•Kapitel 14•

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„Hyung?"

„Hm?"

„Was war eigentlich los mit Jin, bevor er zu uns nach Frankreich kam? Da ist doch irgendwas passiert...", fragte Jimin leise, während er mit seinem Kopf auf meinem Bein lag.

Wir hatten es uns auf dem Sofa bequem gemacht, nachdem er fertig gebadet und angezogen wieder aus dem Badezimmer kam und uns eine Pizza bestellt hatten.

Wir saßen anfangs einfach da und haben uns noch ein wenig über die Lehrer aufgeregt oder über irgendwelchen dummen Serien gequatscht, bis Jimin sich auf einmal auf mein Bein gelegt hat. Ich war vollkommen perplex in diesem Moment, gewöhnte mich aber schnell daran und ließ ihn dort liegen.

Seit dem haben wir fern gesehen und nicht mehr geredet, bis er mir jetzt plötzlich diese Frage stellte.

Nervös sah ich zu ihm runter und blickte ihm in die Augen. Er schien ernsthaft zu grübeln was es wohl sein könnte, was Jin manchmal so verschlossen zu sein scheinen lässt.

Anscheinend hatte mein Bruder nicht all seinen Freunden davon erzählt, was mich überraschte, da sie ja schon wussten, dass er mit Namjoon zusammen war.

Ich räusperte mich kurz, bevor ich ihm eine Antwort gab. „Naja Jin wurde früher gemobbt. Sehr stark sogar."

Jimins Augen wurden etwas größer und er legte sich kurz bequemer hin, hörte mir dann aber weiter zu. Er blieb still während ich ruhig erzählte.

„Es war furchtbar. Er hatte sich geoutet und wurde dafür verurteilt. Wenn ihn die Schlägertypen unserer Schule erwischten, dann drehten sich die Lehrer und Schüler weg und ließen sie nur machen. Sie haben ihn verprügelt, einmal sogar Krankenhausreif. Es war grauenvoll."

Ich spürte wie meine Stimme anfing zu zittern und ich die Tränen zurückhalten musste. Jimin nahm meine Hand, als er es bemerkte, und streichelte sanft meinen Handrücken, damit ich mich wieder beruhigen konnte.

Ich lächelte ihn zaghaft an, was er erwiderte. Danach sprach ich weiter.

„Ich wünschte, ich hätte mehr tun können. Ich hätte besser auf ihn aufpassen müssen, aber es ging nicht. Jede Pause bin ich zu ihm geflitzt und blieb bei ihm, so dass keiner an ihn ran kam. Und wenn sich jemand mit spitzen Kommentaren in seine Nähe wagte, dann hab ich ihn eben weggestoßen.
Irgendwann, wussten alle davon, dass ich für Jin den Beschützer spielte und ließen von ihm ab, wenn ich dabei war. Doch dann kam es mit einem mal noch etwas schlimmer."

„Yoongi.", flüsterte Jimin und setzte sich auf. Erst als er mein Gesicht in seine Hände nahm, bemerkte ich, dass ich weinte. Das tat ich wirklich selten, aber bei dieser Erinnerung kam alles wieder hoch. Der ganze Frust. Der ganze Schmerz.

„Du musst es mir nicht weiter erzählen.", sagte er leise und strich weiter über meine Wangen. Es entstand ein angenehmes Kribbeln dort wo sein Daumen entlang wanderte, weswegen ich schmunzeln musste.

„Ist schon okay. Bin ja gerade so drin.", versuchte ich zu lachen, doch wusste ich, dass es ihn nicht überzeugen würde. Jimin sah mich einfach weiterhin besorgt an.

Nach einer Weile fing er wieder an zu reden. „Und was war dann?"

Er fragte ganz vorsichtig nach, so als könnte ich unter seinen Worten zusammenbrechen. Ich nahm langsam eine seiner Hände, von meinem Gesicht, in meine und sah auf sie hinunter. Sachte spielte ich mit ihnen, während weiterhin stockende Worte aus meinem Mund kamen.

„Sie...sie haben, nachdem sie bemerkten, dass ich immer bei Jin war...sie haben sich Kookie ‚vorgeknöpft', so haben sie es beschrieben. Er...er war noch so jung und unschuldig und sie haben ihn einfach dafür geschlagen, dass sein Bruder nicht hetero war.
Ich hab es nie verstanden. Ich verstehe es nicht, Jimin. Wer tut einem Menschen so etwas an, nur weil er sich frei in der Liebe entscheiden kann? Was gibt einem das Recht zu solchen Taten?
Danach war Jin darauf bedacht nie wieder in der Öffentlichkeit zu zeigen, dass er homosexuell ist. Du siehst es ja bei ihm und Joonie. Die beiden küssen sich nie öffentlich und auch unter uns nur auf die Wange oder Stirn. Mein Bruder scheint sich die Schuld dafür zu geben, doch ich könnte mich genauso Ohrfeigen. Hätte ich auf beide aufgepasst, wäre Kookie nie geschlagen worden.
Zum Glück war es nur einmal. Es war zwar immer noch zu viel, aber er erholte sich schnell davon.
Danach holte ich immer meinen kleinen Bruder zuerst ab und wir rannten zu Jin. Von da an verbrachten wir jede Pause zusammen und ließen uns nicht mehr aus den Augen."

Nach meiner langen Rede war es kurz still. Es dauerte gute zehn Stunden, bevor sich Jimin neben mir bewegte und mein Kinn anhob, so dass ich ihm in die Augen sehen konnte.

In seinem Blick lag Mitgefühl, welches ich nicht erwartet hatte. Er beugte sich vor und nahm mich in den Arm. Ich löste unsere Hände auseinander und erwiderte sie warme Geste, dabei genoss ich es wie er mir sanft über den Kopf strich.

„Yoongi, das war niemandes Schuld. Nicht die von Jin."

„Ich weiß."

„Nicht die von Kookie."

„Ich weiß."

„Und auch nicht von dir!", sagte er dann bestimmter und ließ mich los. Er sah mir tief in die Augen, weswegen ich mich klein fühlte, obwohl ich der Ältere war.

„Das was diese Menschen getan haben war falsch, ohne Zweifel. Aber keiner von euch darf sich dafür die Schuld geben! Schon gar nicht du! Du hast versucht deine Brüder zu schützen, was nicht jeder getan hätte. Ich sage dir, du bist kein schlechter Mensch und du bist verdammt nochmal ein guter Bruder. Ich glaube nicht, dass sich Jin und Kookie jemand anderen wünschen würden.", lächelte er stolz.

Ich saß mit weiten, verheulten Augen vor ihm und war sprachlos. Er war vollkommen ehrlich mit mir und sagte dann solch schöne Sachen.

„Noch nie hat mich jemand einen guten Menschen genannt.", flüsterte ich, so dass man es kaum verstehen konnte. Aber Jimin tat es.

„Bist du aber. Und du solltest es glauben!"

Er strich mir sanft ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht und ich lächelte schwach.

Nach einer Weile lag er wieder mit dem Kopf auf meinem Schoß und war eingeschlafen, was ich ihm dann gleich tat.

•~•~•~•~•~•~•~•~•~•~•~•~•~•~•~•~

Ein lautes Knipsen und Flüstern holte mich aus meinem geliebten Schlaf und ich öffnete verschlafen die Augen.

Vor mir stand die komplette Mannschaft und Kookie hielt eine Kamera, mit der er ein Foto von mir machte. Aber nicht nur von mir, denn Jimin lag immer noch, eingerollt in seiner Decke, auf meinem Bein. Klasse, das würde Sprüche geben.

„Ihr seid ja so süß zusammen!", sagte Jin etwas zu laut, so dass auch Jimin langsam die Augen öffnete.

„Musstest du ihn jetzt wecken?", fragte ich genervt und legte meinen Arm auf Jimins Schulter ab. Der Jüngere sah von den andern fragend zu mir und grinste mich frech an.

„Na. Schon deine Hausaufgaben gemacht?", fragte er, wofür ich ihn gehen die Stirn schnipste.

„Hör auf zu reden, Jishit."

Serendipity [YOONMIN]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt