Die Verschwörung

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"Dringend reden? Ja, würde ich auch sagen... Du verschwindest urplötzlich wie vom Meer verschluckt und wo finde ich dich wieder? Bei dem Meerungeheuer? Mika, verstehst du nicht wie gefährlich das ist? Du hättest tot sein können!", hielt mir Fohr eine Predigt, mehr besorgt als vorwurfsvoll.
"Nun ja... bin ich aber nicht, oder? Dieses Meerungeheuer - Meiyen - wir haben nett geplaudert...", versuchte ich ihr leicht verlegen zu erklären.
"Geplaudert?", fragte Fohr verdutzt, unterdrückte aber schließlich ein Lachen, "Ich weiß nicht warum, aber irgendwie glaube ich dir das aufs Wort."
Ich musste leicht schmunzeln, auch wenn mir nach dem, was ich in der Vision gesehen habe nicht danach zumute sein sollte.
"Ja. -aber ich habe etwas wirklich wichtiges herausgefunden!", ergänzte ich noch schnell.
Fohr nickte kurz und holte tief Luft.
"Ich verstehe schon, Mika. Aber was hälst du davon, wenn wir erst mal an Land schwimmen? Die anderen machen sich schon Sorgen um dich."
Erschrocken sah ich auf, nur um mich dann kleinlaut zu entschuldigen. Es machte mir ein ziemlich schlechtes Gewissen, so leichtsinnig gewesen zu sein und den anderen dadurch Sorge bereitet zu haben. 
Fohr legte mir aufmunternd eine Hand auf die Schulter: "Kopf hoch, Verstanden? Nun ja, irgendwie war es ja auch meine Schuld. Das mit dem schwimmen gehen zur Ablenkung war schließlich meine Idee, nicht wahr? Naja egal. Auf zu den anderen!"
Sie packte meinen Arm und zog mich viel zu schnell hinter sich her durchs Wasser (definitiv keine angenehme Erfahrung).

...

Mein Arm schmerzte höllisch, als ich mich aus dem Wasser heraus an Land zog.
"Ich lebe", murmelte ich fassungslos während ich am eisigen Boden unter mir klebte. Fohr lachte nur amüsiert. Manchmal kam sie mir gruseliger vor als die Wasserschlange.
"Mika!"
Erschöpft hob ich meinem Kopf, nur um Jun und Yong um die Ecke auf uns zulaufen zu sehen.
"Was ist passiert? Du siehst halb ertrunken aus?", fragte Jun besorgt.
Ich deutete auf Fohr: "Sie müsste mal an ihren Transporttechniken feilen...".
Jun und Yong fingen an loszuprusten.
"Du lernst nie dazu, was? Nächstes Mal binden wir dich an einem Seil fest, sodass du nicht verloren gehen kannst", scherzte Yong grinsend.
Fohr und Jun nickten zustimmend und ich fühlte mich wirklich hintergangen.
"Dein Orientierungssinn war noch nie der beste... Leider", hörte ich Sayos vertraute Stimme neben mir.
"Ja, hackt nur alle auf mir herum", murmelte ich und rappelte mich triefend auf. Schnell ließ ich etwas Luft durch meine Kleider fahren und war im Nu wieder trocken. Wurde aber auch Zeit, denn ich fühlte mich schon wie ein Stück Brot im Wasser.
Fohr neben mir bändigte das Wasser aus ihrer Kleidung. Diesen Trick notierte ich mir gleich für später, könnte mal nützlich sein.
"Ich weiß, ich habe Mist gebaut, aber ich habe wenigstens etwas interessantes herausgefunden. Etwas wichtiges", merkte ich kleinlaut an, "Also es wäre nicht schlecht, wenn wir an einen sichereren Ort gehen könnten". Fohr nickte, genau verstehend worauf ich hinauswollte.
"Nun wir kennen alle den Weg... Auf ins Labor!"

Den Weg in Fohrs Labor kannten wir alle mittlerweile auswendig. Nervös ging ich hinter den anderen her und überprüfte, ob wir keine ungebetenen Verfolger hatten, aber dem schien nicht so. Sicher angekommen setzten wir uns und die anderen sahen gebannt zu mir hinüber.
"Na also! Schieß los!", forderte mich Fohr erwartungsvoll auf und ich begann zu erzählen, von der Seeschlange Meiyen und von der Vision, von Kaia und den Imperialen, von dem Plan...
Die anderen hörten aufmerksam zu, doch sobald ich fertig war, wurde ich auch schon mit Fragen überhäuft.
"Das Meeresungeheuer? Haben die Leute uns nicht gesagt, es wäre mordsgefährlich?", fragte Yong ungläubig.
Ich sah nachdenklich zur Seite: "Die müssen sich wohl getäuscht haben..."
"Und Kaia hat wirklich so etwas gesagt? Ich kann irgendwie immer noch nicht glauben, dass sie-. Verdammt! Hätte ich sie bloß nicht hierhergebracht", machte Jun sich, leicht aufgebracht, Vorwürfe.
"Ich auch nicht, aber ich weiß, was ich gesehen habe. Es ist wirklich immer noch schwer wahrzuhaben", murmelte ich, den Blick leicht gesenkt.
"Ich habe aber auch noch ein Hühnchen mit dir zu rupfen!", mischte sich Sayo ein, "Wie kannst du meine Präsenz mit der dieser Schlange verwechseln? Also wirklich und ich dachte du kennst mich!". Sie schmollte leicht, aber ich wusste, dass sie es nicht so meinte. Lachend kraulte ich sie hinter den Ohren, woraufhin sie kurz zurückzuckte, es aber dann gespielt widerwillig über sich ergehen ließ.
"Wie auch immer, was viel wichtiger ist: Sie sind jetzt hinter euch beiden her", merkte Jun an, zu Fohr und mir gewandt.
"Nicht dass wir schon mehrere Wochen mit den Imperialen am Hals überlebt hätten", ergänzte ich leicht schmunzelnd.
Jun lachte nur: "Du scheinst ja echt die Ruhe weg zu haben. Besonders für das, was du die letzten Tage so erlebt hast."
"Ach, da gewöhnt man sich mit der Zeit dran", meinte ich schulterzuckend, wobei mir doch etwas mulmig wurde. Ich hatte keine Ahnung, was als nächstes passieren würde. Auch wenn ich dem kleinen Gespräch von Kaia gelauscht hatte, war ich noch nicht wirklich schlau daraus geworden. Das was ich jetzt sicher wusste: sie führten etwas im Schilde und wollten Fohr und mich haben... und ich war mir nicht sicher ob tot oder lebendig.
Leicht verunsichert ließ ich meinen Blick über unsere überschaubare Gruppe schweifen. Alle schwiegen, sogar Fohr, die sonst immer so viel zu sagen hatte, ließ nur nachdenklich den Kopf hängen. Wenn ich so recht darüber nachdachte, dann hatte sie noch nichts gesagt, seit ich von meinem kleinen Abenteuer erzählt hatte.
"Fohr...", fing ich vorsichtig an, "Du weißt mehr, oder? Weißt du, wovon Kaia gesprochen hat?". Fohr nickte leicht und hob ihren Kopf.
"Ja, ich glaube es zumindest zu wissen."
Naja, das klang zwar nicht sonderlich zuversichtlich aber es war immer noch besser als gar keinen Plan zu haben, nicht wahr. Alle im Raum sahen gebannt zu Fohr, die nur den Kopf schüttelte.
"Also ich kann wirklich für nichts garantieren. Du hast doch erzählt, dass sie mich brauchen, weil ich zu einer gewissen Gruppe gehöre, die sich 'der Widerstand' nennt?", fing Fohr an zu erklären und ich nickte kurz aufmerksam, "Nun ja, der Widerstand ist eigentlich keine wirkliche Organisation, wir sind vielmehr eine Ansammlung von Leuten, die sich nicht mit dem Imperium zufrieden geben wollen. Natürlich, es gibt uns überall, aber da wäre ein Problem. Wir haben keinerlei Verbindung zu anderen Widerständlern außerhalb des Nordpols, dafür sorgt das Imperium höchstpersönlich. Wir sollen klein gehalten werden, damit wir uns nicht zusammenschließen können und damit eine ernstzunehmende Gefahr darstellen würden. Kurz gesagt, wir sind jämmerlich, aber anscheinend scheinen wir den Imperialen trotzdem nicht geheuer zu sein, sonst-", sie stockte, "Sonst würden sie uns nicht klammheimlich umbringen lassen."
Ich schluckte einen Klos in meinem Hals hinunter.
"Also war Trai auch-?", fragte ich leise und merkte wie Yong neben mir die Fäuste ballte.
"Ja, war er...", bestätigte Fohr, den Blick gesenkt.
"Diese Imperialen. Wieso können sie uns nicht einfach in Ruhe lassen? Wieso treiben sie es immer zu weit?", meinte Yong verbissen.
Ich senkte den Kopf, das würden wir glaube ich alle gerne wissen.
Fohr seufzte kurz und wandte sich schließlich an mich: "Weißt du noch, wie sie aussahen? Ich meine die Imperialen, die du in der Vision gesehen hast".
Nervös biss ich auf meiner Lippe herum, denn ich konnte mich beim besten Willen nicht mehr an die Gesichter der Leute erinnern, geschweige denn sie beschreiben.
"Ich...Ich weiß es nicht mehr wirklich. Aber sie trugen nicht alle Imperialenkleidung. Manche trugen auch Alltagssachen oder Wasserstammskleider", erklärte ich, während ich mich selbst verfluchte, dass ich mir das nicht mehr eingeprägt hatte.
"Wasserstammkleider sagst du?", hakte Fohr noch mal nach, als wolle sie sicher gehen, dass sie richtig gehört hatte, "Wenn das stimmt, dann-" 
Sie schien verbissen in Gedanken versunken zu sein.
"Rede mit uns! So verstehen wir nicht, was du meinst!", murrte Sayo schmollend
Fohr nickte und holte tief Luft. 
"Ich habe mir schon länger so etwas gedacht, aber meine Vermutungen bestätigt zu hören, ist nochmal eine komplett andere Situation. Nicht nur das, denn das Imperium ist bereits weiter als ich gedacht hätte. Sie haben sind kurz davor den Nordpol zu stürzen, von innen, das haben sie gesagt, nicht wahr? Und mir wird langsam klar, dass sie da wohl nicht übertrieben haben..."
"Was heißt?", drängte Yong beunruhigt.
"Das heißt, dass sie bereits jemanden in eine Situation gebracht haben, der dem Stammesoberhaupt schon sehr nahe steht. Wenn ich mich nicht täusche, weiß ich auch wer es sein könnte", erklärte Fohr. Sie schien sich innerlich Vorwürfe zu machen, dass ihr das nicht früher aufgefallen war.
Ich sog scharf einen Schwall Luft ein: "Also wollen sie... das Oberhaupt töten?"
Fohr schüttelte den Kopf: "Nein, so etwas törichtes könnte sich das Imperium nicht leisten. Wenn der Stammesführer stirbt und niemand weiß er ihn umgebracht hat, entsteht Skepsis. Nein, das Imperium braucht einen Sündenbock, am besten einen schweigenden. Und wie sehr würde denn derjenige gefeiert werden, der den umgebracht hat, der ihren Stammesführer abgemurkst hat?"

Wir schwiegen eine Weile, überwältigt von der Menge an Informationen, die gerade in unsere kleinen Köpfe gepresst worden war.
"Dann wollen sie zwei Leute umbringen?", fragte Jun vorsichtig, angespannt, als könnte jeden Moment jemand in den Raum platzen.
"Vielleicht. Ja, wenn meine Theorie stimmt. Nun ja, mit Mika und mir wären das dann wohl vier", murmelte Fohr und blickte unsicher zur Seite.
"Und wer wäre ihr Sündenbock?", hakte Jun weiter nach.
Fohr schien kurz nachzudenken und ihre Augen weiteten sich plötzlich.
"Sie brauchen jemanden, der einen Vorteil daraus ziehen würde, dass, nun ja, der Nachfolger und Berater des Stammesoberhaupts wäre die plausibelste Lösung", erklärte Fohr verbissen.
"Und der wäre?", fragte ich mit einem mulmigen Gefühl im Magen.
"Mein Vater"

...

"Packt eure Sachen. Nehmt alles mit, was irgendwie nützlich sein könnte. Einem Kampf können wir wahrscheinlich nicht entgehen. Ich muss noch kurz etwas erledigen und auch ein paar Sachen packen. Wir treffen uns am Aussichtspunkt östlich der Trainingshalle. Seht zu, dass euch die Imperialen nicht schon davor erwischen!"
Das waren Fohrs Anweisungen gewesen, bevor wir uns aufgeteilt hatten und zu Hangs Haus geeilt waren. Ich packte meinen Stab, den ich die letzten Wochen echt vermisst hatte, ein. Das war auch das einzige, was ich mitnahm, da ich mit wenig Gepäck beweglicher war (Auch wenn ich kurz mit dem Gedanken spielte "Meisters Zitate" mit einzupacken, für den Geistesblitz und die seelische Unterstützung in aussichtslosen Situationen).
Yong bräuchte etwas länger, um seine Sachen zu packen, also wartete ich am ungeduldig am Esstisch auf ihn. Wir wussten nicht, ob die Imperialen nicht hier in diesem Haus nach uns suchen würden und sagten Hang deshalb, sie solle am besten einer Freundin einen Besuch abstatten. Hang nickte nur leicht, als würde sie verstehen, was wir damit meinten.
Als Yong dann auch fertig war öffneten wir die Tür und traten hinaus.
"Sollte etwas ihr jemandem bestimmten über dem Weg laufen, richtet ihm doch schöne Grüße von Trai für mich aus. Es soll nicht umsonst gewesen sein", hielt uns Hang noch kurz zurück, sie lächelte leicht, ein trauriges Lächeln, aber ich verstand und nickte. Ja, wir würden dem Imperium definitiv schöne Grüße von Trai ausrichten.

Jun wartete bereits am Treffpunkt auf uns, Fohr schien jedoch noch nicht dort zu sein. Es war relativ wenig los hier, was wahrscheinlich auch der Grund war, warum Fohr diesen Ort als Treffpunkt ausgewählt hatte.
"Seit ihr auch so bereit wie ich?", fragte Jun mit einem leichten Ton von Ironie in seiner Stimme.
"So bereit, wie schon lange nicht mehr", antwortete ich, nur um den Sarkasmus hier richtig aufblühen zu lassen.
"Fehlt nur noch Fohr. Ob alles in Ordnung ist?", fragte Yong, die mickrige Menschenmenge skeptisch musternd.
"Ich glaub um Fohr müssen wir uns am wenigsten Sorgen machen, da müssen wir eher ums Imperium bangen", erwiderte ich leicht schmunzelnd, als kleinen Versuch die Spannung aufzulockern und die Tatsache überspielend, dass wir in wenigen Minuten geradewegs in unseren Tod spazieren würden.
"Genau! Da müssen wir eher aufpassen, dass wir dich nicht wieder bewusstlos aus irgendeinem Schlamassel herausschleifen müssen", scherzte Jun verschmitzt.
Ich lief knallrot an. Als könnte ich etwas dafür seltsame frühere Leben zu haben, die dazu tendierten meinen Körper übernehmen zu wollen.
Sayo neben mir grunzte.
"Keine Sorge! Wer einen furchterregenden, extrem starken Wolf an seiner Seite hat, der muss sich keine Sorgen um ein paar imperiale Schweine machen!"
Und da dachte ich, ich hätte ihr Bescheidenheit beigebracht.
"Oh, wartet ihr schon lange?", hörten wir die vertraute Stimme von Fohr.
Sie hatte einen kleinen Schnitt, von dem sie sich lässig mit dem Daumen das Blut wegwischte, so lässig, wie es nur eine Fohr könnte.
"Was ist-?"
"Ach, ein Floh hat mich genervt", unterbrach mich Fohr, "Also? Alles bereit?"
Wir schwiegen.
"Super! Dann lasst uns dem Imperium mal zeigen, was wir draufhaben!"

Avatar - The Traitor's Child -Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt