus, Matrosen!

P.P.S.: Hier findet ihr die English Dub Version von Zombizou, falls ihr die Folge noch nicht kennt:
vk.com/bemiraculous?z

Miraculous 3.2 - AupheliaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt