Der Sturm

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"Also? Schieß los. Was genau passiert hier gerade?", Tao Ren sah zwischen Yazhen und mir hin und her, während wir beide ihn erstummt anstarrten.
"Ach ja, richtig", Yazhen räusperte sich, sein Blick über die Stadt schweifend, "Die Imperialen haben den Eingang nach Liusha entdeckt und sind gerade dabei sich Zugang zu verschaffen. Deshalb-", er fing mit einer leichten Handbewegung etwas Sand auf, der von der Decke des gewaltigen Doms rieselte, ließ ihn um seine Finger kreisen und seufzte. Der ausgelassene Yazhen, den ich kannte, war wie ausgewechselt, vollkommen fokussiert auf die Situation.
"Ren, ich brauche deine Hilfe, nein", sein Blick schweifte hinter Tao Ren, wo sich langsam der verschlafene Rest des Teams zusammenfand, "Jede Hilfe, die ich kriegen kann. Die anderen Wachen, die mit mir unterwegs waren, sind auch los, um jede mögliche Unterstützung zu holen. An erster Stelle steht es, all diejenigen zu evakuieren, die nicht in der Lage sind zu kämpfen, dabei müssen wir auch versuchen das Imperium zurückzudrängen. Es hat sich dieses Mal mit den falschen Leuten angelegt."
Ein breites Grinsen zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, aber es war, anders als sonst, durchzogen von einem Hauch von Zweifel.
Tao Ren runzelte die Stirn.
"Was ist? Du bist doch sonst die Zuversicht in Person, das lässt du dir doch jetzt nicht nehmen, oder?"
Yazhen schnaubte, sein Grinsen wurde ehrlicher.
"Sicher nicht!"
Als mein Blick wieder zu dem Rest der Truppe herüberglitt, hatten diese sich schon für den Kampf gerüstet.
"Was für eine Art geweckt zu werden. Aber wir wissen ja, wenn man um 3 Uhr morgens geweckt wird, sollte man auswendig können, wie man den Imperialen eins auswischt", kommentierte Chyou und Fohr nickte zustimmend, während sie sich ein Lachen verkniff.
"Dein Selbstvertrauen wird dich irgendwann noch umbringen, also hoffe ich, dass du es doch in die Tat umsetzen kannst. Werde dir erst mal dem Ernst der Lage bewusst", korrigierte Ruolan ihre Schwester kritisch.
"Hab dich nicht so, Ruolan. Zwei Schwestern, zwei Schwerter. Diese Zwillingsklingen sind das Letzte, was die Imperialen sehen werden."
Hinter den Zwillingen tauchten Jun und ein schlaftrunkener Yong auf.
"Was haben wir verpasst? Yong hier wäre nicht wachzukriegen, selbst wenn ein Stern vom Himmel auf das Dach fallen würde."
Yong schien etwas gegen diese Aussage zu haben, schloss aber ihren Mund wieder, da momentan andere Sachen wichtiger waren.
Yazhen wollte gerade die Situation schildern, als unsere Blicke zu einem der Stadttürme fielen, von dem aus ein rasches Lichtsignal über die Stadt fiel. Die anderen beiden Wachtürme stimmten leicht versetzt in das Signal ein, wodurch die Stadt in abwechselnde Lichtsignale gehüllt wurde. Nur kurz darauf ertönte ein leises, aber penetrantes Klingeln von mehreren Orten ausgehend.
In einigen Häusern ging nun das Licht an, doch eine beklemmende Stille blieb, die einzig und allein durch das Geräusch der Glocken durchdrungen wurde.
"Warum habt ihr keinen lauteren Alarm? Was, wenn nicht alle davon wach werden?"
"Um zu vermeiden, dass die Kuppel zu sehr in Schwingung gerät. Aber keine Sorge, wir haben ein ausgeklügeltes Alarmsystem, das auf Notfälle vorbereitet ist. Außerdem passen wir aufeinander auf", Yazhen deutete zu einer der Straßen, auf denen jetzt langsam Leben einkehrte. Eine Familie hatte ihr Haus verlassen und hängte ein rotes Schild vor ihre Tür.
"Das ist ein Zeichen, dass sie das Signal vernommen haben und sich in Richtung der Notausgänge bewegen. Wenn wir an Häusern vorbeikommen, die es nicht ausgehängt haben, ist es die Pflicht aller Bewohner die Leute darin zu wecken. Aber in der Regel sollten der Großteil der Leute schon wach sein."
"Und der Grund für den Alarm? Lass mich raten. Das Imperium?", fragte Jun, wenig überrascht.
Tao Ren nickte.
"Ich würde euch ja anbieten bei der Evakuierung zu helfen. Aber ich glaube wir brauchen euch eher an der Front."
Der Wechsel zwischen Hell und Dunkel der Lichtsignale machte mir die Dringlichkeit der Lage schmerzlich bewusst und ich schluckte meine steigende Nervosität herunter.
"Ich bin dabei. An der Front", murmelte ich.
Fohr zuckte mit den Schultern: "Wenn sie dabei ist, sind wir alle dabei."
"Natürlich", stimmte Yong ihr zu und Jun, Chyou und Ruolan nickten entschlossen.
Ich warf ihnen einen warnenden Blick zu und wollte noch etwas einwenden, doch ich konnte mich nicht dazu durchringen. Ich war froh, sie dabei zu haben.
"Ren?", fragte Yazhen und musterte Tao Ren kurz, der ihn nur mit verschränkten Armen anstarrte.
"Natürlich. Selbst wenn ich dir befehlen würde nicht mitzukommen, könnte ich dich nie davon abhalten", Yazhen lachte, und verdeckte damit eine leichte Unsicherheit, die in seinen Augenbrauen mitzuckte.
"Dann gehen wir zum Haupteingang."

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