Harry
Ich starre hinaus auf das Meer, während die Finger meiner rechten Hand unablässig wirre Muster in den Sand zeichnen.
Es ist nun schon über eine Woche her, dass ich mit ansehen musste, wie Vicky mit Tränen in den Augen ein „Ja" zu diesem arroganten Schnösel gehaucht hat, welcher ab diesem Moment nicht mehr nur ihr Freund war, sondern ab sofort ihr Verlobter und in naher Zukunft Ehemann. Ich hätte kotzen können.
Nachdem Louis mich informiert hatte, dass eine Verlobung stattfinden sollte, war es, als wäre ich aus einer Trance erwacht, in welcher ich feststeckte, seit ich von diesem Wichser erfahren hatte, dass Vicky nicht nur mit mir, sondern auch mit ihm am gleichen Abend geschlafen hat. Diese Tatsache hat mich zu meiner eigenen Verwunderung völlig aus der Bahn geworfen. Der Sex mit ihr hat sich anders angefühlt. Anders als zum Beispiel, wenn ich mit Valeria einfach nur etwas Spaß habe.
Sex war etwas, das für mich bisher nur dazu diente überschüssige Energie los zu werden und Spaß zu haben. Gefühle für jemanden entwickeln wollte ich nicht mehr, am Ende wurde man ohnehin nur immer wieder enttäuscht.
Ich war glücklich wie mein Leben verlief, bis sie auf einmal aufgetaucht ist. Ich habe geglaubt, endlich meinen Platz im Leben gefunden zu haben und fühlte mich mit allem wohl. Die lockeren Liebschaften, das spontan Sein und sich nicht ständig um morgen Gedanken machen müssen hat mich nach einer langen Zeit, in der ich mehr als unzufrieden war endlich ruhiger werden lassen.
Niemals hätte ich geglaubt, dass ich plötzlich so viel für eine völlig Fremde empfinden kann. Nicht, nachdem ich solch bittere Erfahrungen machen musste.
Am Anfang hatte die Frau mit den tollen, roten Haaren nur mein Interesse geweckt, weil sie so verloren auf mich gewirkt hat. Nach außen hin mag sie zwar die Starke spielen, aber wenn man sich nur einen kurzen Moment die Zeit nimmt, um hinter die Fassade zu blicken, dann wird schnell klar, dass sie nicht weiß, wo ihr Platz im Leben ist.
Vicky hat mich wohl einfach an mein altes Ich erinnert und aus diesem Grund wollte ich sie auch so unbedingt besser kennenlernen.
Louis hatte mich zwar gewarnt, dass es ihrem Freund – meinem ehemaligen Boss – nicht gefallen dürfte, wenn ich zu seiner Frau Kontakt habe, aber was schert mich, was irgend so ein Schnösel denkt.
Ich habe ohnehin nie vorgehabt, dass es soweit zwischen ihr und mir geht. Es war schlussendlich einfach passiert, nichts davon war geplant und schließlich bin ich mit offenen Augen in mein Unglück gerannt.
Nach unserer gemeinsamen Nacht und dem unrühmlichen Ende wollte ich sie vergessen. Schlagartig war ich auf dem Boden der Tatsachen gelandet und ich wollte mir am liebsten selbst eine dafür runterhauen, dass ich Vicky soweit an mich rangelassen habe.
Doch gegen die Anziehung, welche sie auf mich ausgestrahlt hat, konnte ich mich von Beginn an nur schwer wehren. Ich wollte nicht immer noch weiter und noch weiter gehen. Nach dem Kuss hätte bereits Schluss sein müssen, doch immer wieder suchte ich ihre Nähe. Wie ein scheiß verliebter Stalker. Nur, um anschließend wieder einmal Recht zu behalten. Gefühle zuzulassen lohnt sich nicht. Wenn man es zulässt, dass ein Mensch einen emotional berührt macht man sich angreifbar und wird letztendlich nur verletzt.
Die Ereignisse am Strand hatten mich zurück auf den Boden der Tatsachen geholt – das habe ich zumindest geglaubt. Ich verbuchte diese kleine Liaison mit Viktoria unter einen Fehler, den ich nicht noch einmal machen werde. Ein kleiner schwacher Moment.
Louis bemerkte natürlich als mein guter Freund, dass etwas nicht stimmte und forschte nach. Doch mir war es viel zu peinlich zuzugeben, dass ich mich mal wieder von meinen dummen Gefühlen hatte verleiten lassen und so schwieg ich.
Aber mein Freund war schon immer jemand, der keine Ruhe gab und so hat es mich auch nicht sonderlich verwundert, dass er mich am Tag der Verlobung ganz aufgeregt anrief und mir mitteilte, dass ich, wenn mir wirklich etwas an Viktoria liegen würde, so schnell wie möglich zum Hotel kommen sollte, weil es sonst vielleicht zu spät sein könnte.
Ein freudloses Lachen und die Frage wozu das denn gut sein sollte, war alles, was ich im ersten Moment für ihn übrig hatte. Aber Louis, ein unverbesserlicher Romantiker, erklärte mir, dass Vicky wohl nur auf einen Schritt von mir warten würde und ich der Einzige wäre, der sie noch von einer Dummheit zurückhalten kann.
Scheiße, warum habe ich diesem romantischen Geschwafel, der direkt aus einem dieser kitschigen Frauenfilme hätte stammen können, überhaupt Gehör geschenkt?
Schlussendlich aber schien mein Herz erneut einmal die Kontrolle zu übernehmen und ich fand mich am oberen Ende der Treppe wieder. Unfreiwillig hatte ich einen Platz in der ersten Reihe und wurde Zeuge, wie die Rothaarige mich ungläubig ansah, bevor sie sich einmal unter den Augen entlang wischte, um ihre Tränen zu verstecken und schließlich „Ja" zu einem Mann sagte, der es meiner Auffassung nach nicht verdient hatte, sie zu seiner Frau zu machen.
Dieses „Ja" von ihr an ihn war ein weiterer Fausthieb in meinen Magen und die Gewissheit für mich: Gefühle zulassen tut immer weh.
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Opposing Lives || Band II *pausiert*
Fanfic-Fortsetzung von Opposing Worlds- Viktoria hat sich entschieden, für Niall und ein Leben in Sicherheit, aber ohne echte Gefühle. Doch obwohl sie die Hochzeit mit ihrem langjährigen Partner plant, lässt der Gedanke an Harry sie nicht los. War ihre E...