1 : Wie es beginnt

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* Sophia *

Celina, die Freundin von Johann, und ich verbrachten den ersten Tag des neuen Jahres zusammen in ihrer Wohnung, um später zusammen unseren Jungs bei der Vierschanzentournee zuzuschauen. Wenn wir schon nicht bei ihnen waren, wollten wir ihnen wenigstens zuschauen.

Jedes Mal, wenn Danny oben am Balken saß, zog sich alles in mir zusammen, denn niemand konnte jemals wissen, was passieren würde. Celina ging es genauso, weshalb wir stets zusammen vor dem Fernseher hockten und gemeinsam die Daumen drückten. Ich war unglaublich froh, jemanden gefunden zu haben, der das alles verstand. Man hatte einfach ein mulmiges Gefühl in der Magengegend, wenn der eigene Freund sich in die Lüfte begab. Es war immer wieder ein neues Abenteuer, wenn er flog. Daniel sprang unglaublich weit und ich spürte, dass es seine Saison werden würde, denn er war in einer Topform. Nach zwei Durchgängen und dem Training davor hörten wir endlich auf zu zittern. Es fiel mir tatsächlich jedes Mal ein Stein vom Herzen, wenn es gut ausgegangen war. Man sollte meinen nach vier Jahren Beziehung hätte man sich daran gewöhnt, aber so war es ganz und gar nicht. An manche Dinge konnte man sich einfach nicht gewöhnen. Dass mein Freund trotz Höhenangst Skispringer war, war eines davon.

Celina und ich beschlossen unserem Lieblingscafé einen Besuch abzustatten. Sie fotografierte ihren Cappuchino und das Stück Erdbeerkuchen, bevor sie sich die Gabel nahm und genüsslich in ihren Mund schob. In dem Moment vibrierte mein Handy.

> Team Norway ist unverletzt gelandet😎. Telefonieren später. Liebe dich❤ <,
schrieb mein Freund und ich musste lächeln. Anders sagte immer, dass Dannys erste Reaktion nachdem alle Interviews erledigt waren und er seine Sachen gepackt hatte, immer zuerst eine Nachricht an mich war. Und es war jedes Mal schön zu wissen, dass er an mich dachte.

Celina und ich verbrachten vorallem im Winter viel Zeit gemeinsam, denn die Wände in einer einsamen Wohnung konnten erdrückend sein. Jedes Mal, wenn die Saison startete und Danny mit seinen Koffern auf Johann wartete, fühlte es sich seltsam an. Daniel und ich verloren vorher selten ein Wort über den bevorstehenden Abschied und wenn der Tag kam, fand niemand die richtigen Worte. Es war ungewiss, ob er wieder genauso vor mir stehen würde oder ob ich ihn zunächst im Krankenhaus wieder sehen würde. Doch das war der Preis, den ich zahlen musste.

Mittlerweile hatten Celina und ich gelernt besser damit umzugehen und wir versuchten es ihnen von Mal zu Mal leichter zu machen. Schließlich fühlten sie sich nicht selten schlecht, wenn sie uns allein ließen. Beide waren erleichtert, dass Celina und ich uns angefreundet hatten, denn nun wussten sie, dass wir aufeinander achteten. Sie hatten es von vornherein geahnt, dass wir gute Freunde werden würden. Die Jungs konnten während der Tournee nicht nach Hause kommen, doch danach hatten wir sie wieder für einige Tage bei uns. Wir hatten eigentlich vor unsere Männer zu überraschen, doch da keiner auf Celinas Hund aufpassen konnte, fiel diese Option ins Wasser.
Eigentlich machte diese Distanz die Beziehung nur noch stärker, dennoch war es alles andere als leicht. Celina und Johann hatten vor Kurzem eine Krise, aber sie gaben sich nicht auf und waren deshalb noch immer ein Paar. Ein glückliches.

Ohne Danny wirkte unsere Wohnung einfarbig und leblos, stellte ich erneut fest als ich diese später alleine betrat. Celi und ich hatten noch einen kleinen Shoppingtrip gestartet und nun war es mittlerweile Abend geworden. Unser weißer Flur war voller Bilder von Danny und mir. Ich lächelte als ich an ihnen vorbei ging, jede Erinnerung hatte ich in meinem Kopf gespeichert.

Ich erinnerte mich an die Feier im Nachbarort, an der ich ihn kennen lernte. Und ich erinnerte mich an dem Tag an dem er sich durch die Haare fuhr und mich nervös das erste Mal küsste.
Danny war schon immer unglaublich schüchtern was Mädchen anging, das hatte Anders mir anvertraut, der ihm immer ein guter Freund gewesen war.

Ich war schrecklich nervös als ich ihn zum ersten Mal bei einem Springen begleitete.

" Keine Angst, die haben zwar alle einen Totalschaden, aber man könnte sich kein besseres Team wünschen.", hatte er mit einem ehrlichen Lächeln im Gesicht gesagt, von dem man sich nur aufheitern lassen konnte.
Und dann stiegen wir heimlich und unbemerkt aus dem Auto in das Hotel.
"Ahhh endlich lernen wir sie kennen." , lachten sie als er sein Zimmer aufschloss.
"Das ist Halvor. So ziemlich immer ein großes Mundwerk und ein schräger Vogel. Ich bin Anders. Also naja, anders bin ich auch, aber mein Name lautet wirklich Anders.", lachte er und reichte mir seine Hand.

Durch das Klingeln meines Handys wurde ich aus den Gedanken gerissen und als ich Daniels Namen auf dem Display las, nahm ich sofort lächelnd ab.
"Halvor gibst du mir bitte mein Handy wieder?!", hörte ich meinen Freund genervt im Hintergrund sagen und Halvor stöhnte.
"Tande ist heute mal wieder super gut drauf. NICHT", informierte er mich und dann gab er das Telefon weiter.

"Alles in Ordnung?", fragte ich sofort lachend und ich konnte das Lächeln in seiner Stimme hören als er antwortete "Jetzt schon."
Aber irgendwas stimmte nicht. Ich kannte ihn nun gute zehn Jahre und mich anzulügen hatte ihn noch nie weit gebracht.
"Wir sind gerade erst ins Hotel gekommen. Erst gab es an der Schanze ein paar Probleme mit den Fans und jetzt sind die uns bis ins Hotel gefolgt.", fügte er seufzend hinzu. Danny liebte seine Fans über alles, aber er legte auch unglaublichen Wert auf seine Privatsphäre.
"Wir mussten das Hotel wechseln, die Deutschen auch. Jetzt sitzen wir momentan alle hier fest.", seufzte er.

"Wie war dein Tag?", fragte er, um abzulenken und ich ging darauf ein und erzählte ihm von Celinas und meiner Shoppingtour.
"Du fehlst mir.", flüsterte er während ich sprach eher an sich selbst gewandt. Spätestens jetzt wusste ich, dass es ihm nicht gut ging. Seine Tonart verriet es mir.

"Wir sehen uns doch bald.", versuchte ich ihn mit gebrochener Stimme aufzuheitern.
"Johann hat mega Panik, Robert versucht ihn runterzufahren. Halvor lenkt alle ab und geht mir tierisch auf den Nerv und Fannis? Ich weiß nicht, er ist still, zu still.", informierte er mich über seine Situation.

"Und du?", fragte ich und er schmunzelte.
"Ich versuche ihnen aus dem Weg zu gehen, die machen mich irre. Es wurde eine Scheibe eingeschlagen, aber ich denke es waren die deutschen Fans.", sagte er bemüht ruhig.
"Geh zu Anders, ich bin mir sicher er würde sich freuen.", schlug ich vor.

"Ja.", antwortete er lediglich und mir war klar, dass ihm noch etwas bedrückte.

"Was ist los, Danny?", fragte ich deshalb und er holte tief Luft.
"Die Presse nervt mich. Wir reden in Ruhe darüber, okay? Ich muss jetzt los. Ich liebe dich. Schlaf gut und mach dir keinen Kopf.", sagte er, legte auf und ließ mich mit einem unguten Gefühl zurück.

> Jetzt werde ich mir erst Recht Sorgen machen!"<, schrieb ich noch hinterher und er antwortete mit einem "Ich weiß..."

Soul of scars •• [Daniel Andre Tande]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt