Erschrocken sehe ich Niall an, der meinen Blick ebenfalls verwundert erwidert. Woher weiß meine Mutter, dass ich mich gerade jetzt mit ihm in diesem Café treffe? Wir sind hier das erste Mal und meine Mutter läuft hier mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zufällig vorbei. Doch bevor ich mich näher mit dieser Frage beschäftigen kann, hat sie sich bereits ohne unser Bitten einen Stuhl geschnappt, um sich ebenfalls zu uns an den Tisch zu setzen.
„Was willst du hier?", bringe ich so ruhig es mir möglich ist hervor.
Verständnislos sieht sie mich an, um mir dann in einem belehrenden Ton, als wäre ich noch immer ein kleines Kind, zu erklären: „Ich bin natürlich hier, weil ich dir endlich wieder Vernunft einreden will. Dein egoistisches Verhalten hat uns alle in eine peinliche Lage manövriert. Die Presse zerreißt sich bereits das Maul über uns."
„Egoistisches Verhalten", wiederhole ich ihre Worte ungläubig, woraufhin sie nur streng, aber selbstverständlich nickt.
In meinem Inneren koche ich bereits. Natürlich interessiert sich die Frau, die mir eigentlich eine Unterstützung im Leben sein sollte nur dafür, was in der Öffentlichkeit über sie geredet wird. Meine Mutter kommt nicht auf den Gedanken, sich zu fragen, warum ich die Flucht ergriffen habe.
Tief hole ich Luft. In den Händen halte ich noch immer meine Tasse und vielleicht ist das auch gut so, denn ansonsten bestünde ernsthaft die Gefahr, dass ich gegen mein eigentliches Naturell aus der Haut fahre und meiner Mutter vor allen Leuten eine Ohrfeige verpasse. Ihre akkurat geschminkten Augen, die meinen so ähnlich sind, sehen mich abschätzig an. Keine Besorgnis ist zu erkennen. Kein Verständnis für meine Situation. Stattdessen sehe ich, wie sie die Lippen schürzt, als sie auf meine Haare sieht, die ich heute lediglich zusammengebunden habe. Auch ohne, dass ich sie fragen muss, weiß ich was sie denkt.
„Ich konnte nicht mehr so tun, als wäre alles in Ordnung. Willst du das denn nicht verstehen?" Meine Stimme zittert und beinah flehe ich sie an. Obwohl ich weiß, dass es sinnlos ist, wünsche ich mir noch immer, dass meine Mutter endlich aufhört, Wert darauf zu legen, was Andere denken könnten. Dass sie endlich damit aufhört nur an ihren Ruf und den Erfolg zu denken. Dass sie endlich beginnt, eine Mutter zu sein. Eine Mutter, die erkennt, dass ihre Tochter daran kaputt geht, wenn sie sie zwingt, das zu tun, was in ihren Augen für den Namen „Altenstein" am besten ist. Doch diese Hoffnung macht sie mit einer wegwischenden Handgeste gnadenlos nieder.
„Glaubst du denn ein mittelloser Kellner könnte dich glücklich machen? Du bist mehr wert als das. Niall ist der Richtige für dich." Sie deutet auf ihn. Dieser hat bisher stumm alles von seinem Platz aus verfolgt. „Ihr seid schon immer füreinander bestimmt."
Woher sie von Harry weiß, brauche ich nicht zu fragen. Sobald sie die Nachrichten gelesen hat, wird sie sich bei Niall erkundigt haben, ob es stimme und warum er sie über die Umstände unserer Trennung anlügen sollte. Doch darum geht es jetzt auch nicht. Ich werde mit meiner Mutter nicht über Harry streiten. Es geht auch nicht mehr um meine Affäre zu diesem Mann. Vielmehr geht es darum, dass er mir bewusst gemacht hat, dass ich endlich für das kämpfen muss, was mich glücklich macht und ich nicht dafür verantwortlich bin, dass alle anderen um mich herum glücklich sind, auch wenn das für mich bedeutet unglücklich zu sein.
„Niall und ich das war nie Liebe. Wir haben darüber gesprochen. Wir sind uns einig, dass wir Freunde sind und mehr nicht", rede ich eindringlich auf meine Mutter ein. Noch immer ist unsere Diskussion leise genug, sodass wir nicht die anderen Gäste des Cafés als unsere Zuhörer haben.
Ich sehe Niall an und erwarte, dass er nun ebenfalls etwas sagt. Dass wenigstens er auf meiner Seite steht und mich unterstützt, so wie man es von einem Freund gewohnt ist. Denn wenn er mir recht gibt, dann wird auch meine Mutter einsehen müssen, dass ihr Wunsch von einer Hochzeit zwischen mir und Niall niemals in Erfüllung gehen wird. Als auch meine Mutter ihn mit hochgezogenen Augenbrauen mustert und ihn fragt, ob das stimmen würde, sieht er mich traurig an.
„Vicky, ich kann nicht", flüstert er lediglich und in seinem Gesicht ist echtes Mitgefühl zu erkennen.
Ich allerdings kann ihn nur fassungslos ansehen und als meine Mutter dann auch noch triumphierend in die Hände klatscht und verkündet, dass ja nun wohl alles klar ist, kocht die Wut in mir hoch.
Ich bin hierhergekommen in der Hoffnung, dass ich mich mit Niall versöhnen kann. Das Letzte was ich wollte, war es, irgendjemanden aus meiner Familie zu begegnen. Noch einmal sehe ich Niall bittend an, doch er weicht meinem Blick aus, indem er den Kopf sinken lässt. Hat er meiner Mutter Bescheid gegeben? Ist dieses Treffen nur ein Hinterhalt. Habe ich mich vielleicht in Niall und seinen Absichten getäuscht?
„Also Viktoria, wir brauchen einen Plan, wie wir deinen kleinen Ausrutscher glaubwürdig der Presse erklären können und vor allem wie wir euch beide wieder gemeinsam der Öffentlichkeit präsentieren. Glücklicher denn je."
Mit einem lauten Klirren bricht Porzellan und erst der empörte Aufschrei meiner Mutter lässt mich aus meiner Starre hochschrecken und ich erkenne, dass es meine Tasse war die soeben auf dem Boden zerschellt ist. Ohne den warnenden Drohungen meiner Mutter weiter Gehör zu schenken, oder mich noch einmal an Niall zu wenden, der meinen Namen sagt, stehe ich auf. Aus meinem Portmonee fische ich einen zwanzig Euroschein und lege ihn kommentarlos auf den Tisch, um anschließend erhobenen Hauptes das Café zu verlassen.
„Viktoria glaub gar nicht, dass du wieder angekrochen kommen kannst, wenn du kein Geld mehr hast. Du bist nicht länger unsere Tochter", brüllt mir meine Mutter hinterher.
Ich habe nur eine eindeutige Handgeste für sie übrig, welche meine Mutter mit einem spitzen Aufschrei quittiert. Auf meinem Gesicht erscheint daraufhin ein breites Grinsen. Nie habe ich es für möglich gehalten, aber ich habe es geschafft, dass meine Mutter die Fassung verloren hat und sich das erste Mal als die eingebildete Zicke in der Öffentlichkeit zeigt, die sie in Wahrheit ist.
Während ich den Weg zur U-Bahnstation antrete, verliere ich mich in dem Wunsch, dass mein Bruder Alex gesehen hätte, wie ich mich gegen unsere Mutter zur Wehr gesetzt habe. Ich weiß, dass er mich erst abklatschen würde, um mich anschließend in einer seiner bärenstarken Umarmung zu sehen und mir durch die Haare zu wuscheln, weil er stolz wäre.
Jetzt gerade vermisse ich Alexander besonders.
ES TUT MIR LEID!!!! Ich bemühe mich wirklich um regelmäßige Updates, aber ich schaffe es eben leider nicht immer. Umso mehr danke ich euch für eure Treue, eure Geduld und eure Unterstützung.
Warum hat Niall ihr nicht zur Seite gestanden, wie er es kurz zuvor noch versprochen hatte?
Und ja, Vickys Mutter ist ne Bitch!
Anni
DU LIEST GERADE
Opposing Lives || Band II *pausiert*
Fiksi Penggemar-Fortsetzung von Opposing Worlds- Viktoria hat sich entschieden, für Niall und ein Leben in Sicherheit, aber ohne echte Gefühle. Doch obwohl sie die Hochzeit mit ihrem langjährigen Partner plant, lässt der Gedanke an Harry sie nicht los. War ihre E...