Nachdem Niall mir offen gestanden hatte, dass Liebe für ihn schon eine Weile keine Rolle mehr spielte, fiel ich fast vom Glauben ab. Er machte mir mehr als deutlich bewusst, dass er, nachdem er mich und Harry am Strand erwischt habe, begriffen habe, dass ich ihn nicht lieben würde. Auch ließ er durchklingen, dass er es nicht akzeptieren könne, mich an einen armseligen Kellner zu verlieren. Zu viele Leute wären bis zu diesem Zeitpunkt bereits über die bevorstehende Verlobung eingeweiht gewesen und jeder würde sich das Maul darüber zerreißen, wie er nicht mal mit einem einfachen Servicemitarbeiter mithalten konnte. Das ist, in seinen Worten, eine Blamage, derer Niall sich nicht ausgesetzt sehen will und kann.
Auf meine Frage, was er denn davon hätte mit mir verheiratet zu sein, wenn wir doch beide nicht glücklich damit werden würden, winkte er nur gelassen ab. Ob ich denn wirklich glauben würde, dass eine Ehe in unseren Kreisen aus Liebe geschlossen wird, fragte er mich, als würde ich noch an den Weihnachtsmann glauben. Um seine Aussage zu untermauern, führte er unsere Eltern an. Beide Eheschließungen waren am Anfang Zweckgemeinschaften. Seine Eltern hätten sich aber schließlich wirklich lieben gelernt, was er bei meinen anzweifelte. Dagegen wusste ich kein schlagfertiges Argument, denn gerade was meine Eltern betraf, musste ich Niall schweren Herzens recht geben. Die Beiden haben sich noch nie wie ein glückliches Ehepaar verhalten, oder auf mich gewirkt.
Unter Tränen ließ ich Niall allerdings wissen, dass ich solch eine Verbindung nicht eingehen wollte. Denn im Gegenzug zu ihm glaubte ich daran, dass man nur einen Menschen heiraten sollte, mit dem man auch bereit war, bis ans Ende seiner Tage gemeinsam durchs Leben zu gehen.
Doch meine Tränen schienen Niall schon lange nicht mehr zu interessieren, oder gar zu berühren. Stattdessen meinte er herablassend, dass wir hoffen könnten, dass es uns am Ende so ergehe wie seinen Eltern. Schließlich hätten wir beide ja eigentlich einen recht guten Start gehabt und er würde mich durchaus immer noch begehren. Nur die Tatsache, dass ich fremdgevögelt hätte, wie er es ausdrückte, habe seine Zuneigung für mich merklich abkühlen lassen. Aber, wenn ich ihm eine gute Ehefrau sei und mir diesen Kellner endlich aus dem Kopf schlagen würde, dann könne sich das ja wieder ändern. Dabei klang er so, als würde er einem Kind einen Lolli als Belohnung versprechen, wenn es sein Zimmer aufräumt.
Völlig aufgelöst und als letzten Akt der Verzweiflung ging ich vor ihm auf die Knie. Flehte ihn an mich doch einfach gehen zu lassen, dass wir uns etwas ausdenken könnten, warum wir die Verlobung lösen würden. Eine Ausrede, die es Niall erlauben würde, sein Gesicht in der Öffentlichkeit zu wahren.
Doch davon wollte er nichts hören. Grob zog er mich an meinem Oberarm auf die Beine. Ich sollte aufhören zu jammern. Obwohl er mir eine Heidenangst einjagte und ich wusste, dass ich ihn mit meinem Tränen nur wütender machte, konnte ich mich nicht beruhigen. Meine Augen brannten wie Feuer durch die Mascara, welche aufgrund der Tränen unaufhaltsam hineingespült wurde und ich sah nur noch verschwommen.
Niall verlor schlussendlich die Geduld. Mit beiden Händen packte er meine Schultern und schüttelte mich kräftig, damit ich ihn endlich ansehen würde. Nur um mir mitzuteilen, dass er nicht noch einmal mit mir über die Hochzeit diskutieren würde. Egal wie sehr ich heulen würde, stattfinden würde sie auf jeden Fall. Er würde mein Mann werden und ich seine Frau, daran gäbe es für ihn nichts zu rütteln. Ohne mich noch eines Blickes zu würdigen, ließ er mich schließlich zurück und ich sackte kraftlos auf dem Boden zusammen.
Minutenlang weinte ich bitterlich. Ich weinte, weil ich so schwach war und ich mich nicht wehrte. Ich weinte, weil ich mich vollkommen alleine auf dieser Welt fühlte und einen Menschen, der echtes Interesse an mir gezeigt hatte, hintergangen hatte. Nicht zuletzt weinte ich auch um die Freundschaft, die mich bis vor wenigen Wochen noch mit Niall verbunden hatte. Was war alles geschehen, dass schlussendlich aus dem Menschen, dem ich immer am meisten vertraut hatte, die Person wurde, vor der ich nun die größte Angst hatte. Auch als keine Tränen mehr kamen und meine Qual nur noch aus einem kläglichen Schluchzen bestand, spürte ich weiter diesen unerträglichen Schmerz in mir, der mich in diesem Moment von innen heraus aufzufressen drohte. Ein Gefühl, das mich auch die nächsten Tage nicht mehr losließ.
Ich will das alles nicht mehr. Ich will verschwinden, um dem Druck endlich zu entkommen und den Schmerz nicht spüren zu müssen. Doch Niall lässt mich nach dem Abend nicht mehr aus den Augen und sollte dies doch einmal der Fall sein, weil er zum Beispiel durch die Arbeit eingespannt ist, wird er tatkräftig durch meine Mutter unterstützt. Obwohl ich weiterhin nach außen meine Rolle spiele, scheint Niall zu ahnen, dass es in mir drinnen anders aussieht. Aber nach solch einer engen Freundschaft, wie wir sie bis vor kurzem pflegten, sollte es mich nicht einmal wundern, dass Niall noch immer ohne Probleme zu erraten scheint, was in meinem Kopf vorgeht.
Die Tatsache, dass auch für Niall Liebe keine Rolle mehr in unserer Beziehung spielt, neben der ständigen Überwachung, so dass ich keinen Schritt mehr alleine tun darf, lässt den Wunsch nach Rebellion immer stärker in mir heranwachsen. Bisher habe ich mich immer neben meiner Angst vor allem Neuem und Unbekannten mit der Entschuldigung rausgeredet, dass ich Niall nicht wehtun möchte. Er hat es bis zu dem Gespräch vor einigen Tagen nicht verdient, dass er meinetwegen leiden muss. Naiv, wie ich wohl bin, bin ich immer noch davon ausgegangen, er würde diese negative Seite nur von sich zeigen, weil ich ihn durch meinen Betrug verletzt habe. Doch nun gilt diese schon immer recht fadenscheinige Ausrede nicht länger. Mir wird bewusst, dass ich mich in den letzten Wochen nur selbst angelogen habe.
Mit jedem weiteren prüfenden Blick meiner Mutter und einer neuen Auseinandersetzung mit Niall, wird der Gedanke lauter, dass es so nicht weitergehen kann. Ich muss endlich etwas unternehmen. Jahrelang habe ich das gemacht, was man von mir erwartet hat. Ich bin immer die perfekte Tochter für meine Eltern gewesen und doch war ich nie genug. Habe die vollkommende Partnerin an Nialls Seite gespielt und bin erfolgreich in einem Job, den ich niemals ausüben wollte. Alles nur, weil man das von mir erwartet hat und mir quasi schon als kleines Mädchen eingetrichtert wurde, dass Andere immer besser wissen, was für mich gut ist. Doch damit muss endlich Schluss sein.
Ich begreife, dass ich nicht mehr darauf hoffen kann, dass ein Prinz auf einem Schimmel angeritten kommt, um mich arme Prinzessin zu befreien. Meine Chance auf diesen Prinzen habe ich durch meine Angst vor einem Bruch mit allem, was mir nicht guttut, vertan.
Doch meine Chance endlich ein selbstbestimmtes Leben zu führen vielleicht noch nicht.
So, bei Vicky scheint sich wirklich was zu tun...
Ich habe mal eine Frage, wenn ihr mehrer Geschichten von mir gelesen habt, welche mochtet ihr bisher am liebsten und warum? Oder aber auch welche hat euch am wenigsten gefallen?
Und vielen Dank, dass ihr das letzte mal so toll das Sternchen gedrückt habt, neben euren Kommentaren ist das die beste Motivation für mich. Bitte also nicht vergessen, wenn ihr mögt, was ihr lest. :)
Ich wünsche euch einen guten Start in die Woche.
Anni
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Opposing Lives || Band II *pausiert*
Fanfiction-Fortsetzung von Opposing Worlds- Viktoria hat sich entschieden, für Niall und ein Leben in Sicherheit, aber ohne echte Gefühle. Doch obwohl sie die Hochzeit mit ihrem langjährigen Partner plant, lässt der Gedanke an Harry sie nicht los. War ihre E...