Ich denke nicht lange nach, als ich den Anruf annehme und mir das Telefon ans Ohr halte, ohne allerdings etwas zu sagen. Ich weiß nicht warum ich das tue und ob es das Richtige ist, aber irgendetwas in mir sagt mir, dass Niall es nicht verdient hat, einfach abgewiesen zu werden. Anders, als das bei meinen Eltern der Fall ist.
Mein Herz klopft mir bis zum Hals, als ich noch immer schweigend das Handy an mein Ohr drücke.
„Vicky?", höre ich Niall unsicher fragen.
Ich weiß nicht woher diese Unsicherheit von seiner Seite herrührt. Ob er sich vielleicht nur fragt, ob ich wirklich am Telefon bin, oder ob er Angst vor meiner Reaktion auf seinen Anruf hat. Es ist lange her, dass ich ihn so erlebt habe und mir wird bewusst, dass ich diese menschliche Seite an ihm vermisst habe.
Ganz leise antworte ich mit einem „Ja", um zu zeigen, dass ich am Telefon bin und fast im gleichen Moment stößt Niall angestrengt Luft aus, um sie gleich darauf erneut schwer einzuatmen.
„Vicky ich weiß gar nicht was ich sagen soll", beginnt er zu stammeln, während ich wieder schweige.
Nachdem Niall zu begreifen scheint, dass ich nicht vorhabe das Wort zu ergreifen, herrscht erneut angespannte Stille an beiden Enden der Leitung.
„Ich wollte fragen, ob es dir gut geht und wissen, wo du jetzt bist", seine Fragen formuliert er vorsichtig, fast so, als hätte er Angst etwas Falsches zu sagen.
Ich schlucke, bevor ich ihm lediglich sage, dass es mir den Umständen entsprechend gut ginge. Wo ich allerdings bin, das beantworte ich nicht. Ich habe keine Angst, dass Niall mich hier finden wird, oder gar verfolgen würde. Solch ein Verhalten traue ich ihm nicht zu. Mir geht es nur um Mel. Wenn mein Vater mitbekommt, dass sie mich bei sich aufgenommen hat, dann ist sie ihren Job los und dafür möchte ich nicht die Verantwortung tragen. Es muss nicht noch jemand wegen mir arbeitslos sein.
Als erneut eine gefühlte Ewigkeit Stille herrscht und auch Niall nicht zu wissen scheint, was er sagen möchte oder sich vielleicht nicht traut, frage ich ihn geradeheraus, ob er noch etwas sagen will, da ich ansonsten auflegen würde, um das Telefonat zu beenden.
„Vicky, bitte ich möchte dich sehen, um mich richtig bei dir zu entschuldigen", hält Niall mich allerdings von meinem Vorhaben ab.
„Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist."
„Gib mir bitte diese Chance. Ich habe so viel falsch gemacht, lass es mich gut machen", fleht Niall und sowohl die verzweifelte Bitte, als auch die Traurigkeit in seiner Stimme lassen mich innehalten.
Wie ich auch schon seinen Anruf nicht ablehnen konnte, gerate ich auch jetzt in ein Dilemma. Niall hat in den letzten Wochen eine Seite an sich gezeigt, die mir ehrlich Angst gemacht hat. Doch all die Jahre davor war er immer mein Halt gewesen. Er war die Person, die immer für mich da gewesen ist und die dafür gesorgt hat, dass ich auch an Tagen lächeln konnte, an denen es eigentlich nichts gab, was mich zum Lachen gebracht hat.
„Wann?", frage ich schließlich und Niall stößt einen überraschten Laut aus, als habe er im Grunde nicht wirklich daran geglaubt, dass ich zusagen würde.
Schlussendlich haben wir uns für den nächsten Tag in einem kleinen Café in Berlin Mitte verabredet. Ein öffentlicher Ort, der nicht selten auch Anlaufpunkt vieler Touristen ist. Niall hatte diesen Ort vorgeschlagen, da er zuvor noch ein Geschäftsessen in der Nähe hätte und anschließend direkt dorthin kommen würde, um sich mit mir zu treffen.
Mit einer Sonnenbrille auf der Nase sitze ich eine viertel Stunde vor der vereinbarten Zeit an einem kleinen Tisch im Außenbereich der Lokalität. Vor mir ein Milchkaffee, in dem ich immer wieder mit dem Löffel herumrühre, nur damit meine Finger etwas zu tun haben. Nervosität macht sich in mir bereit. Im Sekundenabstand blicke ich mich verstohlen um, da mich das Gefühl beschleicht beobachtet zu werden. Doch ich kann nichts Verdächtiges entdecken. Die anderen Gäste müssen schon glauben, dass ich eine psychische Störung habe.
DU LIEST GERADE
Opposing Lives || Band II *pausiert*
Fanfiction-Fortsetzung von Opposing Worlds- Viktoria hat sich entschieden, für Niall und ein Leben in Sicherheit, aber ohne echte Gefühle. Doch obwohl sie die Hochzeit mit ihrem langjährigen Partner plant, lässt der Gedanke an Harry sie nicht los. War ihre E...