Drei

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Ohne Vorwarnung wird in der nächsten Sekunde die Kabinentür, welche mich vor neugierigen Blicken schützen soll aufgerissen. Erschrocken wende ich den Kopf und sehe meiner Mutter direkt in die Augen. Prüfend wandern diese über meine Rücken.

„Das Kleid ist traumhaft", bemerkt sie und zeigt dabei ein Lächeln, dass keine Zweifel daran lässt, dass sie sich in diesem Moment am liebsten selbst auf die Schulter klopfen möchte, da sie dieses Kleid ausgesucht hat.

Die Verkäuferin nickt zustimmend und wirft sogleich darauf einen Blick in meine Richtung, um mich nach meiner Meinung zu fragen.

Nun sehe auch ich zum ersten Mal in den Spiegel. Ohne Frage ist das Kleid wunderschön. Es schmiegt sich eng an meine drahtige Figur und wird nach unten hin etwas weiter. Der Schnitt erinnert an eine Meerjungfrau.

„Dreh dich mal", fordert meine Mutter und vollführt mit ihrer Hand eine ungeduldige Bewegung.

Folgsam tue ich was sie von mir verlangt. Nun stößt auch Maura zu uns. Als sie mich erblickt schlägt sie ergriffen die Hände vor ihrem Mund zusammen. Mit erstickter Stimme schwärmt sie, wie toll ich aussehe. Mechanisch nicke ich und versuche zu lächeln, was mir allerdings nicht so recht gelingen will. Doch bei der ganzen Aufregung um das Kleid bemerkt zum Glück niemand meinen misslungenen Versuch eine heile Welt vorzutäuschen.

„Mein Sohn wird begeistert sein", stellt Maura voller Bewunderung fest.

Schlagartig prasseln Bilder von mir in diesem Kleid auf mich ein, wie ich einen langen Gang entlangschreite, wie der Saal voller Menschen ist, die mir im Grunde egal sind, die ich womöglich kaum kenne und am Ende wartet Niall auf mich. Mir wird schlecht, so sehr, dass ich erfragen muss, wo die Toiletten sind.

„Geht es ihnen gut", erkundigt sich die Verkäuferin überflüssigerweise und mir bleibt nur noch mit dem Kopf zu schütteln, als ich auch schon bemerke, wie mein Frühstück bestehend aus einer halben Schale Müsli, meine Kehle hinaufkriecht.

Noch immer in dem teuren Designerkleid stürme ich Richtung Toilette und beuge mich in letzter Sekunde über die Schüssel. Hinter mir höre ich, dass mir die drei Frauen dicht auf den Fersen sind.

Nachdem ich mich übergeben habe, bleibt neben einem flauen Gefühl im Magen, die Scham über das eben Geschehene zurück. Maura eilt zu mir, als ich versuche wieder auf die Beine zu kommen, was sich in dem engen Kleid als äußerst schwierige herausstellt, wenn man keine Hilfe hat.

„Vicky hast du etwas Falsches gegessen?", erkundigt sich meine zukünftige Schwiegermutter besorgt und tätschelt währenddessen behutsam meinen Oberarm.

„Alles okay", murmle ich und straffe meine Schulter, um wieder etwas mehr Selbstachtung auszustrahlen.

„Ich hoffe du hast nicht das Kleid beschmutzt", bemerkt hingegen meine Mutter kühl und ohne jegliche Sorge um mein Wohlbefinden.

Prüfend sehe ich an mir hinab und kann zum Glück keine Flecken, oder sonstige Schäden an dem Kleid entdecken.

Die Verkäuferin folgt meinem Blick und beruhigt meine Mutter indem sie sagt, dass das Kleidungsstück nichts abbekommen habe. Dankbar lächle ich sie an und hoffe nun dieses ganze Missgeschick hinter mir lassen zu können und zu vergessen, als die Verkäuferin mir eine weitere Frage stellt.

„Kann es sein, dass Sie vielleicht schwanger sind?", erkundigt sie sich mit einem freudigen Glitzern in den Augen, ohne zu wissen, was sie mit dieser Vermutung auslöst. Zwei weitere Augenpaare richten sich neugierig auf meine Person und ich möchte augenblicklich im Boden versinken. Bevor meine beiden Begleitpersonen nun auch noch ihre Mutmaßungen äußern können, hebe ich abwehrend die Hände und schüttle schon fast panisch mit dem Kopf.

Opposing Lives || Band II   *pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt